Auszeichnungen

Prämiertes pharmazeutisches Konsil

29.11.2024 - Die Engel Apotheke aus Ochsenfurt und MainArzt führten gemeinsam mit dem Zentrallabor und der Experimentellen Biomedizin II des Uniklinikums Würzburg eine Maßnahme zur Qualitätssicherung der Clopidogrel-Therapie durch, indem sie den Genotyp der Patient*innen untersuchten.

Für dieses interdisziplinäre Medikationsmanagement, das als Modell für zukünftige Projekte dienen kann, wurde das Team beim 360° Winterthur Symposium der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit dem Anna-Laven-Preis ausgezeichnet.

Dosierungsfehler, unregelmäßige oder falsche Anwendung, Wechsel- und Nebenwirkungen, Mehrfach- und Doppelverordnungen, Kontraindikationen sowie Alter, Geschlecht, Organfunktionsstörungen und genetische Faktoren gehören zu den arzneimittelbezogenen Problemen, die das Erreichen von Therapiezielen verhindern können. Arzneimittelbezogene Probleme, kurz ABP, werden für 3 bis 9 Prozent aller Krankenhauseinweisungen verantwortlich gemacht. Etwa jede dritte Krankenhauseinweisung, zahlreiche Todesfälle sowie erhöhte Gesundheitskosten könnten jedoch vermieden werden, zum Beispiel durch ein interdisziplinäres Medikationsmanagement. Das bedeutet, dass Patientinnen und Patienten gemeinsam von ihrer Apotheke und den behandelnden Ärzt*innen betreut werden.

Anna-Laven-Preis für interdisziplinäres Medikationsmanagement

Ein multidisziplinäres Team der Engel Apotheke und der MainArzt GmbH in Ochsenfurt sowie des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) ist für eine beispielhafte Maßnahme zur Qualitätssicherung der Arzneimitteltherapie im Rahmen des 360° Winterthur Symposiums der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit dem Anna-Laven-Preis der IP-HEALTH Gesellschaft für interprofessionelle Gesundheitsversorgung e.V. ausgezeichnet worden.

Dr. Barsom Aktas und Katrin Zehnter von der Engel Apotheke, Prof. Dr. Elke Butt vom Institut für Experimentelle Biomedizin II, Dr. Sabine Herterich aus dem Zentrallabor des Universitätsklinikums sowie die MainArzt GmbH untersuchten in dem Projekt die Pharmakogenetik der Clopidogrel-Therapie. Dieses Pilotprojekt eines pharmazeutischen Konsils wurde in der Medizinischen Monatsschrift für Pharmazeuten (MMP) veröffentlicht.

Berücksichtigung des Patientengenotyps in der Clopidogrel-Therapie

Clopidogrel wird Patient*innen verschrieben, bei denen ein erhöhtes Risiko für thrombotische Ereignisse besteht. Der  Thrombozytenaggregationshemmer soll die Bildung von Blutgerinnseln in den Arterien verhindern, die zu schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können. Als Prodrug entfaltet Clopidogrel seine Wirkung erst nach der Metabolisierung in der Leber, hauptsächlich über Cytochrom P450 2C19 (CYP2C19). Genetische Varianten, so genannte Polymorphismen, können jedoch die Aktivität des Enzyms und damit die Fähigkeit zur Aktivierung von Clopidogrel beeinflussen. Solche Varianten kommen bei 20 bis 26 Prozent der amerikanischen und europäischen Bevölkerung vor.

Ist eine Person homozygot für eine inaktive Variante von CYP2C19, wenn also Vater und Mutter die inaktive Variante vererbt haben, kann Clopidogrel nicht in die aktive Form umgewandelt werden und bleibt unwirksam. Diese Person, benötigt ein alternatives Medikament für die Thrombose-Prophylaxe.

Es gibt auch Genvarianten, zum Beispiel das CYP2C19*17-Allel, die eine beschleunigte Aktivität des Enzyms zur Folge haben. Bei homozygoten Trägern dieser Variante sollte die Dosis von Clopidopgrel gegebenenfalls reduziert werden.

„Um eine optimale Wirkung von Clopidogrel, aber auch von anderen Medikamenten wie Antidepressiva, Betablockern oder Opioiden zu erreichen, ist die Einbeziehung des Patientengenotyps in die Arzneimitteltherapie ein vielversprechender Ansatz, der die öffentlichen Apotheken als unverzichtbare Partner in der personalisierten Medizin positioniert“, sagt Prof. Dr. Elke Butt vom Institut für Experimentelle Biomedizin II des UKW, das vorwiegend Herz-Kreislauferkrankungen erforscht.

Das interdisziplinäre Team aus Unterfranken untersuchte in seinem Projekt insgesamt 32 Patient*innen, die Clopidogrel einnahmen, auf Varianten im CYP2C19-Gen, die die katalytische Aktivität des Enzyms beeinflussen.

Wechsel von Clopidogrel auf Ticagrelor oder Prasugrel empfohlen

Zunächst stellte der Apotheker alle Informationen für den Hausarzt zusammen. Nach umfassender Aufklärung und schriftlicher Einwilligung wurde den Patient*innen in der Hausarztpraxis Blut abgenommen, das die Apotheke pseudonymisiert an das Zentrallabor des UKW zur Genotypisierung schickte.

Bei vier Personen wurde das Allel CYP2C19*2 in heterozygoter Form nachgewiesen. Das Allel *2 ist die häufigste Variante in der europäischen Bevölkerung, die zu einem Funktionsverlust des Enzyms führt. Es wird für eine verminderte Wirksamkeit von sechs bis zwölf Prozent aller Clopidogrel-Therapien verantwortlich gemacht. Im pharmazeutischen Konsil empfahl der Apotheker dem behandelnden Arzt, diese vier Patienten auf Ticagrelor oder Prasugrel umzustellen. Diese neueren Medikamente müssen nicht mehr enzymatisch aktiviert werden.

Das CYP2C19*17-Allel, das mit einer gesteigerten Enzymaktivität und damit einer erhöhten Blutungsneigung unter Clopidogrel-Behandlung assoziiert ist, wurde bei zehn Personen heterozygot und bei zwei Personen homozygot nachgewiesen. Bei den homozygoten Trägern des CYP2C19*17-Allels empfahl der Apotheker dem Hausarzt eine regelmäßige Kontrolle des Gerinnungsstatus und eine Therapieumstellung bei erhöhter Blutungsneigung, beispielsweise bei Zahnfleisch- oder Nasenbluten oder Hämatomen ohne Trauma.

Pharmazeutisches Konsil kann arzneimittelbezogene Probleme verringern

Das Team betont in seiner Publikation die Bedeutung einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung, insbesondere unter Berücksichtigung genetischer Faktoren, um die Wirksamkeit und Sicherheit einer Therapie zu gewährleisten. Dennoch wird die CYP2C19-Genotypisierung derzeit nicht routinemäßig durchgeführt, da sie nicht im Leistungskatalog der Krankenkassen enthalten ist.

„Wir plädieren sehr für ein gemeinsames Vorgehen von Ärzt*innen und Apotheker*innen. Gemeinsam können wir umfassendes Fachwissen aus den großen Bereichen Pharmazie und Medizin zum Wohle unserer Patient*innen und zur Entlastung des Gesundheitssystems bündeln“, kommentiert Barsom Aktas. „Für diese Zusammenarbeit steht der Begriff Pharmakovigilanz. Er fasst die Idee des Medikationsmanagements, das arzneimittelbezogene Probleme reduzieren kann, kompakt zusammen.“

Kontakt

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