Bauen, Einrichten & Versorgen

Brand im Krankenhaus - Horrorszenario Evakuierung trainieren

05.08.2015 -

Alle 14 Tage brennt es statistisch gesehen in einem deutschen Krankenhaus. Dabei müssen jedes Jahr ca. 2.500 Patienten aus Gefahren-bereichen evakuiert werden. Die Gründe für eine Evakuierung sind nicht nur bei Bränden zu suchen.

Bombendrohungen, Bombenfunde aus dem 2. Weltkrieg, Hochwasser oder Stromausfälle reihen sich in den Pressemeldungen aneinander und enden oft bei einer Evakuierung. Planbar sind diese Ereignisse alle nicht, aber eine gute Vorbereitung ermöglicht eine routiniertere Begegnung mit dem Schadensereignis.

Das Krankenhaus St. Elisabeth befindet sich in der Ravensburger Nordstadt und ist zentral gelegen nur wenige Kilometer von den beiden Freiwilligen Feuerwehren aus Ravensburg und Weingarten entfernt. Das Krankenhaus der Zentralversorgung im zweitgrößten Landkreis Baden-Württembergs bietet auf rund 36.000 m² Nutzfläche in vier Gebäudeteilen Platz für rund 560 Betten aus 23 unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen und gehört zum Klinikverbund der Oberschwabenklinik, welche mit rund 2.800 Mitarbeitern im Jahr die Versorgung von 40.000 stationären und 150.000 ambulanten sicherstellt.

Am Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg hatten Feuerwehr, Hilfsorganisationen und Klinikpersonal die Chance, im Zuge eines Neubauprojektes in dem bereits leergezogenen Altbau die Evakuierung aus mehreren Pflegestationen nach einem Brandereignis zu üben. Herangezogen werden konnte hierbei ein Altbau aus den 70er Jahren, der im Zuge der Baumaßnahme abgebrochen werden sollte, aber bis dahin die komplette Infrastruktur zweier 36-Betten-Stationen zu bieten hatte. Insgesamt 70 Patienten und Besucher galt es bei dem Übungsszenario aus zwei verrauchten Stationen aus dem zweiten und dritten Obergeschoss zu retten und anschließend aus dem Gebäude zu evakuieren. Glücklich schätzen kann sich jedes Krankenhaus, welches dabei über einen Feuerwehraufzug nach DIN verfügt, der durch die entsprechende bauliche und technische Voraussetzungen (wie z. B. Sichtverbindung zwischen Kabine und Außenbereich, Rauchschutz, Feuerwehrbedienung) auch im Brandfall weiterhin durch die Feuerwehr genutzt werden kann. Damit stünden auch entsprechende Transportkapazitäten für die vertikalen Evakuierungswege zur Verfügung. Im Rahmen der Übung durften Aufzüge, wie beim Brandfall üblich, nicht genutzt werden.

„Null Sicht“

Nebelmaschinen sorgten für eine möglichst realistische Ausbreitung von Rauch in den Fluren. Für das Pflegepersonal wurde eindrücklich verdeutlicht, wie schnell man sich in verrauchten Bereichen nicht mehr orientieren kann, und das, obwohl das Personal teilweise über Jahrzehnte in dem Bereich gearbeitet hatte. Wenn ein Brand entsteht, muss das Personal zunächst möglichst schnell wirksame Löschmaßnahmen einleiten, da der Rauch schnell in andere Bereiche der Station bzw. des Hauses eingetragen wird. Dies bringt das Personal schnell an seine Grenzen: Selbstrettung, schnelle Information der Patienten und Besucher und griffbereite Dienstpläne und Patientenakten sind hier wichtige Handlungsabläufe, die den weiteren Verlauf wesentlich beeinflussen.

Auch für die Feuerwehr war ein verrauchter Klinikbereich in der Praxis erkennbares Neuland. Der Umgang mit Klinikbetten ist für Ungeübte nicht gerade einfach, und auch angeschlossene Medizinprodukte wie Überwachungsmonitore, Infusomaten oder auch nur die Sauerstoffinhalation sorgen schon für zusätzlichen Stress bei der Rettung. Regelmäßige Schulungen des meist ehrenamtlichen Personals der örtlichen Feuerwehr sollten daher genauso zum Brandschutzkonzept eines Krankenhauses gehören wie die ausreichende Vorhaltung von sog. Brandfluchthauben für Patienten mindestens einer Station. Diese Fluchthauben dienen als Atemschutzmasken und verfügen über einen integrierten Filter, der das Einatmen von Rauch vermeiden soll.

„Flure sind freizuhalten“

Diesen Satz predigen die Brandschutzbeauftragten aller Betriebe meist gebetsmühlenartig. Wie schnell selbst ein 2,50 m breiter Krankenhausflur bei einer Evakuierung an seine Grenzen stößt, wurde an der durchgeführten Übung schnell klar: Während die horizontale Evakuierung der Feuerwehr im nächsten rauchfreien Brandabschnitt endet, beginnt hier die Arbeit des Klinikpersonals, das die Patienten dort übernehmen muss. Die hohe Frequenz, mit der die Feuerwehr die Patienten aus dem Bereich evakuierte, erzeugte zeitlichen Druck beim klinischen Personal. Um ausreichend Platz im Übergabebereich zwischen Feuerwehr und Klinik vorzuhalten, müssen die geretteten Patienten erst einmal über längere Wege innerhalb des Klinikums transportiert werden. Die Transport- und Wechselzeit (= Wegezeit zurück zum Schadensort) muss personell eingeplant werden, so dass bei einem realen Ereignis in kürzester Zeit mindestens vier Mitarbeiter pro Patient zur Verfügung gestellt werden können. Dank eines digitalen Telefon-Alarmierungsservers innerhalb der Oberschwabenklinik sieht man sich einem solchen Problem aber ausreichend gewachsen, da hier in der höchsten Alarmstufe sämtliches dienstfreies Personal automatisiert angerufen und über den Alarmfall informiert werden kann.

Evakuierung über Treppen

Die größte Hürde bei einer Evakuierung sind Treppenhäuser und fehlende Aufzüge. Mehrere Versuche unterschiedlichster Art wurden unternommen, um die Patienten auf den von der Feuerwehr eingerichteten Sammelplatz außerhalb des Klinikums zu verlegen. Egal ob zu „Bananen“ geformte Bettlaken, Evakuierungsdecken oder Bergetücher, angenehm oder patientenschonend ist die Evakuierung von Patienten über Treppenhäuser kaum. Der hohe personelle Aufwand mit mindestens vier bis sechs Personen pro Patient zeigt hier wieder, wie wichtig eine schnelle Alarmierung des klinikeigenen Personals ist.

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