„Leben – so lange und so gut wie möglich“
27.12.2022 - Auf der neuen Palliativstation am Universitätsklinikum rechts der Isar stehen Selbstbestimmung und Würde schwerstkranker und sterbender Menschen im Mittelpunkt.
Der Alltag auf dieser Station ist dennoch voller Leben und wertvoller Augenblicke. Denn anders als im klassischen Klinikbetrieb herrscht hier kaum Hektik. Die wenige Zeit, die vielen Betroffenen noch bleibt, will man ganz bewusst gestalten – zusammen mit den Patienten und deren Angehörigen.
Es ist ein Ort der Begegnungen, „mitten im Herzen des Klinikums“: Die neue Palliativstation am Universitätsklinikum rechts der Isar wirkt auf den ersten Blick wie eine große Familienwohnung. Zehn Einzelzimmer mit eigenem Bad, ein Wohnbereich, eine Küche, ein Balkon mit Blick in den Garten. „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht, die bestmögliche Lebensqualität zu erreichen oder zu erhalten. Leben – so lange und so gut wie möglich“, sagt Prof. Johanna Anneser, die den Funktionsbereich Palliativmedizin der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie leitet. Zusammen mit ihrem multiprofessionellen und fachübergreifenden Team kümmert sie sich auf der Station U1a um schwerstkranke und sterbende Menschen. Ihre Arbeit beginnt also dort, wo es nicht mehr um Heilung, sondern oft um einen würdevollen Abschied geht, einen Abschied ohne Leiden.
Anders als in einem Hospiz steht auf der Palliativstation das komplette diagnostische und therapeutische Spektrum eines Universitätsklinikums bereit. Schmerzen sind eines der vielen körperlichen Symptome, die Prof. Annesers Team bei ihren Patienten lindert. Atemnot, Übelkeit oder Verwirrtheit gilt es ebenso zu bekämpfen. Doch über allem, sagt Prof. Anneser, stehe die Frage: „Was braucht der Mensch in seiner Situation?“ Und das wüssten die Betroffenen „besser als wir“.
Es ist eine sehr demütige Haltung, die das Handeln auf der Palliativstation bestimmt. „Uns Medizinerinnen und Medizinern fällt es oft schwer zu sagen: ,Ich kann Ihnen keine weitere Chemotherapie oder Bestrahlung anbieten‘.“ Aber manchmal müsse man genau das machen – müsse genau hinschauen, wie lange Therapien sinnvoll seien. Die Menschen, die hierherkommen, haben oft eine fortgeschrittene Erkrankung mit eingeschränkter Lebenserwartung oder eine besondere Belastung durch Schmerzen. Deshalb gehört auf dieser Station ein Mehr an Zuwendung zum Standard, genauso wie seelsorgerische Angebote oder eine Psycho- und Physiotherapie. Und, dank eines externen Sponsors, auch eine Musiktherapie.
„Unser Ziel ist eigentlich die Entlassung nach Hause oder in eine andere Einrichtung – in ein stabiles Umfeld“, erzählt Prof. Anneser. Im Schnitt blieben die meisten Patienten rund zwei Wochen. Ist eine Entlassung nicht mehr möglich, begleitet das Team der Station U1a die Patienten und deren Angehörige auch durch die letzten Lebenstage. „Wir können individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Patient*innen eingehen“, sagt Prof. Anneser. Die Angehörigen haben auch die Möglichkeit, zu übernachten – um die letzten Tage und Stunden gemeinsam an einem geschützten Ort verbringen zu können. Denn an diesem Ort erleben die Betroffenen viele wertvolle Augenblicke voller Leben. „Es wird auch relativ viel gelacht auf unserer Station“, sagt Prof. Anneser. Denn das gehöre genauso zur Lebensqualität in der letzten Phase.
Vor einiger Zeit hat eine Angehörige eines verstorbenen Patienten Prof. Anneser und ihrem Team einen berührenden Brief geschrieben. Dort stand: „Auf diesem Wege möchte ich mich nochmal von Herzen für die Unterstützung in einem der schwierigsten Momente meines Lebens bedanken. Dank Euch durfte ich mich in seinen letzten Lebensmomenten ganz auf ihn einlassen. Diese Erfahrung wird mich immer begleiten und ist mir auch jetzt eine große Stütze.“ In solchen Augenblicken weiß das Team auf der Station U1a einmal mehr, wie wertvoll und sinnhaft seine Arbeit ist.
Musiktherapie auf der neuen Palliativstation
Morgane Allanou kommt jeden Dienstag auf die neue Palliativstation am Universitätsklinikum rechts der Isar. Sie ist Musiktherapeutin – und sie nimmt sich für alle stets „so viel Zeit wie nötig“. Sind die Patienten schon zu schwach für einen längeren Besuch, „dann schau‘ ich eben fünfmal kurz vorbei“, erzählt sie. Wenn Allanou „ihren“ Patienten dann behutsam die Moase, ein zitherähnliches Instrument, auf die Brust legt und mit flinken Fingern die vielen Saiten zum Klingen bringt, sind die Schwingungen durch die Bettdecke hindurch zu spüren. Was die Fachsprache als „vibrotaktile Entspannungsstimulation“ bezeichnet, empfinden die Betroffenen als angenehmes Gefühl, das ihnen hilft, sich zu öffnen – die Schmerzen, das Leid und womöglich auch die Verzweiflung für einen Moment in den Hintergrund treten zu lassen und sich auf die Interaktion mit der Musiktherapeutin einzulassen.
Musik eröffne eine emotionale Ebene, erklärt Allanou: „Sie bietet einen eigenen Zugang, um sich auszutauschen.“ Dass die Menschen, die Allanou auf der Station U1a besucht, oft nicht mehr lange zu leben haben, ist ihr sehr bewusst. Als belastend empfindet sie diese Tätigkeit aber nicht – im Gegenteil: „Ich kann noch mal eine Lebensfacette einbringen, die sonst nicht stattfinden würde“, sagt die Musiktherapeutin. „Ich staune immer wieder, wie sehr sich die Menschen öffnen. Oft sind das schöne, freudige Momente – da kommt das Leben noch mal durch.“
Auch Prof. Johanna Anneser, die den Funktionsbereich Palliativmedizin der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie leitet, ist dankbar für dieses Engagement. „Wir freuen uns sehr, dass es ein so schönes Angebot für unsere Patientinnen und Patienten gibt“, sagt sie. Dieses Angebot wird durch eine Spende der Sparda-Bank München gesichert. Christine Miedl, Kommunikationsdirektorin der Genossenschaftsbank, erklärt: „Musik berührt uns im Inneren und hat die Kraft, Schmerz zu lindern. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, die musiktherapeutischen Maßnahmen für Menschen im Palliativbereich zu fördern.“
Für Musiktherapeutin Allanou ist es ein ganz besonderer Einsatz. Wenn möglich, bezieht sie auch die Angehörigen in die Therapie mit ein. Die Schwester einer verstorbenen Patientin hat ihr jüngst dafür gedankt: Im Sterbezimmer, so schrieb sie der Musiktherapeutin, sei es Allanou gelungen, der Schwester „ein Lächeln ins von Schmerzen gezeichnete Gesicht zu zaubern“.
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