Ein Tausendsassa wird Juniorprofessor für Translationale Medizin
25.05.2023 - Maik Luu (29) hat die Ernennungsurkunde zum Juniorprofessor für Translationale Medizin am Uniklinikum Würzburg erhalten.
Maik Luu (29), Sohn von Tan That und Thi Thu Ba Luu, die 1980 mit der Cap Anamur von Vietnam nach Deutschland kamen, Hobbykoch, Musiker, ehrenamtlicher Mitarbeiter im Deutschen Alpenverein und Tierheim, Humanbiologe, der seinen Doktor im Fast-Track-Promotionsprogramm an der Philipps-Universität in Marburg machte, hat heute die Ernennungsurkunde zum Juniorprofessor für Translationale Medizin am Uniklinikum Würzburg erhalten.
Seine Eltern haben sich immer gewünscht, dass er zeigt, wie viel man aus eigener Kraft erreichen könne, ohne dabei das Gefühl für Dankbarkeit zu verlieren. Nun sei er an der Reihe, etwas zurückzugeben und seinen Teil zur Gesellschaft beizutragen, sagt er.
„Gebt immer euer Bestes und seid dankbar, dass ihr euren Teil in dieser Gesellschaft beitragen dürft!“ Die Worte ihrer Eltern haben Maik Luu und seinen Bruder von klein auf begleitet. „Als Kind fehlte mir das Verständnis dafür, wieso gute Noten wichtig sind. Doch irgendwann habe ich begriffen, dass ich das alles tue, um mir selbst Türen zu öffnen“, blickt Maik Luu zurück. Der 29-jährige Doktor der Humanbiologie hat gerade an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg über das WISNA-Programm eine W1-Professur für Translationale Medizin erhalten, mit Tenure-Track* auf eine W2-Professur.
Eltern kamen 1980 als „Boat People“ von Vietnam nach Deutschland
Seine Eltern könnten nicht stolzer sein. Mit der Motivation, ihren zukünftigen Kindern Bildung und somit ein besseres Leben zu ermöglichen, haben sie vor mehr als 40 Jahren als so genannte „Boat People“ ihre vom Krieg gebeutelte Heimat Vietnam verlassen: Mutter Thi Thu Ba Nguyen-Luu und Vater Tan That Luu kamen im Jahr 1980 mit der Cap Anamur nach Deutschland und fassten in Eschweiler bei Aachen Fuß. In Maik Luus Augen ist das, was seine Eltern auf sich genommen haben, eine viel größere Leistung als seine Professur. „Ihr Mut, mit nichts als der Kleidung am Leib ins Ungewisse aufzubrechen und sich in einem Land durchzuschlagen, dessen Sprache und Kultur sie nicht kannten, könnte nicht größer gewesen sein.“
Viel Unterstützung, aber auch Beschimpfungen
Sein akademischer Werdegang ist ein klassischer Aufstieg über den Bildungsweg. Seine Eltern, beide ungelernt, hatten in Deutschland zunächst Hilfsjobs, unter anderem als Erntehelfer. Dann bauten sie sich ein asiatisches Restaurant und später eine Schneiderei auf. Unterstützung bekamen sie von ihren Nachbarn, Heinz und Gisela Weber. „Die beiden haben unsere Familie gewissermaßen adoptiert. Sie waren für uns wie Oma und Opa, so bescheiden und unfassbar herzlich. Gisela nannten wir auch Mutter Zwei“, schwärmt Maik Luu. Auf der anderen Seite gab es den Rassismus, den auch er zu spüren bekam. „Man musste aufpassen, dass man nicht in der Mülltonne landet oder einen Baseballschläger übergezogen bekommt“, erinnert er sich. Schiefe Blicke und dumme Kommentare seien im universitären Umfeld glücklicherweise seltener geworden. Aber hier und da käme schon noch vor, dass man ihn für sein gutes Deutsch lobe oder bei Veranstaltungen darauf aufmerksam mache, dass nur deutsch gesprochen werde.
Als er in der Schule irgendwann reflektierte, dass es sich lohnen könnte, sich anzustrengen und merkte, dass ihm einiges leichtfiel, wurde er immer selbstbewusster. Nach dem ersten Halbjahr in der achten Klasse sprang er in die neunte, später wurde er Stufensprecher. In dieser Funktion bat er anlässlich des Abschieds des Abiturjahrgangs eine Verleihfirma höflich um ein günstiges Angebot für eine Hüpfburg. Er erhielt nicht nur eine Absage, sondern wurde regelrecht als Bittsteller beschimpft, dem wie alle Studierenden eine Zukunft als Hartz-IV-Empfänger mit schlechtem Umgangston und übler Zahlungsmoral vorausgesagt wurde. Über diese Geschichte, welche damals bundesweit für Furore sorgte, kann Maik Luu heute nur schmunzeln.
Im Rahmen eines Fast-Track-Promotionsprogramms zum Doktor
Er entschloss sich nach dem Abitur für den Bachelor-Studiengang Humanbiologie/ Biomedical Science an der Philipps-Universität in Marburg mit dem Hauptfach Infektionsbiologie. Anschließend hat er anstelle des Master-Studiums im Rahmen eines Fast-Track-Promotionsprogramms seinen Doktor gemacht. Nur zwei Jahre und vier Monate später schloss der damals 25-Jährige die Promotion mit summa cum laude ab. In seiner Doktorarbeit „Immunomodulatory effects of HDAC and proteasome inhibitors in inflammation and carcinogenesis“ untersuchte er, wie das Immunsystem auf unterschiedliche Bakterien der Darmflora und deren Stoffwechselprodukte reagiert. Anschließend arbeitete er in Marburg weitere zwei Jahre als Postdoc mit einem enormen Output an Publikationen. So wurden zum Beispiel in der Fachzeitschrift Nature Communications zwei seiner Untersuchungen zum Einfluss bestimmter Stoffwechselprodukte von Bakterien aus dem Darm auf das Immunsystem veröffentlicht. Unter anderem konnte er zeigen, dass das Mikrobiom die zytotoxische Aktivität von gentechnisch veränderten Immunzellen steigern und damit die Effizienz von Tumortherapien positiv beeinflussen kann.
In zahlreiche nationale und internationale Forschungsprojekte involviert
„Mein Dank gilt hier vor allem meinen Mentoren Alexander Visekruna und Michael Hudecek. Mit Alexander habe ich sechs Jahre lang eng in Marburg zusammengearbeitet. Er hat mich extrem gefördert und das wissenschaftliche Arbeiten gelehrt“, bemerkt Maik Luu. „Wie der Zufall es will, bekommen wir fast zeitgleich eine Professur, Alex in Marburg und ich in Würzburg.“ Denn seit April 2021 arbeitet Luu als Senior-Postdoc im Bereich der Tumorimmunologie am Universitätsklinikum Würzburg im Institut von Prof. Dr. Michael Hudecek. Neben seinen eigenen Forschungsprojekten zum Mikrobiom und der Entwicklung einer Mikrobiom-CAR-T-Zell-Therapie ist der sympathische Naturwissenschaftler Maik Luu in verschiedene Verbundprojekte involviert. Er ist wissenschaftlicher Projektmanager von T2EVOLVE, einer Allianz führender akademischer und industrieller Akteure in der Krebsimmuntherapie. Und er hat erfolgreich einen Antrag für ein EU-TRANSCAN-3-Projekt geschrieben. In dem mit 1,3 Millionen Euro geförderten Projekt widmet sich eine Gruppe internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Michael Hudecek der Erforschung neuer Schlüsselkomponenten im Tumormikromilieu beim Multiplen Myelom und kleinzelligen Lungenkarzinom sowie der Entwicklung modifizierter CAR-T-Zelltherapien.
Klettern, Kochen, Gitarrespielen und ehrenamtliches Hundetraining
Angesichts seiner rasanten Karriere wird Maik Luu häufiger gefragt, ob er hochintelligent sei. „Sicher nicht“, winkt er ab. „Allem voran haben mich harte Arbeit, Fleiß und Durchhaltevermögen weitergebracht. Ein bildliches Verständnis für biologisch-chemische Prozesse hat jedoch geholfen. Zudem kann ich gut filtern, auf welche Details ich mich konzentrieren sollte, und welche weniger wichtig sind. Je simpler das Konzept, desto besser.“ Wenn einem Dinge Spaß machen, dann könne man sich selbst sehr gut weiterentwickeln. Und man wachse ja bekanntlich mit seinen Aufgaben, die man sich bisweilen auch selbst stellen müsse. So hat er seine Höhenangst beim Bouldern und Klettern überwunden und ist sogar ehrenamtlicher Trainer des Deutschen Alpenvereins. Generell ist ihm soziales Engagement sehr wichtig, auch wenn die Zeit knapp zu sein scheint. Maik Luu hat lange Jahre im Marburger Tierheim, mit dem er immer noch verbunden ist, ehrenamtlich gearbeitet und dort mit Hunden, darunter viele Listenhunde, bis zur Vermittlung trainiert. Geld hat er neben dem Studium als Sushi-Koch verdient. Das Kochen wurde in der Studentenwohnung fortgesetzt, nach dem Motto ‚wie kann ich mit studentischen Mitteln coole Gerichte kreieren‘. Die Rezepte hat er auf seinem Instagram-Kanal @cooking_campus gepostet. Eines Tages möchte er daraus ein Kochbuch machen. Er hat Tischtennis im Verein und Gitarre in einer Band gespielt. Man könnte meinen, sein Tag habe 48 Stunden. Doch er gibt zu, früher nur vier Stunden Schlaf benötigt zu haben. Und seine Hobbies sowie Unternehmungen mit Freunden geben wiederum viel Raum für gute Ideen.
Fan von flachen Hierarchien
„Meine Eltern haben sich immer gewünscht, dass mein Bruder und ich mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie viel man aus eigener Kraft erreichen kann, ohne dabei das Gefühl für Dankbarkeit zu verlieren. Nun, vollkommen integriert und im Beruf angekommen, sind wir an der Reihe, etwas zurückzugeben sowie unseren Teil zur Gesellschaft beizutragen“, sagt er. Vor seiner neuen Aufgabe, als Juniorprofessor der Hauptverantwortliche zu sein, habe er großen Respekt: „Die Führungsqualitäten müssen sich noch entwickeln. Aber ich bin ein Fan von flachen Hierarchien und hoffe, dass wir als Team gut zusammenwachsen und gemeinsam entscheiden, wo die Reise hingeht.“
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