Bauen, Einrichten & Versorgen

Farb- und Lichtspiele gegen die Behandlungsangst

03.08.2012 -

Nicht nur der demografische Wandel stellt Krankenhäuser vor neue Herausforderungen bei der baulichen Gestaltung. Mit modernen Raum- und Lichtkonzepten soll der Aufenthalt angenehmer werden.

Es ist kein Geheimnis: Farbe und Licht wirken auf unsere Psyche, lösen angenehme oder weniger angenehme Gefühle aus. Das gilt umso mehr für Krankenhäuser, die sich ohnehin lieber „Gesundheitszentren" nennen und mit Hotelkomfort werben. Die freundlichen Pflegekräfte, die erfahrenen Ärzte - das sind Kriterien für eine gute Benotung und Weiterempfehlung der Klinik an Freunde, Bekannte und Kollegen. Noch vor wenigen Jahren hatte zudem die Qualität der ans Bett gelieferten Speisen einen nicht zu unterschätzenden Bewertungsfaktor. Mittlerweile ist es das „Wohlfühlklima", das entscheidend über Farben und ausgefeilte Lichtkonzepte gesteuert wird.

„Die Architektur hat humanitäre Aufgaben wahrzunehmen", bringt es Heinrich-Holger Kläschen auf den Punkt. Der Hamburger Architekt ist seit 45 Jahren im Geschäft und kennt sie alle: die dunklen Winkel der großen Kliniken, die endlos anmutenden Gänge, die ungemütlich wirkenden Patientenzimmer und die Eingangsbereiche, die den Charme von Bahnhofshallen versprühen. Wer sich auf dem hart umkämpften Gesundheitsmarkt behaupten will, kann sich das nicht mehr leisten - schon gar nicht in den Zeiten des demografischen Wandels. Denn die Zahl älterer Patienten steigt, häufig zählen auch an Demenz erkrankte Menschen dazu. Der Aufenthalt in einer fremden Umgebung ist gerade für an Unruhe und Orientierungslosigkeit leidende Menschen besonders schwer. Zu einer demenzfreundlichen Architektur gehört daher eine kontrastreiche Farbgestaltung und Ziele wie ein Aquarium am Ende eines Flures. Auf der Sonderschau „Pflege und Homecare Leipzig" wurden erst im vergangenen Jahr alters- und demenzgerechte Architekturentwürfe und Studienarbeiten zum Thema „Pflegeoase" präsentiert. Ein Thema mit Zukunft für Kliniken, die aufgrund ihres Leistungsangebotes viele ältere Menschen versorgen.

Weiß-Monotonien in den Kliniken repräsentieren immer noch Reinheit und Hygiene, werden aber zunehmend durch Farben, Materialien, Oberflächen und Licht ersetzt, die Atmosphäre unterstützen und Ängste abbauen helfen. Bestes Beispiel ist immer noch das Patientenzimmer. Hier wacht der Patient nach der Narkose auf und blickt auf die gegenüberliegende Wand. „Ein rot hinterlegtes Gelb, das das Sonnenlicht einfängt, hat eine belebende Wirkung", weiß Architekt Heinrich-Holger Kläschen, der viele Hamburger Einrichtungen wie das AK Eilbek, das Krankenhaus Mariahilf oder auch das Amalie-Sieveking-Krankenhaus zu Wohlfühlstätten umfunktioniert hat.

Emotionslose Sterilität ist besonders in den mit CT und MRT ausgestatteten Funktionsräumen total passé. Hier hat der Mensch meist Angst „vor der Röhre" und braucht die Grundfarben zur Beruhigung. Natur, Blau wie der Himmel, Grün wie das Gras und Braun wie die Erde sollen die Farbkompositionen sein. Das ist oftmals Kunst, wie das bundesweit beispielgebende Ergebnis der künstlerischen Gestaltung des Kinderzentrums im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle zeigt. In Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Malerei/Textil Burg Griebichenstein Hochschule für Kunst und Design der Stadt wurden medizinisch neutrale Räume zu einem Ort von Lebenskraft und Lebensfreude umgestaltet. „Heilkunst für Körper, Geist und Sinne" als Vereinigung von wissenschaftlichem Fortschritt und ästhetischer Umsorgung des verletzten oder bedrohten Menschen, wie es in der entsprechenden Schriftenreihe formuliert wird.

Licht nimmt Angst - besonders in der medizinischen Diagnostik. Philips realisiert in mehr als 60 Projekten bundesweit farbiges Licht in Untersuchungsräumen. Die Studie gemeinsam mit der FH Furtwangen ergab, dass Patienten ruhiger in die Untersuchung gehen und das Krankenhaus im Anschluss weiterempfehlen. Auch das medizinische Personal empfand die lichtgestützte Zusammenarbeit mit den Patienten als sehr angenehm. Das AK Barmbek in Hamburg setzt ebenfalls das Lichtkonzept auf LED-Basis ein, mit dem Farbe und Intensität des Lichts während der Röntgenuntersuchung zur Gefäßdia­gnostik und -therapie sich verändern. Angst und Unwohlsein während des Eingriffs verringern sich, so das Ergebnis. „Die Raumausleuchtung muss klinische Prozesse unterstützen", sagt Architekt Heinrich-Holger Kläschen.

So ist grelle Beleuchtung selbst in den OP-Räumen als Herzstück jeder Klinik verpönt. Verschiedene Lichtszenarien von den Farben Blau, Grün und Gelbrot sollen stundenlange Eingriffe in minimal-invasiver Technik erleichtern und die müden Augen schonen. Die OP-Steuerung für Optik, Gas und Raumlicht für OP-Tisch und OP-Leuchten per Knopfdruck ist inzwischen zum festen Handwerkszeug des OP-Personals geworden. Während im Eingangsbereich dagegen Farbleuchten der Orientierung dienen und den ersten Eindruck als Neupatient positiv beeinflussen sollen, ist das gedämpfte Leselicht im Patientenzimmer ein absolutes Muss bei der Innenraumgestaltung. Diese Lampe symbolisiert die „private Oase" des Patienten, der im Mehrbettzimmer seinen Genesungsprozess absolviert und hier seinen eigenen Lichtkreis für sich beanspruchen kann.

So viel Naturlicht wie möglich lautet dagegen das Ziel architektonischer Um- oder Neugestaltung für Krankenhäuser. Die Natur mit ihrer ganzen Sinnesvielfalt in den Bau einbinden, die Schaffung eines „Wohnumfeldes" unter Berücksichtigung der individuellen Befindlichkeiten des Patienten als Kunden - das sind die Merkmale eines modernen Licht- und Raumkonzeptes für Kliniken.

 

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Nicola Sieverling

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