Auszeichnungen

Krankenhaus-Keime: Die „stille Pandemie“

12.09.2022 - Prof. Dr. Stephan Harbarth ist mit dem mit 50.000 Euro dotierten Robert-Koch-Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention 2022 ausgezeichnet worden.

Der Genfer Professor mit Wurzeln im Allgäu formulierte in seiner Dankesrede in der St. Elisabeth Kirche in Berlin einen deutlichen Wunsch: „Besseres Screening, auch asymptomatischer, Patient*innen in Deutschland.“

Der Vorstandsvorsitzende der Robert-Koch-Stiftung, Prof. Dr. Wolfgang Plischke sprach eingangs über die historische Relevanz des Preises. „Dieser Preis steht ganz in der Tradition Robert Kochs, der 1885 in Berlin zum ersten Professor des Hygieneinstituts der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität berufen wurde,“ sagte er und wies darauf hin, dass die Herausforderungen der Vergangenheit „nicht verschwunden“ seien. „Das hat die Pandemie offenbart.“

„Wir haben in den letzten Jahren sehr viel erlebt, was der Transparenz in dieser Welt entgegenläuft“, unterstrich Dr. Meinrad Lugan, Vorstandsmitglied bei der B. Braun SE, die Wichtigkeit des Preises, auch für Gesellschaft und Politik. „Deswegen soll dadurch Transparenz in Forschung und Ergebnissen hergestellt werden und als Ansporn dienen.“

Neben den durch nosokomiale Infektionen verursachten medizinischen Problemen nannte Prof. Dr. Christian Straub, der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, auch ökonomische Faktoren für die Relevanz von Krankenhaushygiene und Infektionsprävention: „Pro Jahr entstehen 1,5 Milliarden Euro Zusatzkosten wegen diesen Infektionen und multiresistenten Keimen.“

Die B. Braun SE und die Barmer GEK stellen zusammen das Preisgeld für die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung zur Verfügung.

Der Bundestagsabgeordnete Stephan Schwartze war als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patienten vor Ort. Er sprach dem Preisträger seine Gratulation aus, und beschrieb Stephan Harbarths Arbeit als „tief beeindruckend“, nannte seinen Einsatz „beispielhaft“: „Es gibt immer noch eine Menge zu tun. Dieser Preis hat ein enormes Gewicht.“

„Es werden derzeit weniger neue Antibiotika entwickelt, oder wenn, dann sind es ‚Cousins‘ bereits bekannter Antibiotika-Klassen, gegen die die Keime schnell resistent werden“, sagte Prof. Harbarth in einem kurzen Film über sein Leben. „Wir brauchen originelle, kreative Entwicklungen im Bereich der Antibiotika.“

Prof. Dr. Petra Gastmeier von der Charité hielt die Laudatio auf Stephan Harbarth. Als langjährige Kollegin und Wegbegleiterin hatte sie ihn für den Preis vorgeschlagen – weil er es nicht nur verdiene, für Forschungserfolge ausgezeichnet zu werden, sondern auch für die Hartnäckigkeit, internationale Herausforderungen anzugehen, wenn kulturelle Unterschiede und andere Rechtsgrundlagen die Arbeit erschwerten, und weil er im Namen der Kollegen viel bewege. „Ich habe nachgezählt – mit über 50 Fellows unter anderem in Australien, Asien und Südamerika“ habe Harbarth dem Wissenschaftsnachwuchs viele Impulse gegeben, und „diesen Preis sehr verdient“, sagte sie.

Stephan Harbarth ist als Professor an der Universität Genf verantwortlich für alle Aspekte der Krankenhausepidemiologie und Infektionskontrolle in der Abteilung für Innere Medizin der Genfer Universitätskliniken. Sein Hauptinteresse gilt der Epidemiologie, Übertragung und Prävention von Infektionen durch multiresistente Mikroorganismen, Krankheitserreger, die gegen mehrere Antibiotika immun sind, und die deshalb ein großes Problem in den Krankenhäusern darstellen.

„Ein solcher Preis ist niemals eine Einzelleistung, sondern eine Team-Leistung“, bedankte sich Prof. Dr. Stefan Harbarth bei seinen Mitarbeitenden, nachdem ihm Prof. Dr. Wolfgang Plischke und Prof. Dr. Andreas Radbruch im Namen der Robert-Koch-Stiftung den Preis überreicht hatten. „Ich bin dankbar für viele Möglichkeiten, die ich in Genf habe.“ Er dankte weiterhin der Stiftung, seiner Familie, seiner Frau, die ihm immer „akademische Narrenfreiheit“ gewähre, und seinen Mentoren wie Prof. Dr. Don Goldmann in Boston, USA, und Prof. Dr. Didier Pittet in Genf.

Stephan Harbarth widmete seinen Preis der deutsch-französischen Wissenschaftsfreundschaft, denn: „Auf den Monat genau ist es 140 Jahre her, da kam es auf einem Hygiene-Kongress in Genf zwischen Louis Pasteur und Robert Koch wegen eines Übersetzungsfehlers zum Eklat.“ Koch hatte geglaubt, Pasteur habe die Deutschen als „arrogant“ oder „überheblich“ bezeichnet. Zeitlebens lieferten sie sich in Fachzeitschriften einen Schlagabtausch. „Wenn wir Pasteur und Koch zusammen diesen Preis widmen, können die beiden sich da oben im Mikrobiologenhimmel wieder vertragen“, fügte Stephan Harbarth mit einem Augenzwinkern hinzu.

Im Gespräch mit der Moderatorin des Abends, Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori, sprachen Stephan Harbarth und Andreas Radbruch in einem kurzen Live-Talk über die Auswirkungen der Pandemie auf die Entwicklung der Arbeit im Bereich der Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. „Die Pandemie war ‚lauter’ in den letzten Jahren als die ‚stille Pandemie‘ der Krankenhauskeime“, so Stephan Harbarth. Aber es gebe auch Gutes: „Jetzt haben wir Studien, die nosokomiale Infektionen im Zusammenhang mit Covid betrachten.“

Erstmals sei der Preis, den die Robert-Koch-Stiftung alle zwei Jahre verleiht, auch international ausgeschrieben worden. Der Hintergrund: „Es gibt so viele gute Kandidat*innen“, sagte Andreas Radbruch am Ende der Verleihung.

Ian Istomin, Schüler am Berliner Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach, Jungstudent an der Akademie der Künste und Stipendiat der Jürgen-Ponto-Stiftung, rahmte die Preisverleihung auf der Querflöte mit „Image op. 38“ von Eugène Bozza zu Beginn und „Fantasia Nr 2“ von Georg Philipp Telemann am Ende ein.
 

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