Hygiene

Resistente Bakterien: jährlich 5 Millionen Todesfälle weltweit

01.12.2022 - Eine neue systematische Analyse aus dem Lancet zeigt den Ernst der Lage. Gram-negative Bakterien sind die größte Gefahr in der Zukunft.

Die Auswertung von 9.324 Quellen (Studien, Daten von Kliniken etc.) und 478 Mio. Proben aus 204 Ländern zeichnet erstmals ein genaues Bild über die weltweite Verbreitung resistenter Keime. Über 174 Autoren haben sehr aktuell eine detaillierte Auswertung in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht. 4,95 Mio. Todesfälle, die in Verbindung mit resistenten Bakterien stehen, wurden aus den Daten extrahiert – davon 1,27 Mio. Todesfälle, die direkt auf resistente Keime zurückzuführen sind. Die WHO prognostiziert, dass im Jahr 2050 mit 10 Mio. Todesfällen jährlich zu rechnen sei. Es scheint, dass durch resistente Bakterien verursachte Infektionen sich zur häufigsten Todesursache noch vor Krebserkrankungen weltweit entwickeln.

Massenhafter Verbrauch von Antibiotika

Während sich derzeit über 4.000 neue Wirkstoffe in der Entwicklung zur erfolgreichen Bekämpfung von Krebs befinden, werden nur 40 Wirkstoffe als mögliche neue Antibiotika erforscht, wie im Fachblatt „Nature“ zu lesen ist. An dieser Diskrepanz lassen sich wirtschaftliche Interessen ablesen. Antibiotika sind zur billigen Massenware geworden. Zwischen 2000 und 2015 ist der Verbrauch von Antibiotika um 65 % gestiegen, was auch eine der Ursachen für die Verbreitung der Resistenzen darstellt.

Während die Verbreitung resistenter Erreger in den wohlhabenden Ländern (USA, West-Europa) noch moderat erscheinen mag, ist sie in den Entwicklungsländern außer Kontrolle geraten. Dass diese Entwicklung für die wohlhabenden Länder stabil bleiben könnte, sollte nach den Erfahrungen der letzten Pandemie als Illusion angesehen werden. Schon heute kostet die Behandlung von Infektionen Milliarden. Die CDC schätzt, dass derzeit 55 Milliarden US$ jährlich an Kosten durch resistente Erreger verursacht werden. Davon entfallen 20 Milliarden auf direkte Behandlungskosten und 35 Milliarden auf den Verlust von Produktivität. Es ist anzunehmen, dass die Lage in Europa sich ähnlich darstellt.

Wasserassoziierte Bakterien im Fokus

Über 70 % der oben erwähnten Infektionen mit Todesfolge werden von nur sechs Erregern verursacht. Vier von ihnen sind wasserassoziierte, gram-negative Bakterien, darunter auch Pseudomonas aeruginosa. 75.000 Todesfälle jährlich weltweit lassen sich direkt auf dieses Bakterium zurückführen.

Legionellen erfahren auch in der Trinkwasserverordnung eine besondere Aufmerksamkeit und werden regelmäßig erfasst. Sie verursachen laut WHO 10 bis 15 Infektionen je 1 Million Einwohner in Europa und den USA mit einer Todesrate von ca. 5 % bis 10 % (WHO 2022). Errechnet man die Todesfälle, die durch resistente (!) Pseudomonas aeruginosa verursacht werden, aus den Daten der Lancet-Veröffentlichung, so ergibt sich ein erschreckendes Bild. Die Rate liegt in Europa und den USA bei ca. 10 Todesfällen je 1 Million Einwohner und ist damit mindestens 10-mal so hoch wie die der durch Legionellen verursachten Todesfälle. Auch wenn bei Legionellen-Erkrankungen eine hohe Dunkelziffer besteht, zeigt der errechnete Faktor an, dass es überfällig ist, den Erreger Pseudomonas aeruginosa mit einem Grenzwert von 0 je 100 ml in die Trinkwasserverordnung aufzunehmen.

Biofilm schützt Wasserkeime vor Desinfektion

Der Erreger Pseudomonas aeruginosa ist ein Wasserkeim und wird maßgeblich aus dem Wasser auf den Menschen übertragen. Studien zur Verbreitung dieses Keimes sind zahlreich. Sie zeigen, dass nur wenige mit dem Keim kontaminierte Wasserentnahmestellen ausreichen, um den Keim über Hände und Oberflächen weiter zu verbreiten und Patienten zu infizieren. Eine tückische Eigenschaft der Spezies ist die Fähigkeit zur Biofilmbildung, die den Keim vor Desinfektionsmaßnahmen (Chlorung, Temperatur etc.) schützt. Zudem weisen die Antibiotika-resistenten Erreger auch eine höhere Toleranz gegenüber Chlor auf.

Endständige Sterilfilter sind ein verbreitetes und angemessenes Instrument, um die Verbreitung von gram-negativen Keimen wie dem Erreger Pseudomonas aeruginosa zu begegnen. Sie helfen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von anderen hygienischen Maßnahmen, Infektionen zu vermeiden. Allerdings steht die Verbreitung Antibiotika-resistenter Erreger zumindest für die wohlhabenden Länder am Beginn einer schleichenden Pandemie, die ihren Höhepunkt erst in einigen Jahrzehnten erreichen wird.

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