Bauen, Einrichten & Versorgen

Neustart in der Streuobstwiese - Ein Bau für Gesundheitsförderung und Prävention: Der Josefhof in Graz

28.07.2020 -

Der Josefhof in Graz ist ein Kompetenzzentrum für stationäre Gesundheitsförderung und Prävention für die Versicherten der Versicherungsanstalt für ­Eisenbahnen und Bergbau (VAEB). Die Schwerpunkte richten sich mit stationärem Aufenthalt auf eine ­betriebliche Gesundheitsförderung, eine Gesundheitsförderung für Pensionisten und pflegende Angehörige sowie eine Tabakentwöhnung. Die Einrichtung liegt in idyllischer Lage – mit 55 ha Grünland und Ausblick auf den Grazer Hausberg Schöckl. Da eine Sanierung des alten Josefhofs unwirtschaftlich war, ist er einem Neubau mit 120 Zimmern gewichen. Der Entwurf stammt vom Grazer Büro Dietger ­Wissounig Architekten.

Landschaft und Bauwerk sind hier miteinander verflochten – im Sinne eines Ortes, der eine Atmosphäre wünscht, die den Menschen mit der Natur zu einer gegenseitigen Prägung führt. Der Entwurf nimmt die hier typischen Streuobstwiesen auf. Drei schmale langgestreckte Baukörper verschränken sich mit der arenaartigen Topografie, so dass die Gebäude teils darüber schweben und sich teils in das Gelände graben: Die Landschaft fließt durch das Gebaute. Atrien, in denen sich die Bepflanzung der Streuobstwiese abbildet, unterstreichen dieses gestalterische Anliegen. Ausblicke auf den Schöckl und die umliegende hügelige Wald- und Wiesenlandschaft leiten die Organisation des Raumprogramms in der neuen Gesundheitseinrichtung.

Die sich im Erdgeschoss des Nordschiffs befindende Eingangszone, die Speisesäle und die Bar bieten Ausblicke sowohl nach Süden als auch nach Norden. Die darunterliegenden Baukörper sind so gestaffelt, dass sich die Dächer auf Brüstungshöhe des darüberliegenden befinden. Alle 120 Zimmer haben dadurch freie Sicht auf die Kulturlandschaften. Der Seminarbereich und der aufenthaltsintensive Bereich der Ambulanz bieten neben Ausblicken auch freie ebenerdige Ausgänge in den Naturraum.

Abläufe architektonisch abgebildet
Über die Architektur werden die Abläufe im Gebäude repräsentativ nach außen getragen. Erdgeschosszonen sind über großflächige Verglasungen in der Fassade offen gestaltet. Die Obergeschosse erzeugen durch die Platzierung der Zimmermodule ein harmonisches serielles Bild. Die Anordnung der drei Baukörper repräsentiert den Ablauf innerhalb des Gebäudes vom Ankommen über das Ambulatorium und die Therapiezonen hin zum Wellnessbereich. Ausgehend von der Empfangshalle verbindet eine barrierefreie Erschließung sämtliche Bereiche auf kurzem Wege. Barrierefreie Zugänge sind so gestaltet, dass sie sich in das Gesamtkonzept einfügen. Schwellenlose Übergänge, ein Wegeleitsystem und ein taktiles Leitsystem ergänzen die entwurfsimmanenten Maßnahmen.

Die Brandschutzanforderungen an das Gebäude werden baulich unterstützt, effiziente Fluchtwege und das Einbinden der Baukörper in die Topografie ermöglichen ein einfaches Brandschutzkonzept. Die Installation von Brandschutzvorhängen ermöglicht die offene Gestaltung der Treppenhäuser und des Foyers.

Holzbau auf Stahlbeton
Das Tragwerk des Gebäudes ist reduziert auf eine sparsame und sehr wirtschaftliche Art des Bauens, die einen sehr hohen Vorfertigungsgrad zulässt. Der Holzbau liegt über den im Hang eingebauten Ebenen, die in Stahlbeton hergestellt wurden. Einfache Deckenplatten auf einem klaren wirtschaftlichen Stützenraster bilden die tragenden Bauteile, die teilweise zur Aussteifung von Stahlbetonwänden in Stahlbetonbauweise ergänzt werden. Die Obergeschosse und die dazugehörigen Dächer der einzelnen Schiffe wurden in Holzmodulbauweise aus Brettsperrholz hergestellt. In Teilbereichen sind die Module auf „Stahlbetontischen“ aufgelagert, im Regelfall sind die Module mehrgeschossig aufein­ander gestapelt. Die Stapelung erfolgte über die Wände, damit es zu keinen Querpressungen kommt.

Das Hallenbad wird von einer Sonderkonstruktion aus Brettsperrholz und Stahl als Vierendeel-Träger überspannt. Die Zimmerwände des darüber liegenden Zimmertraktes übernehmen zusammen mit Boden und Decke die Tragfunktion. Somit ist ein Überspannen ohne Unterzüge möglich. Sämtliche Raumtrennungen, Einbauten und die Gebäudehülle sind in Montagebauweise hergestellt. Dies schafft Offenheit und Flexibilität, in dem spätere Änderungen leicht möglich sind.

Natürlichkeit und Lesbarkeit
Der Freistellung der Natürlichkeit und Lesbarkeit des Materials und der Konstruktion haben die Architekten größtmögliche Aufmerksamkeit geschenkt. Der Entwurf des Büros Dietger Wissounig Architekten verwendet möglichst naturbelassene, ungiftige Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Ortbeton und Kunststoffe werden sparsam eingesetzt. Die Außenflächen der Gebäude sind mit Steinwolle gedämmt. Außenliegend sind eine horizontale Lärchen-Holzverschalung und eloxierte Alu-Lamellen als Sonnenschutz angebracht.

Im Inneren finden sich besonders freundliche, helle Materialien wie helle Terrazzofliesen, Holzdielen und Lehmputz. Holzoberflächen bleiben sichtbar. Die einfachen kompakten Baukörper des Josefhofs überzeugen mit ihrer im Verhältnis zur Fassade kaum direkt besonnten Fensterfläche. Eine optimal gedämmte Fassade und ein direktes Beschattungssystem ergänzen die energetischen Ansprüche. Die außenliegenden Alu-Lamellen bilden einen baulichen Sonnenschutz, der die Fassade vor der Sommersonne schützt, die tiefstehende Wintersonne jedoch in die Innenräume leitet.

Gebäudetechnik und Raumklima
Die klar konzipierte Gliederung des Gebäudes sowie das Erschließungs- und Infrastrukturkonzept und eine gute Orientierbarkeit ermöglichen einen leichten und effizienten Betrieb des Gebäudes. Das gebäudetechnische Konzept vertritt einen Low-tech-Ansatz. Der ausgewogene Einsatz von Bau- und Haustechnik sowie die vernünftige Nutzung zusammenhängender Systeme unterstreichen dieses Konzept. Den Vorzug erhalten natürliche Verschattungs- und Lüftungsvarianten.

Zusätzlich wird ein verbessertes Raumklima durch die schadstoffbindende Eigenschaft und Regulierungswirkung (Luftfeuchte) von Lehm als natürlicher, biologischer Baustoff hergestellt. Die Innentrennwände zwischen Zimmer und Bad wurden mit Lehmputz versehen.

Die von den Zimmern direkt einsehbaren Dächer des Mittel- und Südschiffs wurden als begrünte Dachflächen geplant. Das Nordschiff ist mit einer normalen extensiven Begrünung versehen. Die Begrünung fördert das Mikroklima in der direkten Umgebung (kühlt im Sommer die Umgebungsluft, bindet Feinstaub und Schadstoffe), bietet einen verbesserten Schallschutz und verlängert die Lebensdauer der Dachhaut. Als baubiologische Ergänzung ist die Dachdämmung in Steinwolle (besserer Schallschutz, unbrennbar) und die Abdichtung als Bitumenbahn (natürlicher Baustoff, gut recyclebar) geplant.

Sämtliche Bereiche, die normgemäß einer Lüftung bedürfen, wie Seminar-, Speise-, Ambulanz- und Aquabereiche werden von den Lüftungszentralen im Kellergeschoss versorgt. Die Lüftungsleitungen sind rational und wirtschaftlich konzipiert. Über ein Erdregister wird Frischluft eingebracht und über die Lüftungszentralen verteilt. Der Fortluft wird mit 85 %iger Wirksamkeit die Wärme entzogen.

Die Fußbodenheizung ist so ausgelegt, dass sie im Sommer zur Kühlung herangezogen wird – eine wirtschaftliche und äußerst effiziente Bauteilaktivierung.

Kontakt

Dietger Wissounig Architekten ZT GmbH

Schlögelgasse 9 I
810 Graz
Österreich

+ 43/3168197900

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