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22. Europäischer Gesundheitskongress München ist zu Ende gegangen

31.10.2023 - Beim 22. Europäischen Gesundheitskongress München war eines ganz klar zu spüren: Es herrscht Aufbruchstimmung. Führende Experten aus der Gesundheitsbranche haben sich zwei Tage informiert, ausgetauscht und diskutiert.

Klaus Holetschek – ursprünglich noch als Bayerischer Gesundheitsminister zum Kongress eingeladen – ließ es sich auch als CSU-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag nicht nehmen, doch noch kurz vorbeizuschauen.

Nein, er hatte keinen Namen, wer sein ehemaliges Ressort übernehmen wird, betonte aber, wo die Reise hingehen wird: „Das Ministerium wird künftig zusätzlich verstärkt Gesundheit, Pflege und Prävention im Fokus haben, was sich auch im Namen niederschlagen wird.“ Und er selbst werde es sich nicht nehmen lassen bei der Krankenhausreform das ein oder andere Wörtchen mitzureden.

Das diesjährige Leitthema „Rettung für das überforderte Gesundheitswesen – Wer kommt zu Hilfe?" hat rund 1.000 Teilnehmer – vor Ort wie digital - neugierig gemacht. Denn die Überforderung betrifft alle Sektoren. Einhelliger Konsens: Es braucht einen grundlegenden Wandel. Kongressleiterin Claudia Küng: „Das Verhältnis zwischen Patienten und Gesundheitsdienstleistern wird sich dramatisch verändern. Es wird nie ausreichend Gesundheitsdienstleister geben und das Geld auch nie reichen. Wir können dies ignorieren oder akzeptieren und aktiv damit umgehen.“

Dazu gehört die Erkenntnis, mehr Geld allein wird es nicht richten. Prof. Reinhard Busse, der an der TU Berlin Management im Gesundheitswesen lehrt, plädiert stattdessen für strukturelle Veränderungen. „Unser Gesundheitssystem ist im europäischen Vergleich am teuersten, aber nicht am effizientesten. Im Ranking der vermeidbaren Todesfälle liegen wir im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. Dänemark macht vor, wie es gehen könnte: Dort sorgt jeder investierte Euro für eine dreifache bessere medizinische Versorgung der Patienten. Eckpeiler des Erfolgs sind u.a. die konsequente Digitalisierung und gleichzeitig die Zentralisierung der Krankenhauslandschaft.“

Mega-Themen auf dem Kongress waren Krankenhausreform und Krankenhausfinanzierung. Wie aus den roten Zahlen kommen? Am Tag zwei ging es deshalb ans Eingemachte: 90 Prozent der Kliniken in Bayern schreiben rote Zahlen. Es droht eine Insolvenzwelle. Bis strukturelle Änderungen greifen, braucht es dringend Hilfe. Deshalb fließen kurzfristig Mittel vom Bund über fünf Milliarden Euro. Bayern hat ebenfalls reagiert und erhöht sein Investitionsvolumen von 643 Millionen pro Jahr auf eine Milliarde, was durchaus für Anerkennung unter den Experten sorgte.

Wie bei einer länderübergreifenden Tagung zu erwarten, gab es auch heuer den Blick über die Landesgrenzen. Beispiel Schweiz. Da wurde bereits 2012 der Reformprozess angestoßen. Bei 26 Kantonen mit einem jeweils eigenen Gesundheitswesen eine Herausforderung. Aber das wird, wie Dr. Peter Indra überzeugend zeigen konnte. Er leitet das Amt für Gesundheit im Kanton Zürich und weiß: „Natürlich wollte auch bei uns die Bevölkerung den Status quo erhalten, gemäß dem Slogan: Jedem Täli sein Spitäli.“ Diese Zeiten sind vorbei, inzwischen liegen die Planungs- und Finanzhoheit der Spitäler nicht mehr nur bei den Kantonen, sondern gehen zunehmend auf den Bund über. Das Ziel war – so wie in Deutschland – Kosten einzudämmen und die Zahl der Spitäler zu reduzieren. Ein Prozess, der noch anhält, es werden weiter Spitäler schließen müssen und Personal entlassen werden. Trotz Protesten würden inzwischen die neugeschaffenen Gesundheits- und Notfallzentren gut angenommen. Zur Finanzierung: Statt unterschiedlicher Tarifsysteme mit diversen Pauschalen, gibt es leistungsbezogene Pauschalen, basierend auf gesamtschweizerischen einheitlichen Tarifstrukturen. Ebenfalls neu: Spitäler haben den klaren Auftrag: Macht Gewinne, denn ihr müsst die meisten Investitionen, etwa für Neu- und Umbauten, selbst stemmen. Die Schweizer setzen auf mehr Wettbewerb unter den Spitälern und neuerdings auf Mindestfallzahlen. Was in Deutschland noch diskutiert wird, ist dort bereits Alltag. Allerdings und das ist eine wichtige Erkenntnis von Regierungsrat Bruno Damann, Vorsteher des Gesundheitsdepartementes St. Gallen: „Bei allen Konzepten ist es wichtig, sie zu kommunizieren und öffentlich zu diskutieren.“ Um so den Weg von starren Spitalstrukturen hin zu flexiblen interprofessionellen Netzwerken sozial verträglich zu schaffen.

Prof. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit, RWI, sieht im Schweizer Vorgehen durchaus Potential für Deutschland, denn die Ziele seien überall gleich: Weniger stationäre Bereiche, dafür mehr Ambulantisierung. Kostensteigerungen und Personalmangel greife um sich. „Die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser ist besorgniserregend. Es droht die Gefahr der kalten Strukturbereinigung, die man mancherorts vielleicht später bereut.“ Heißt Schließung von Standorten, deren Infrastruktur dann später fehlen könnte. Er rät Kommunen, schon jetzt aktiv zu werden. Denn bis die angestrebten Reformen greifen, werden noch Jahre vergehen. Deshalb rechtzeitig überlegen, welcher Standort arbeitet rentabel, welche Abteilungen können fusionieren, welche Medizin-Konzepte braucht die Region und wo sind trägerübergreifende Kooperation möglich und sinnvoll.

Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Mitglied der Regierungskommission, machte sich Gedanken über die viel zitierte Ambulantisierung. „Denn was die genau beinhaltet, ist ehrlich gesagt noch gar nicht so eindeutig. Wir brauchen klare Sicht, die wir im Moment noch gar nicht haben.“ In der Tat ein weites Feld: Wie reagieren niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, was sind Vorstellungen der KVen, wie werden MVZs miteinbezogen und welche anderen therapeutischen Berufe werden wie berücksichtigt? Das alles sind ungeklärte Fragen und womöglich Stoff für den nächsten Europäischen Gesundheitskongress München. Der Termin steht bereits fest: 10. und 11. Oktober 2024.

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