Schutzhandschuhe ersetzen keine Händedesinfektion!
06.02.2024 - Als Folge von Corona werden in Krankenhäusern immer noch viel zu oft Einmalhandschuhe getragen – dabei ist eine hygienische Händedesinfektion oftmals ausreichend und sinnvoller.
Ein Plädoyer für mehr Händedesinfektion und weniger Einsatz von Einmalhandschuhen hielt die Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin Dr. Doris Weitzel-Kage auf dem Freiburger Infektiologie- und Hygienekongress im Oktober 2023. Als Krankenhaushygienikerin betreut sie die 17 somatischen und zwei psychiatrischen Kliniken der Alexianer St. Hedwig Kliniken GmbH in Berlin sowie drei weitere externe Krankenhäuser.
In einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage zur Basishygiene in zehn von ihr betreuten Krankenhäusern und unter 16 Hygienefachkräften kam Dr. Weitzel-Kage zu dem Ergebnis, dass Corona zu einer Änderung des Verhaltens des Krankenhauspersonals führte. So werden heute immer noch mehr Handschuhe getragen, dafür werden weniger Händedesinfektionen durchgeführt, es kommt zu einem vermehrten Dauertragen von Handschuhen und zusätzlich wird das Thema multiresistente Erreger (MRE) oftmals „vergessen“.
Betrachtet man die rechtlichen Vorgaben, müssen Handschuhe laut TRBA 250 vom Arbeitgeber natürlich zur Verfügung gestellt werden. Und laut § 15 des Arbeitsschutzgesetzes sind Arbeitnehmer auch verpflichtet, die ihm zur Verfügung gestellte Schutzausrüstung zu verwenden.
Handschuhe haben eine Barriere-Funktion im Sinne des Personalschutzes und sollen eine Erreger-Kontamination der Mitarbeitenden reduzieren. Sie schützen Mitarbeiter bei der Pflege infektiöser Patienten, bei Kontakt mit potentiell infektiösem Material und bei Kontakt mit Sporen.
Notwendig bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2
Allerdings sollte stärker beachtet werden, wann der Einsatz der Handschuhe notwendig ist. Das ist konkret der Fall bei Tätigkeiten der Schutzstufe 2, also z. B. bei Punktionen und Injektionen, bei der Blutabnahme, bei der Wundversorgung, beim Absaugen respiratorischer Sekrete oder auch bei der Entsorgung von Abfällen und der Reinigung von kontaminieren Flächen und Gegenständen.
Nicht notwendig ist das Tragen von Handschuhen dagegen beispielsweise beim Kontakt am Patientenbett, beim Verteilen von Patiententabletts, beim Kontakt mit dem Patientennachttisch, im Dienstzimmer oder lange vor Betreten des Isolationszimmers.
„Bei dem Wissen, dass wir heute zu Corona haben, nämlich, dass die Erreger über die Luft übertragen werden, bräuchte man heute bei der Versorgung des Patienten nicht mal zwingend Handschuhe, außer man hat zu den Sekreten Kontakt. Eine Händedesinfektion würde reichen“, betont Dr. Doris Weitzel-Kage.
Doch unter den Pflegenden gibt es laut der Krankenhaushygienikerin immer noch einen großen Wunsch nach Sicherheit und viele sagen auch, die Patienten wünschen die Versorgung mit Handschuhen, weil sie annehmen, dies sei hygienischer. Hier wäre eine Maßnahme, dass sich die Pflegenden sichtbar vor dem Patienten die Hände desinfizieren, damit dieser sieht, hier wird etwas für seine Sicherheit getan.
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang: Durch das Tragen von Handschuhen wird eine Übertragung von pathogenen Keimen nicht verhindert. Denn je länger die Tragedauer bzw. je belastender die Tätigkeit, desto höher ist das Risiko unerkannter Perforationen. „Deshalb lautet ja auch die Empfehlung der AWMF insbesondere für Nitril-Handschuhe, diese nach spätestens 15 Minuten oder zum Beispiel nach einer Patientenwaschung zu wechseln“, so Dr. Weitzel-Kage.
Außerdem führt längeres Tragen von feuchtigkeitsdichten Handschuhen zur Mazeration, also zum Aufquellen der Hornschicht durch den Wärme- und Feuchtigkeitsstau. Auch in der TRGS 401 wird gefordert, dass ein längeres Tragen vermieden wird. Und in der TRBA 250 wird der Einsatz feuchtigkeitsabsorbierender textiler Unterziehhandschuhe bei längerem Tragen empfohlen. Zu beachten ist, dass diese Unterziehhandschuhe zusammen mit den Schutzhandschuhen gewechselt werden sollten. Sie können nach einem Desinfektionswaschverfahren problemlos mehrfach wiederverwendet werden.
Desinfektion der Handschuhe – ja oder nein?
Ein häufig diskutiertes Thema ist die Desinfektion der Einmalhandschuhe. Dies ist laut Robert Koch-Institut (RKI) möglich, wenn z. B. ein häufiger Handschuhwechsel erforderlich, aber erfahrungsgemäß schwierig realisierbar ist bzw. der Wechsel zu einer Unterbrechung des Arbeitsflusses führt. Dies ist beispielsweise gegeben bei Kontakt mit unterschiedlich kontaminierten Körperbereichen am selben Patienten.
Für die Desinfektion der Handschuhe gibt es jedoch laut RKI eine Reihe von Voraussetzungen, beispielsweise, dass der Handschuh keine sichtbare Perforation aufweist und nicht sichtbar mit Blut, Sekreten oder Exkreten kontaminiert ist. Auch dürfen seitens der Hersteller der Handschuhe sowie der Hersteller der Desinfektionsmittel keine Angaben bestehen, die der Desinfizierbarkeit des Handschuhes entgegenstehen. Der Handschuh muss chemikalienbeständig gemäß EN 374 (294) sein, wobei die Prüfung der sogenannten Durchbruchzeit von 30 Minuten mindestens einen Alkohol einschließen soll. Selbstverständlich sollte sein, dass die desinfizierten Handschuhe nur an ein und demselben Patienten verwendet und danach gewechselt werden.
Eine große Gefahr beim Tragen von Schutzhandschuhen ist, dass dies dazu verleitet, notwendige Händedesinfektionen nicht durchzuführen. „Das Tragen von Handschuhen ersetzt keine Händedesinfektion“, stellt Dr. Weitzel-Kage klar. Zwingend erforderlich ist eine Desinfektion der Hände vor dem Entnehmen der Handschuhe und dem Anziehen sowie nach dem Ablegen der Handschuhe. Ansonsten besteht die Gefahr der Kontamination der Handschuhe und Boxen.
Der Verbrauch von Schutzhandschuhen hatte sich in den von Dr. Weitzel-Kage betreuten Kliniken während Corona verdoppelt, liegt jetzt zwar niedriger, „aber wir müssen noch weiter herunterkommen“. Zum einen aus Gründen des Umweltschutzes, schließlich führt ein unnützer Verbrauch von Handschuhen zu unnötigem Müll, einem hohen Ressourcenverbrauch und vermeidbaren Kosten.
Hautkontakt – ein nicht zu vernachlässigender Aspekt
Zum anderen gibt es auch noch andere Aspekte wie z. B. das Thema Hautkontakt. „Ich habe mit einer Dozentin gesprochen, die Pflegende ausbildet. Sie sagte mir, wir haben früher nie Handschuhe angezogen, wenn wir die Patienten gewaschen haben, das ist auch keine Notwendigkeit bei intakter Haut. Hier geht es auch um Berührung, da stören Handschuhe ungemein“, berichtet Dr. Weitzel-Kage.
Auch Psychiater aus den psychiatrischen Kliniken legen laut der Krankenhaushygienikerin viel Wert darauf, ihre Patienten weiterhin mit Handschlag begrüßen zu können. Denn für sie seien die Informationen, die sie aus dem Händedruck der Patienten erhalten, sehr wichtig.
Autorin: Alexandra Höß, Hamburg
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