Ökologisch nachhaltige Bodenbeläge Im Krankenhaus
27.08.2012 -
Krankenhäuser können einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung nachhaltiger Produkte leisten, wenn sie ihre Leistungsanforderungen an die Industrie formulieren.
Es scheint kaum ein anderes Thema zu geben, das beim Krankenhausdesign die Gemüter der Ingenieure im Facility Management mehr erhitzt als die Frage, welcher Bodenbelag im Krankenhaus verlegt wird. Bodenbeläge in Krankenhäusern müssen komplexe Anforderungen erfüllen.
Neben strengen Hygienevorschriften und speziellen Eigenschaften in verschiedenen Nutzungsbereichen sollte der Bodenbelag langlebig, strapazierfähig, rutschfest und leicht zu reinigen sein. Gleichzeitig sollte er gut begehbar sein und sich durch geringe Schadstoffemissionen auszeichnen. Wie immer man sich entscheidet, ein elastischer Bodenbelag hat nicht nur eine lange Liegedauer, sondern auch häufig nicht einkalkulierte Lebenszykluskosten (von der Herstellung bis zur Entsorgung).
Die am häufigsten verwendeten Produkte in Krankenhäusern Europas sind Vinylboden (PVC), Linoleum und Kautschuk (Gummi). Vinylböden sind in Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Schweden und weiten Teilen Südeuropas verbreitet. Linoleum ist in Deutschland, den Niederlanden und Schweden beliebt. Kautschuk wird zunehmend in Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Frankreich, Großbritannien, in den Niederlanden und Belgien verwendet.
Beim Einkauf ist es wichtig, eine Gesamtproduktbewertung zu erstellen, die Herstellung, Kauf, Verlegung, Pflege und Entsorgung umfasst. Hierbei bieten die Ausschreibungsempfehlungen für elastische Bodenbeläge des Umweltbundesamt (2009) eine Entscheidungshilfe.
Für eine grundsätzliche Eignung sollte bewertet werden: Beständigkeit, Abriebfestigkeit, Chemikalien, Desinfizierbarkeit, Brennbarkeit und Elektrostatik. Weiterer wichtiger Aspekt ist der Reinigungsaufwand: Wie ist das Anschmutzungs- und Reinigungsverhalten, der Beschichtungs- und Pflegebedarf des Produkts. Das kann bei oft beauftragten externen Reinigungsfirmen problematisch sein, wenn im Vergabeverfahren keine Produktpflegevorgaben festgelegt bzw. diese von den Reinigungsfirmen nicht eingehalten werden. In Folge wird oft der Bodenbelag als fehlerhaft bemängelt, obwohl das Resultat auf die nicht fachgerechte Behandlung des Fußbodens zurückzuführen sein kann.
Weiterhin gilt es zu beachten, ob von einem Produkt Unfallgefahren für Patienten oder Personal ausgehen. Hat es eine spiegelnde, rutschige oder stoppende Oberfläche? Wie ist dessen Härte? Gesundheitsrelevant ist die Raumluftqualität, d. h., wie hoch sind die Emissionen (Ausgasungen) aus Belag und Verklebung, aber auch die Emissionen durch Reinigung und Desinfektion und im Falle eines Brandes. Die Raumluftqualität ist von besonderer Relevanz, da sich im Krankenhaus u. a. Menschen aufhalten, deren Immunsystem durch Krankheit geschwächt ist. Auch für die Gesundheit am Arbeitsplatz ist es wichtig, eine gute Raumluftqualität zu gewährleisten.
Abschließend ist die Frage der Optik und Akustik zu berücksichtigen. Wird durch die Raumgestaltung eine Atmosphäre geschaffen, welche die Genesung des Patienten unterstützt, und wie wirkt die Gestaltung auf das Personal, deren täglicher Arbeitsbereich das Krankenhaus ist?
Während der Einkäufer wahrscheinlich hauptsächlich auf Kosten für Verlegung, Haltbarkeit, Reparatur, Reinigung und Pflege, Brandschäden und Entsorgung schaut, sollten auch Fragen der Ökologie eine Rolle spielen. Was für Schadstoffe enthält der Belag, sind es flüchtige oder nichtflüchtige Schadstoffe, welche Ressourcen werden zur Herstellung benötigt und welche Risiken gibt es im gesamten Lebenszyklus?
Es ist wichtig festzustellen, dass es bisher keinen wirklich nachhaltigen Bodenbelag gibt, da z. B. die drei Bodentypen PVC, Polyolefin und Kautschuk auf petrolchemischer Basis beruhen. Doch es gibt innerhalb dieser Produktgruppen Materialien, die einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben. Die Herstellung und Entsorgung von PVC-Belegen ist eher kritisch zu betrachten, obwohl es immer noch ein intensiv benutztes Produkt ist. Bei der Herstellung von PVC entstehen zwei hochgiftige chemische Zwischenprodukte, Äthylen Dichlorid (EDC) und Vinylchlorid-Monomer (VCM), und bei der Entsorgung (Verbrennung) Dioxin in Rückständen in fester Form, der auf Sondermülldeponien zu lagern ist.
Grundsätzlich gilt für alle Beläge: Die Produktionsweise bestimmt die Ökobilanz mehr als der Bodenbelagstyp. Dabei ist zu beachten, dass die Produktionsweise nur die Produktions- und die Nutzungsphase berücksichtigt, aber keine toxikologische Bewertung von Inhaltsstoffen vornimmt. Ein hoher Recyclinganteil und die Langlebigkeit des Produktes sind weitere wichtige Faktoren für die Ökobilanz. Produkte, die Umweltzeichen führen, wie ‚der Blaue Engel‘, die ‚EU Blume‘ und ‚natureplus‘, evaluieren gesundheitliche und ökologische Kriterien und bieten so einen guten Leitfaden. Die bereits bestehenden Kriterien vom Blauen Engel für die Vergabe des Gütesiegels für elastische Bodenbeläge „RAL-ZU 120" wurden im Februar 2011 noch einmal verschärft, sodass derzeit nur drei Anbieter (Artigo Spa, nora systems GmbH und Upofloor Oy) mit verschiedenen Produktgruppen das Label tragen. Das Label setzt auf Kriterien wie umweltfreundliche Herstellung, gesundheitliche Unbedenklichkeit und Schadstoffproblemlosigkeit beim Recycling. Der Blaue Engel bewertet bei der Vergabe, welche Stoffe und Materialien während des Herstellungsprozesses verwendet werden, die Dauer der Nutzung und die Entsorgung von Bodenbelägen sowie die Verpackung während des Transports für neue Bodenbeläge. Es wird bewertet, ob Chemikalien der REACh-Kandidatenliste, Phthalate, N-Nitrosamine, Halogene verwendet werden. Des Weiteren wird die eingeschränkte Verwendung von Flammschutzmitteln bei der Herstellung beurteilt. Der Blaue Engel empfiehlt, Bodenbeläge am besten mit Klebern zu verlegen, die auch dieses Label tragen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Vielfältige Aspekte und Datenblätter sind für die Auswahl eines elastischen Bodenbelags zu beachten. Dabei kann die Ausschreibung von Krankenhäusern ein deutliches Signal für nachhaltigere Produkte mit guten Lebenszykluskosten setzen und damit Forschung und Entwicklung dieser Produkte ankurbeln. Auf lange Sicht sollte man auf Fußböden in Krankenhäusern beruhigt laufen und atmen können ... auf Böden, die keine Belastung für Arbeiter und Umwelt bei Produktion und Entsorgung darstellen und die für Patienten und Personal gesund sind.