Labor & Diagnostik

Hoffnung für Patienten mit schwerer seltener Krankheit

27.01.2023 - Neue Forschungsergebnisse könnte Betroffenen der Erbkrankheit Methylmalonazidurie Vorteile bringen. Wissenschaftler kombinierten mehrere molekularbiologische Untersuchungsmethoden.

Damit können sie diese seltene schwere Krankheit besser als bisher diagnostizieren. Auch die Therapiemöglichkeiten könnten sich verbessern.

Von der Stoffwechselkrankheit Methylmalonazidurie (MMA) ist eines von 90.000 Neugeborenen betroffen, wenn beide Elternteile eine genetische Veranlagung für die Krankheit tragen. Damit gehört sie zu den seltenen Krankheiten. Ihre Folgen sind allerdings schwerwiegend: Ein Enzym, das die jungen Patienten für den Energiestoffwechsel benötigen, ist defekt. Ein bestimmtes Stoffwechselprodukt wird daher nicht wie bei gesunden Personen zur Energiegewinnung abgebaut, sondern es reichert sich im Körper an und schädigt ihn. MMA gilt als unheilbar. Bis zu einem gewissen Grad können Ärzte den Betroffenen zwar helfen, dennoch kann es zu Wachstumsverzögerungen, Nierenversagen und schweren neurologischen Beeinträchtigungen kommen. Betroffene Kinder und Jugendliche sind oft auf den Rollstuhl angewiesen, und nicht immer überleben sie und erreichen das Erwachsenenalter.

Vernetzung als Erfolgsfaktor

Das Universitäts-Kinderspital Zürich ist eines der weltweit führenden Zentren für die Diagnose und Behandlung dieser Krankheit. Daher werden Gewebeproben von Patienten aus der ganzen Welt zur Diagnose nach Zürich geschickt. In einem großen interdisziplinären Projekt haben Forschende mehrerer Schweizer Forschungsinstitutionen nun 210 dieser Biopsien detailliert untersucht. Sie untersuchten dabei nicht nur die Gene (DNA) der Patienten-Zellen, sondern auch die RNA-Abschrift dieser Gene sowie viele der Proteine.

Es ist dies das erste Mal, dass die die Krankheit MMA mit einem solchen Multi-Omik-Ansatz (Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik) untersucht worden ist. Angestoßen und finanziert wurde die Arbeit von der Initiative Personalized Health and Related Technologies (PHRT) des ETH-Bereichs. An der Arbeit beteiligt waren Forschende von Universitäts-Kinderspital Zürich, ETH Zürich, EPFL, Universität Zürich und des Genom-Zentrums der Westschweizer Initiative „Health 2030“ in Genf. Die molekulare Analyse wurde am Swiss Multi-Omics Center (SMOC) von PHRT in Zürich durchgeführt.

Genauere Diagnose

Bislang stützten sich Ärzte für die molekularbiologische MMA-Diagnose auf eine DNA-Sequenzierung. Dabei übersahen sie jedoch immer wieder Fälle, wie Sean Froese, Forschungsgruppenleiter am Kinderspital Zürich und Mitautor der Studie, berichtet. Es gibt Untersuchungen, wonach auf diese Weise nur ein Drittel bis die Hälfte aller Fälle richtig diagnostiziert werden. „Der Grund dafür ist, dass jeder Mensch, auch gesunde Menschen, viele natürlich vorkommende Genmutationen trägt, die keinen offensichtlichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Daher ist es schwierig, jene zu finden, welche die Krankheit tatsächlich verursachen“, sagt Bernd Wollscheid. Er ist Professor am Departement für Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich, Vorsitzender des Exekutivkomitees von PHRT und Mitautor der Studie.

Indem die Forschenden die molekularbiologische Untersuchung stark ausweiteten, betrachten sie nicht nur die genetische Ursache, sondern auch deren Konsequenzen auf den Stufen RNA, Proteine und Proteinfunktion. So ist es dem Forschungskonsortium gelungen, im Rahmen dieser Studie einen Diagnoseansatz zu entwickeln, mit dem es 84 % der untersuchten Patienten richtig diagnostizieren konnte. „Unsere neue Methode wird die Chancen der Patienten auf eine korrekte Diagnose drastisch erhöhen“, sagt Patrick Forny, Oberarzt am Kinderspital Zürich und einer der Erstautoren der Studie. „Damit werden wir ihnen die richtige Behandlung künftig in einem viel früheren Stadium anbieten können.“

Neuer Ansatz für die Therapie

Die neuen Multi-omik-Daten zeigten außerdem: Der Energiestoffwechsel von MMA-Patienten kann damit umgehen, dass ein wichtiges Enzym defekt ist, und weicht auf ein anderes Stoffwechselprodukt als Energiequelle aus. Allerdings können die Patienten damit die körpereigene Energieproduktion nicht ausreichend kompensieren. In In-vitro-Experimenten mit Zellen von Betroffenen, gelang es den Forschenden, durch Zufuhr einer solchen alternativen Energiequelle, die Energieproduktion auf nahezu normale Werte anzuheben.

Die Wissenschaftler möchten nun untersuchen, ob dieser Ansatz in einem Tiermodell dieselbe Wirkung zeigt und letztlich auch erkrankten Menschen helfen könnte. Außerdem planen die Forschenden ein neues nationales interdisziplinäres und interinstitutionelles Projekt namens SwissPedHealth, das von PHRT und dem Schweizerischen Netzwerk für personalisierte Gesundheit (SPHN) finanziert wird. Damit möchten sie die Aussagekraft der Diagnose weiter erhöhen und den Multi-omics-Ansatz auf andere genetische Krankheiten ausweiten.

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