Kernspin-Mikroskopie: neuer Bereich der Mikroskopie
24.04.2025 - Ein Forscherteam der Technischen Universität München hat eine völlig neue Methode der Mikroskopie entwickelt, die Kernspin-Mikroskopie.
Mit dieser Technik können magnetische Signale der Kernspinresonanz sichtbar gemacht werden. Durch den Einsatz von Quantensensoren werden die Signale in Lichtimpulse umgewandelt, was eine extrem hoch aufgelöste optische Darstellung ermöglicht. Im Interview erläutert Prof. Dominik Bucher, Professor für Quantensensorik an der Technischen Universität München, den Hintergrund der Entwicklung des Kernspin-Mikroskops und erklärt in welchen Bereichen der Medizin die Technik neue Möglichkeiten der Diagnostik und Früherkennung eröffnen könnte.
Dr. Jutta Jessen, Weinheim
M&K: Was hat Sie dazu inspiriert, eine völlig neue Art der Mikroskopie zu entwickeln?
Prof. Dominik Bucher: Wir arbeiten mit den kleinstmöglichen Sensoren - atomgroßen Quantensensoren, die magnetische Signale detektieren können. Daher bietet es sich an, diese für innovative Mikroskopieverfahren zu nutzen.
Bitte erklären Sie, wie die Quantensensoren in der Kernspin-Mikroskopie funktionieren und welche Rolle der Diamantchip spielt.
Bucher: Unsere Quantensensoren sind Defekte in der Kristallstruktur des Diamanten, bekannt als Stickstoff-Fehlstellen-Zentren. Dabei fehlt ein Kohlenstoffatom im Gitter, und ein benachbartes Kohlenstoffatom ist durch ein Stickstoffatom ersetzt. Diese Defekte treten natürlicherweise auf – auch in Schmuckdiamanten. Allerdings werden sie für unsere Anwendungen gezielt in Industriediamanten erzeugt.
Diese Defekte lassen sich mit grünem Licht anregen und emittieren daraufhin rotes Licht, eine Fluoreszenz. Das Besondere daran ist, dass diese Fluoreszenz empfindlich auf lokale Magnetfelder reagiert. Der genaue Mechanismus der Quantensensorik ist komplex, doch im Kern ermöglicht er es, Magnetfelder in optische Signale zu wandeln – genau das ist die Grundlage unseres Mikroskops.
Wenn wir eine Probe auf dem Diamantchip mit Radiowellen anregen, sendet sie Kernspinresonanzsignale aus, die normalerweise mit großen Spulen detektiert werden. In unserem Fall jedoch wandelt der Diamantchip diese Signale in optische Signale um, die dann mit einem Mikroskop erfasst werden können.
Wie unterscheidet sich die Auflösung des neuen MRT-Mikroskops von herkömmlichen Magnetresonanztomographen?
Bucher: Das ist einer der zentralen Unterschiede. In konventionellen MRT-Geräten wird räumliche Auflösung durch Magnetfeldgradienten erzeugt. Diese sorgen dafür, dass die Probe je nach Position unterschiedliche MRT-Signale aussendet, die zur Lokalisierung des Signals genutzt werden. Um ein Bild zu erhalten, müssen diese Gradienten variiert werden, wobei die Auflösung von der Stärke der Magnetfeldgradienten abhängt.
Unser MRT-Mikroskop hingegen wandelt das MRT-Signal direkt in optische Signale um. Dadurch sind wir nicht durch die Stärke der Magnetfeldgradienten begrenzt, sondern durch die optische Auflösung des Mikroskops – die typischerweise deutlich höher ist. Somit ergänzen sich diese beiden Methoden: Während die klassische MRT für die Bildgebung großer Objekte, etwa des menschlichen Körpers, geeignet ist, erweitert unsere Technologie die optische Mikroskopie. Sie ermöglicht die hochauflösende Untersuchung kleiner Strukturen, wie einzelner Zellen, mit zusätzlicher chemischer Information der Magnetresonanztechnologien – ein Bereich, der zuvor nur schwer zugänglich war.
Welche praktischen Anwendungen sehen Sie für die Kernspin-Mikroskopie im Bereich der Medizin?
Bucher: Einige Entwickler dieser Technologie – Karl Briegel, Nick v. Grafenstein und Robin Allert – arbeiten an einer äußerst vielversprechenden medizinischen Anwendung: der Detektion seltener Zellen in Vollblut. Da unser MRT-Mikroskop magnetische Signale mit außergewöhnlich hoher Empfindlichkeit erfasst, können wir Analysen selbst in komplexen Medien durchführen. Eine besonders spannende Anwendung ist die Erkennung einzelner Krebszellen oder Krankheitserreger im Blut von Patienten, was neue Möglichkeiten in der Diagnostik und Früherkennung eröffnen könnte.
Welche zukünftigen Entwicklungen planen Sie, um die Technik weiter zu verbessern?
Bucher: Die aktuelle Entwicklung stellt einen „Proof of Concept dar“. In den nächsten Schritten werden wir die Sensitivität und die räumliche Auflösung weiter optimieren. Gleichzeitig arbeiten wir an der praktischen Anwendung unserer Technologie – von der Analyse einzelner Zellen bis hin zur Untersuchung verschiedener Materialien, wie zum Beispiel Dünnfilmmaterialien in Batterien.
Zur Person:
Dominik Bucher studierte Chemie an der TUM, wo er seinen M.SC. 2010 erhielt. Anschließend absolvierte er seine Promotion in Biophysik an der LMU. Mit einem wachsenden Interesse an potenziellen Anwendungen der Quantentechnologie in der Chemie wechselte er für seine Postdoc-Arbeit zur Gruppe von Ronald Walsworth an der Harvard-Universität. Im Frühjahr 2019 begann er seine unabhängige Karriere als Leiter einer Juniorforschungsgruppe an der TUM. Im Jahr 2022 wurde er zum Rudolf Mößbauer Professor ernannt. Seine Forschungsgruppe arbeitet an der einzigartigen Schnittstelle zwischen Quantensensorik und Chemie und setzt dabei interdisziplinäre Methoden aus der Quantenphysik, den Materialwissenschaften und der Biophysik ein.