Magnetspule am Kopf sorgt für antidepressive Effekte
10.05.2024 - In der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) wird derzeit eine Studie zur Erforschung der antidepressiven Wirkung einer transkraniellen Magnetstimulation (rTMS) als Ersttherapie bei Patient*innen mit Depressionen durchgeführt.
Bei der rTMS handelt es sich um ein nicht-invasives hirnstimulatorisches Behandlungsverfahren, das kaum Nebenwirkungen aufweist. Es gibt bereits mehrere größere klinische, placebo-kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit der TMS in der Depressionsbehandlung belegen. Bei therapieresistenten Depressionen ist die rTMS deshalb in Deutschland bereits als leitliniengerechte Behandlung etabliert. In der neuen Studie am UKB wollen Forschende nun die Wirksamkeit der rTMS bei unbehandelten oder nicht-medikamentös behandelten Depressionen untersuchen. Betroffene mit einer diagnostizierten Depression, die bisher keine Medikamente gegen die Erkrankung eingenommen haben, können noch an der Studie teilnehmen.
Depressionen sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen tiefgehend beeinflussen und mit Störungen der Hirn- und Körperfunktionen einhergehen. Viele Betroffene erleben zu Beginn der Erkrankung einen allgemeinen Leitungsabfall und diffuse körperliche Beschwerden wie beispielsweise Appetitverlust und Schlafstörungen. Im weiteren Verlauf kommen dann Symptome wie Freude- und Interessenverlust, Lustlosigkeit und eine verminderte Entscheidungsfähigkeit hinzu.
„Einige dieser Symptome sind auf eine aus der Balance geratene Aktivität in den Hirnbereichen zurückzuführen, die für die Lenkung von Gefühlen und Gedanken verantwortlich sind. Ist deren Aktivität reduziert, kommt es zu einer verstärkten Wahrnehmung und Verarbeitung negativer Informationen und zu einer für die Depression typischen negativen Verzerrung von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Gedächtnis“, so Maximilian Kiebs, Leiter der Arbeitsgruppe für Hirnstimulation in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn. „Hier setzt die transkranielle Magnetstimulation an, bei der eine Magnetspule gezielt an den Kopf gehalten wird. Die abgegebenen Impulse der Magnetspule aktivieren Nervenzellen im Gehirn an und können dadurch den Gemütszustand der Betroffenen nach mehrmaliger Behandlung deutlich verbessern“ führt Kiebs weiter aus.
rTMS ist bereits zur Behandlung von therapieresistenten Depressionen etabliert
Unbehandelt ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine Depression über Monate oder Jahre bestehen bleibt. Zu den wichtigsten Säulen der Therapie zählen die Pharmakotherapie mit Antidepressiva und/oder die Psychotherapie. Doch bei einem Teil der Betroffenen sind diese Behandlungswege nicht ausreichend wirksam, werden schlecht vertragen oder sind nicht gewünscht. In diesen Fällen könnte die rTMS als Ersttherapie eine schonende, gut verträgliche Alternative sein. „Sollte unsere Studie den Nachweis erbringen, dass der Einsatz der rTMS als Ersttherapie eine gute und schnelle Wirkung gegen Depressionen erreicht, dann bedeutet dies für Betroffene eine Erweiterung der Behandlungsoptionen um eine gut verträgliche Alternative“ erläutert Studienleiter Kiebs.
Bei der rTMS-Behandlung wird ein wiederholtes Muster von Magnetimpulsen ausgelöst. Bei jedem Impuls entsteht durch einen kurzzeitigen starken Stromfluss im Inneren der Spule ein Magnetfeld, welches die Spule umgibt. Dieses Magnetfeld wirkt durch den Schädelknochen hindurch (transkraniell) und löst einen leichten elektrischen Strom in den Gehirnarealen unterhalt der Spule aus, wodurch die darunterliegenden Nervenzellen erregt oder angeregt werden. Dadurch kann die Gehirnaktivität moduliert und wieder normalisiert werden, um die Erholung von einer Depression zu fördern. Damit das zu stimulierende Gehirnareal möglichst exakt lokalisieren werden kann, wird vor der ersten rTMS-Sitzung ein Schichtbild des Kopfes mittels Magnetresonanztomographie (MRT) angefertigt. Ausgehend von dieser Aufnahme wird ein digitales Modell des Gehirns erstellt, sodass individuelle Unterschiede in der Hirnanatomie bei der Ausrichtung der Magnetspule berücksichtigt werden.
Die Behandlung ist dabei schonend und schmerzfrei und erzeugt bei den meisten Patient:innen keinerlei unterwünschten Nebenwirkungen. Es können lokale Kopfschmerzen auftreten, welche jedoch vorübergehend sind und meist innerhalb kurzer Zeit verschwinden. Schädliche Veränderungen an der Hirnsubstanz sind nicht zu befürchten.
Das wichtigste zur Studie auf einen Blick
Im Rahmen der aktuellen Studie bietet das Universitätsklinikum Bonn ein vierwöchiges ambulantes Behandlungsprogramm mit dem rTMS-Verfahren an. Dazu werden Betroffene im Alter von 18 bis 60 Jahren gesucht, die bisher gar keine Medikamente gegen Depression genommen haben. Sie sollten mindestens seit vier Wochen bis maximal fünf Jahren unter einer mittelgradigen oder schweren Depression leiden. Zudem sollten die Teilnehmer keine neurologischen Vorerkrankungen, keinen Herzschrittmacher und kein Metall im oder am Körper sowie aufgrund der einmaligen MRT-Untersuchung keine Angst vor engen Räumen haben.
Anmeldung zum Vorgespräch und weitere Informationen bei Maximilian Kiebs M.SC. M.SC., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn, unter 0228/287 – 19710 oder per E-Mail an m.kiebs@ukbonn.de oder an s4lerumm@uni-bonn.de.