Medizin & Technik

Assistenzsystem für die Reparatur von Herzklappen

30.09.2024 - Die Herzklappenrekonstruktion ist eine hochkomplexe Operation, die eine große Expertise der Chirurgen erfordert.

Das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS stellte zum Weltherztag am 29. September 2024 das Assistenzsystem Minimaki vor. Das auf Methoden der künstlichen Intelligenz basierte System ermöglicht interdisziplinären Heart-Teams aus Chirurgie, Kardiologie und Anästhesie eine schnelle und optimale Planung von Herzklappeneingriffen mittels Mixed Reality.

Herzinsuffizienz ist laut Herzbericht der Deutschen Herzstiftung Update 2024 der häufigste Grund für eine Krankenhausbehandlung in Deutschland und zählt zu den zehn häufigsten Todesursachen. Oft ist die Ursache eine undichte Herzklappe. Schließt die Mitralklappe, die den Blutfluss aus der Lunge ins Herz regelt, nicht richtig, muss ein minimalinvasiver Eingriff oder eine Operation durchgeführt werden. Ein Klappenersatz ist jedoch mit gesundheitlichen Nachteilen verbunden. Deshalb ziehen Herzchirurg*innen eine Reparatur der körpereigenen Klappe vor. In vielen spezialisierten Zentren haben sich dabei die minimalinvasive endoskopische Chirurgie sowie katheterbasierte Eingriffe durchgesetzt.

Die Mitralklappe funktioniert wie ein automatisches zweiflügeliges Garagentor. Ihre beiden Klappensegel öffnen und schließen sich synchron, sogenannte Sehnenfäden verhindern ein Durchschlagen. Kommt es zu einem Abriss dieser Fäden oder einer Überdehnung des Klappensegels oder des umgebenden Gewebes, schließt die Mitralklappe nicht mehr vollständig. Dann fließt bei der Herzmuskelkontraktion Blut zurück. Damit die Mitralklappe wieder dicht schließt, müssen die beiden Klappensegel im geschlossenen Zustand enger aneinander gebracht werden. Das erreichen die Herzchirurg*innen, indem sie beispielsweise spezielle Ringe einnähen oder einen Clip zwischen den beiden Klappensegeln befestigen. Außerdem können Sehnenfäden ersetzt werden.

Simulation am digitalen Zwilling

Eine Herzklappenreparatur ist ein hochkomplexer Eingriff, der viel Erfahrung erfordert. „Eingriffe werden unter Zeitdruck durchgeführt, weshalb eine genaue Therapieplanung sehr wichtig ist“, erklärt die Fraunhofer-Forscherin Dr.-Ing. Anja Hennemuth, Professorin am Institut für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin (ICM) des Deutschen Herzzentrums der Charité. Das am Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS in Kooperation mit dem Deutschen Herzzentrum der Charité und dem Softwareunternehmen data experts gmbh entwickelte Assistenzsystem MINIMAKI unterstützt Heart-Teams bei der OP-Planung am PC und ermöglicht, den Eingriff an einem digitalen Zwilling interaktiv zu simulieren. So lassen sich verschiedene Strategien für den Eingriff ausprobieren oder das am besten geeignete Implantat für die Klappenrekonstruktion finden. Minimaki kann neben der Ringimplantation einen Sehnenfadenersatz sowie Transcatheter-Edge-to-Edge-Repairs (TEER) simulieren.

Dynamisches Modell des Patientenherzens

Das System lässt sich an verschiedene Modalitäten wie Herz-Ultraschall, CT- oder MRT-Scanner anbinden. Maschinelle Lernalgorithmen analysieren den 4D-Bilddatensatz und übertragen die Daten in das dynamisch Modell, das zusätzlich zur räumlichen Darstellung des individuellen Patient*innenherzens auch die Kontraktion des Herzmuskels, die Bewegung der Klappensegel und die Strömung des Blutes dreidimensional darstellt. Infrage kommende „Ersatzteile“ können die Ärzt*innen mittels Mixed Reality über das Patient*innenmodell legen. Das System zeigt ihnen alle Parameter an, die sie für ihre Planung benötigen. „Die Herzchirurg*innen bekommen nicht nur ein Gefühl dafür, wie die Reparaturstelle aussieht“, sagt Prof. Dr. med. Jörg Kempfert, Leitender Oberarzt Herzchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité. „Sie erhalten auch quantitative Informationen, die ihnen bei der Wahl des optimalen Implantats helfen“, ergänzt er. Den Herzchirurg*innen steht eine digitale Device-Bibliothek zur Verfügung, die Informationen zu allen relevanten kommerziell verfügbaren Implantaten in allen verfügbaren Größen enthält. Hierzu haben die Fraunhofer-Forscher*innen hochauflösende CT-Scans aller Implantate gemacht.

Diskussion am Hologramm

Vor der Operation ermöglicht Minimaki sowohl die Diskussion innerhalb des Heart-Teams als auch die Einbindung von Herzspezialist*innen über das Internet. Diese Diskussion kann sowohl mittels Desktop-Anwendung an einem Monitor als auch an einem virtuellen 3D-Modell erfolgen, mit dem alle Teammitglieder interagieren können. Da das Tragen von VR-Brillen die Diskussion behindern würde, verwendet Minimaki eine Mixed-Reality-Umgebung. Das Hologramm in der Mitte des Raumes ermöglicht den Teammitgliedern, die Anatomie des Herzens in drei Dimensionen und von allen Winkeln aus zu betrachten und das virtuelle Herz nach Belieben zu drehen.

Das System eignet sich auch für die Ausbildung und das Training des ärztlichen Nachwuchses. Jüngere Chirurg*innen sollen mit Minimaki den Eingriff zur Reparatur und Erhalt der körpereigenen Herzklappe schneller und einfacher erlernen können. „Vielfach werden die Herzklappen nur ersetzt, weil der Arzt oder die Ärztin sie nicht reparieren kann oder unsicher ist“, stellt Kempfert fest. „Wir hoffen, dass Minimaki dazu beiträgt, die Qualität zu verbessern, damit noch mehr Herzklappen repariert statt ersetzt werden.“

Am Projekt Minimaki waren das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS (Ver-bundkoordinator) und die Partner Deutsches Herzzentrum der Charité und data experts gmbh beteiligt. Das Projekt lief über drei Jahre und hatte ein Fördervolumen von 2,1 Mio. €, das zu 86% vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übernommen wurde.

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