Bauen, Einrichten & Versorgen

Bauliche Strukturen für Hygiene im Krankenhaus

09.12.2013 -

Hygiene im Krankenhaus wird immer wichtiger. Zu viele Patienten infizieren sich hier unnötigerweise. Nach MRSA verbreiten sich weitaus gefährlichere Keime - die MRGNs. Ein Krankenhaus kann bauliche Voraussetzungen schaffen, die eine höhere Sicherheit für die Hygiene ermöglichen.

Die Herausforderungen durch resistente Keime werden größer - neben MRSA bedrohen auch resistente Darmkeime die geschwächten Patienten. Die Anforderungen der immer besser informierten Patienten an die Hygiene werden höher. Hygiene ist ein Prozessthema. Abläufe sind so zu gestalten, dass einwandfreie Hygiene gewährleistet ist. Was aber, wenn strukturelle Defizite dazu führen, dass hygienischen Anforderungen schlecht oder mit hohem Aufwand erfüllt werden können?

Eine Klinik zu bauen, das von Anfang an den Fokus auf die Hygiene legt - das war Ziel von zwei großen Krankenhausprojekten in Hessen - dem Zentralneubau des Klinikum Darmstadt und dem Neubau der Horst-Schmidt-Klinik in Wiesbaden. In einem interdisziplinären Team aus Hygienikern, Mikrobiologen, Ärzten, Krankenhausmanagern, Fachplanern und Architekten wurde das Thema diskutiert und gemeinsam nach Lösungsansätzen gesucht.

Folgende Kernfragen wurden untersucht:

  • Welche Keime und Übertragungswege sind für Krankenhausinfektionen relevant?
  • Welche Infektionen werden künftig zunehmen?
  • Welche Maßnahmen verhindern die Übertragung am besten?
  • Welche strukturellen - vor allem - baulichen - Maßnahmen sind früh in der Neubauplanung zu berücksichtigen?
  • Wie werden Effektivität und Effizienz der Maßnahmen bewertet - was ist wichtig, was plakativ?

Grob vereinfachend lassen sich für diese Fragen die Krankenhauskeime auf zwei Gruppen reduzieren - den Hautkeimen (z.B. MRSA) und den Darmkeimen. Erstere verursachen Wundinfektionen, von denen in Deutschland mehr als 200.000 Patienten jährlich betroffen sind. Die Darmkeime führen zu Harnwegsinfektionen und Atemwegsinfektionen. Beide können bei geschwächten Patienten zur Sepsis und somit zum Tod führen.

Beide Keimarten werden über infektiöses Material übertragen. Als Hauptüberträger werden die Hände des Personals, Türklinken, Putzlappen und medizinische Instrumente angesehen.

Wie läßt sich die Übertragung von Keimen und die Infektionsgefahr vermindern? Ein keimfreies Krankenhaus kann es nicht geben - aber es soll verhindert werden, dass infektionsauslösende Keime des einen Patienten auf andere Patienten übertragen werden.

In Neubauplanungen werden daher strukturelle Voraussetzungen geschaffen, um die Einhaltung der Hygieneregeln zu erleichtern. Einige Beispiele sollen dieses Maßnahmenbündel für ein ‚Hygienisches Krankenhaus‘ illustrieren.

Patienten mit besonderem Gefährdungspotenzial werden auf getrennten Wegen durch die Klinik geführt. Die Augenklinik ist z. B. direkt am Eingang, um Patienten mit infektiösen Augenkrankheiten (z.B. Adenoviren) gar nicht erst in innere Bereiche der Klinik zu lassen. Chronische Patienten sind oft von MRSA befallen, weshalb sie über einen eigenen Eingang in die Fachbereiche gebracht und in separaten Untersuchungsbereichen behandelt werden. Neben diesen baulichen Maßnahmen werden zudem alle verdächtigen Patienten in der zentralen Notaufnahme routinemäßig auf MRSA getestet.

Sauberkeit und Desinfektion in Kliniken sind selbstverständlich. Die Händedesinfektion der Mitarbeiter und Besucher hat größte Bedeutung zur Vermeidung von Keimübertragung. Leider halten sich nicht alle an Vorschriften und Richtlinien, weil es Zeit kostet und mühsam ist. Wenn nicht ausreichend auf die Einhaltung der Maßnahmen geachtet wird, lässt jedoch die Aufmerksamkeit nach. Hier können strukturelle, d.h. bauliche Maßnahmen helfen. Die klinischen Bereiche werden durch farbige Markierungen getrennt, die auf den nächstgelegenen Desinfektionsmittelspender hinweisen. Studien zeigten, dass diese optischen Barrieren die Durchführung der Händedesinfektion bei allen Berufsgruppen im Krankenhaus deutlich steigern. Wie beim Brandschutz ist das Krankenhaus so in Abschnitte unterteilt, bei deren Übergang an die Notwendigkeit einer Händedesinfektion erinnert wird. In der Onkologie, in der Patienten durch die Therapie besonders gefährdet sind, werden diese Barrieren an jedem Patientenzimmer angebracht. Jeder Abfluss eines Waschbeckens ist so geformt, dass das darin stehende Wasser einen Verschluss gegenüber dem nachfolgenden Abwassersystem darstellt (Geruchsverschluss oder Siphon). Ungünstigerweise ist das stehende Wasser in Siphons ein idealer Brutkasten für Keime. Mehrere Milliarden Keime je Milliliter werden dort gemessen. Patienten, die sich an diesem Waschbecken z.B. die Zähne putzen, können durch aufgewirbelte Bakterien gefährdet werden. Die Abflüsse der Waschbecken können nachts computergesteuert erhitzt und so desinfiziert werden. Hierfür gibt es besondere Geräte, die bereits bei der Planung des Neubaus zu berücksichtigen sind.

Auch bei der Frischwasserversorgung gibt es neue Ansätze. In den Wasserleitungen, in denen das Wasser steht, können Legionellen wachsen. Das sind Bakterien, die eine schwere Lungenentzündung auslösen. Legionellen brauchen zu ihrer Vermehrung warmes Wasser. Frischwasserleitungen laufen bei herkömmlicher Bauweise eines Krankenhauses häufig in den gleichen Schächten wie die Heizungsrohre. So erwärmen sich auch die Frischwasserleitungen und erhöhen das Risiko eines Legionellenbefalls. In dem Hygienischen Krankenhaus werden die kalten Wasserleitungen in getrennten Schächten geführt und über einen endständigen Verbraucher so in Bewegung gehalten, dass sich keine Keime vermehren.

Ein bisher zu wenig beachtetes Thema sind die Darmkeime. Der Hautkeim MRSA ist durch Skandale in Kliniken fast allen bekannt. Wichtiger aber sind Darmkeime, die zunehmend resistent werden. Sie tragen Namen wie VRE oder ESBL - ihr Übertragungsweg ist denkbar einfach. Sie leben im Darm und nehmen den natürlichen Weg nach draußen. An die eigenen Darmkeime ist der Mensch gewöhnt - fremde Keime können zum Problem werden, wenn Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Der Mikrobiologie Prof. Kekulé blickt daher sorgenvoll in die Zukunft: „Wenn sich resistente Darmkeime noch stärker verbreiten, werden wir erkennen, dass wir beim MRSA nur geübt haben".

Bettlägerige Patienten brauchen eine Bettpfanne - und diese ist zu leeren. Im Krankenhaus gibt es dafür den „unreinen Arbeitsraum" mit spezieller Spülmaschine für die Bettpfannen. Für die Neubauplanung wurde dieser Raum, in dem auch andere Geräte gereinigt werden, genauer untersucht. Zudem lagert hier Müll, schmutzige Wäsche und alles, was sonst auf der Station zu lagern ist. Durch die gemeinsame Nutzung des Raums, der durch ständiges Laufen der Spülmaschine oft warm und feucht ist, besteht die Gefahr, dass Darmkeime auf Ablageflächen, Geräte oder Lagermaterial gelangen. So werden sie auf andere Patienten übertragen. Der klassische „unreine Arbeitsraum" wurde in der Neubaukonzeption abgeschafft - und neu erfunden. Es gibt nun einen Spülraum, der nur für die Reinigung von Bettpfannen und Urinflaschen genutzt wird. Die Tür wird über einen Fußschalter geöffnet, unreiner und reiner Bereich sind voneinander getrennt. Zudem gibt es auf den Stationen einen getrennten Aufbereitungsraum für Waschschüsseln und Geräte. Müll und schmutzige Wäsche werden in einen Entsorgungsraum gebracht, so dass die Mitarbeiter der Logistik den unreinen Bereich nicht betreten müssen. Die räumliche Trennung reduziert die Gefahr der Kontamination - und damit das Risiko einer Infektion.

Diese Beispiele sind ein Auszug aus dem Maßnahmenbündel für mehr Hygiene im Krankenhaus. Sie zeigen, wie strukturelle - d.h. bauliche - Maßnahmen helfen, nosokomiale Infektionen zu vermeiden.

 

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