Forschen entlang des „Science-Loop“
27.03.2020 -
2. Rang im internationalen Wettbewerb für die Erweiterung des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg
Die Wettbewerbsaufgabe für die Erweiterung des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg umfasste ein Konzept für einen Neubau sowie den gesamten Campus mit Bestandsgebäude – direkt am Neckar gelegen. In dem Neubau galt es auf ca. 6.200 qm hochinstallierte Labor-, Technik- und Werkstattbereiche sowie Büro-, Seminar- und Besprechungsräume als auch eine Cafeteria unterzubringen. Eine Besonderheit des Entwurfs von HDR stellt der „Science-Loop“ dar: Etagenübergreifende Zonen bieten den Mitarbeitern attraktiv gestaltete Sonderbereiche zum Arbeiten, Entspannen und für den interdisziplinären Austausch. Mit diesem Konzept gewann das Architekturbüro einen der beiden vergebenen Preise und qualifizierte sich für das weitere Verfahren.
Mit dem Erweiterungsbau des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung (MPImF) soll ein Leuchtturmprojekt für Forschung in Heidelberg entstehen. Dort wo an hochkomplexen Wechselwirkungen zwischen Makromolekülen in der lebenden Zelle in Echtzeit geforscht wird, soll den Mitarbeitern eine besondere Arbeitsatmosphäre geboten werden. Kern der Idee ist eine architektonische Reise durch Heidelberg. So wie Heidelberg als Stadt unterschiedliche Erlebnisräume bietet, soll auch das Innere des Gebäudes unterschiedliche Erlebnisräume, sogenannte „Pods“ bieten.
Die Leitidee. Der Science-Loop
Die Idee ist so simpel wie faszinierend: Jedes der insgesamt zehn Geschosse ist in neun je 100 qm große Einheiten auf quadratischem Grundriss unterteilt. In der Mitte sitzt der Kern, in dem Erschließung, Technik und Nebenräume angeordnet sind. An diesem Kern ist pro Geschoss jeweils eine „Erlebniszone“ angelagert, die sich im Geschosse darüber fortsetzt und somit immer zwei Ebenen miteinander zu einem „Science-Loop“ verbindet, der sich durch das gesamte Gebäude zieht. Er bildet das „soziale Herz des Gebäudes“, schafft ein transparentes Arbeitsumfeld für die Forscher und bietet ein offenes Gebäude, das auf die Interaktion seiner Nutzer ausgelegt ist. Dabei können die Mitarbeiter wählen zwischen produktiv stimulierenden Bereichen, gemütlichen „Pods“, die zum Reflektieren gedacht sind, und aktivierenden, anregenden Aufenthaltsräumen, die u.a. eine Mediathek und eine Kletterwand beinhalten.
Auch die Fassade spiegelt das innenräumliche Konzept wider: An den „Pods“ verringert sich die Breite der dreieckigen Metalllamellen auf der Außenseite der Glasfassade. Damit erhöht sich dort die Transparenz und es ändert sich der Lichteinfall je nach Nutzung parametrisch zu seinen Anforderungen. Durch diese subtile Differenzierung der Fassade ist der Loop auch nach außen hin ablesbar.
Das Umfeld. Der Campus
Im Außenbereich setzt sich das spannungsreiche Raumprogramm fort: Die Landschaftsarchitekten von Latz+Partner sehen dort multifunktionale Flächen auf den umgebenden Campuswiesen vor, die u.a. ein Amphitheater sowie eine lange Pergola entlang der Neckarpromenade beinhalten. Dadurch erweitern sie den Aktionsradius der Nutzer und machen mit Wireless-Access-Points den Außenbereich zu einem verlängerten Arbeitszimmer im Grünen mit hoher Aufenthaltsqualität. Gleiches bietet auch die Dachterrasse, auf die der „Science-Loop“ nach dem zehnten Geschoss führt. Events im Freien, Workshops oder Besprechungen können hier in entspannter Atmosphäre abgehalten werden. Dabei genießt man den Ausblick auf die Altstadt von Heidelberg, den Neckar sowie den denkmalgeschützten Gründungsbau des Instituts aus den 1930er Jahren nebenan.
Die Verknüpfung der beiden Gebäude wurde von den Architekten von HDR bewusst geplant: An der Schnittstelle zwischen Alt und Neu springt das Erdgeschoss des Neubaus aus der Flucht des Baukörpers hervor und definiert somit die neue Eingangssituation. Mit einladender Geste empfängt es Besucher und Mitarbeiter über das vorgelagerte Foyer und leitet sie über die große Treppe im Inneren direkt zur Cafeteria, die über eine Brücke mit dem Altbau verbunden ist und so die beiden Institutsbauten auch räumlich eint.
Der Blick zurück. Die Historie
Die Historie spielt für das MPImF Heidelberg eine wichtige Rolle. Seit Gründung des Instituts 1927 waren dort insgesamt fünf Nobelpreisträger in der Forschung tätig. Mit dem Physiker Prof. Dr. Stefan Hell nahm 2016 der sechste Nobelpreisträger die Arbeit am MPImF auf. Er hatte 2014 den Nobelpreis für die Entwicklung ultrahochauflösender Fluoreszenzmikroskopie erhalten. Gemeinsam mit Kollegen arbeitete er ein Konzept für die inhaltliche Neuausrichtung des Instituts aus, das sich architektonisch in der aktuell geplanten Erweiterung widerspiegeln soll.
Für den Neubau hat sich Prof. Dr. Hell in der Auftaktveranstaltung zum Wettbewerb „eine sehr, sehr gute Architektur“ gewünscht, denn, so Prof. Hell weiter: „Das Gebäude und seine Architektur bestimmen den Alltag des Wissenschaftlers mit. Eine gute Architektur, ein gutes Forschungsgebäude zieht den Wissenschaftler, den jungen Wissenschaftler idealerweise magisch an. […] Es wäre daher sinnvoll, mit diesem neuen Gebäude so etwas wie ein „Icon“ zu schaffen, ein Symbol für die Wissenschaft, ein Symbol für den Aufbruch, für den Aufbruch in die Mitte des 21. Jahrhunderts.“
Durchweg positiv. Das Urteil der Jury
Dass der Entwurf von HDR genau dies geschafft hat, bestätigt das Urteil der Wettbewerbsjury: „Der Leitgedanke des Entwurfs, einen schlanken, eher zurücknehmenden, trotzdem sehr präsenten und fein gegliederten Baukörper dem denkmalgeschützten Bestand gegenüberzustellen, ist von seiner Grundhaltung sehr überzeugend. […] Das Entree empfängt den Besucher in einem angemessen dimensionierten Raum, der drei Ebenen miteinander verbindet, wobei in überzeugender Weise hier der Anschluss zu dem im Altbestand befindlichen Hörsaal gelingt. Dies ist sogleich der Auftakt zu der Idee des Science-Loops, der die folgenden Ebenen interessant und pragmatisch miteinander verbindet. Dies ermöglicht einen spektakulären Rundgang durch das Gebäude über alle Ebenen, […].“
Für seinen Entwurf wurde HDR mit dem 3. Preis ausgezeichnet und zusammen mit Behnisch Architekten, die es auf den zweiten Platz geschafft hatten, in das sich anschließende Verhandlungsverfahren eingeladen, das Behnisch Architekten letztendlich für sich entscheiden konnten. Wenn alles nach Plan läuft, soll der Neubau des MPImF ab 2025 zusammen mit dem benachbarten Forschungsneubau der Universität Heidelberg Teil des geplanten Netzwerks „Biologie auf der Nanoskala“ werden.