Auszeichnung in der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung
28.03.2025 - Der Schilling Forschungspreis 2025 geht an Diane Rekow und Lukas Kunz.
Der mit 20.000 Euro dotierte Schilling Forschungspreis ist eine der höchstdotierten Auszeichnungen in der neurowissenschaftlichen Grundlagenforschung in Deutschland. Die diesjährigen Preisträger sind Diane Rekow von der Universität Hamburg und Lukas Kunz vom Universitätsklinikum Bonn.
Die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung für Medizinische Forschung würdigt exzellente neurowissenschaftliche Arbeiten, die das Verständnis kognitiver Prozesse erweitern. In Zusammenarbeit mit der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft wird der Schilling Forschungspreis 2025 am heutigen Donnerstag an zwei herausragende Talente verliehen: Dr. Diane Rekow, Universität Hamburg, und Prof. Lukas Kunz, Universitätsklinikum Bonn.
Lukas Kunz, Juniorprofessor und Arbeitsgruppenleiter an der Klinik und Poliklinik für Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn, erhält den Schilling Forschungspreis der Neurowissenschaftlichen Gesellschaft 2025 für seine Arbeit zu den neuronalen Grundlagen der räumlichen Navigation und des räumlichen Gedächtnisses im Menschen. Seine Forschung stützt sich auf die einzigartige Möglichkeit, die Aktivität einzelner Nervenzellen während räumlicher Gedächtnisaufgaben in Epilepsiepatientinnen und -patienten aufzuzeichnen – eine Methode, die nur an wenigen spezialisierten Epilepsiezentren weltweit möglich ist und die helfen kann, die Ursachen von Gedächtnisverlust und Orientierungsstörungen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit aufzuklären.
Durch Einzelzellableitungen konnte Lukas Kunz zeigen, dass Nervenzellen im menschlichen Schläfenlappen Richtungen und Distanzen während der räumlichen Navigation repräsentieren. Zudem fand er Hinweise darauf, dass Hirnoszillationen bei der Einspeicherung und beim Abruf räumlicher Gedächtnisse die Aktivität einzelner Nervenzellen koordinieren, welche die räumlichen und bildlichen Inhalte dieser Gedächtnisse kodieren. Darüber hinaus konnte er in translationalen Studien mittels funktioneller Magnetresonanztomographie zeigen, dass ein erhöhtes Risiko für die Alzheimer-Krankheit mit veränderten Hirnaktivierungsmustern während räumlicher Navigationsaufgaben einhergeht. Diese Erkenntnisse können zur Entwicklung früher Biomarker neurodegenerativer Erkrankungen beitragen.
Lukas Kunz studierte Medizin und Philosophie an der Universität Bonn und promovierte in Medizin und Biologie an den Universitäten Bonn und Freiburg. Im Anschluss an seine Promotionen forschte er am Universitätsklinikum Freiburg und an der Columbia University in New York City. Seit 2023 ist er Arbeitsgruppenleiter und Juniorprofessor für kognitive und translationale Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Bonn.
Diane Rekow am Institut für Biologische Psychologie und Neuropsychologie der Universität Hamburg nutzt dagegen die Elektroenzephalographie (EEG) beim Menschen und hier vor allem ein als „frequency tagging“ bezeichnetes spezielles Verfahren, um die Rolle des mütterlichen Körpergeruchs für die Gesichtswahrnehmung bei Säuglingen zu untersuchen. Sie entdeckte, dass der mütterliche Geruch bei vier Monate alten Säuglingen bereits spezifisch die gesichtsselektive visuelle Verarbeitung verstärkt. Diane Rekow konnte außerdem zeigen, dass der Einfluss des Geruchssinns auf die Verarbeitung von Gesichtern nach dem 4. Lebensmonat bis zum Ende des ersten Lebensjahres abnimmt.
Damit lieferte sie entwicklungsneurowissenschaftliche Belege für das als „inverse effectiveness“ bekannte Prinzip der multisensorischen Integration, demzufolge crossmodale Einflüsse (über mehrere Sinneskanäle hinweg) umso stärker sind, je schwächer die Wahrnehmung über nur einen einzelnen Sinneskanal ist. Die Geruchswahrnehmung, so spekuliert Diane Rekow, übernimmt möglicherweise eine Bahnungsfunktion für Nervenzellen, durch den die Sensibilität in visuellen neuronalen Netzwerken während der frühen Entwicklung erhöht wird. Diane Rekow konnte damit zeigen, dass schon Säuglinge mehrere Sinneseindrücke (wie Geruch und Sehen) zu einer kohärenten multisensorischen Wahrnehmungen zusammenfügen können und dies für komplexe Reize wie Gesichter.
Neben den gleichen EEG-Daten bei Erwachsenen sprechen die parallel erhobenen Verhaltensdaten sogar für einen direkten Einfluss der Geruchsinns auf die die bewusste visuelle Wahrnehmung. Insgesamt unterstreichen die Forschungsergebnisse von Diane Rekow die große Bedeutung des Geruchsinns für die Entwicklung und Funktion des visuellen Systems und können uns helfen, die Entwicklung von Sinnesmodalitäten besser zu verstehen.
Diane Rekow schloss ihre Promotion in Psychologie und ihre erste Postdoc-Phase an der Universität von Bourgogne in Frankreich ab. Anschließend wechselte sie mit einem Alexander-von-Humboldt-Stipendium an die Universität Hamburg, wo sie ihre Forschung im Bereich kognitive Entwicklungsneurowissenschaften u.a. mit klinischen Gruppen fortsetzt.
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