Change Management im Krankenhaus – gestalten statt verwalten
01.12.2010 -
Hohe Personalkosten, ineffiziente Prozesse, unzufriedene Mitarbeiter und Patienten sind bezeichnend für die Abwärtsspirale eines Krankenhauses. Dabei ist es gar nicht so schwer, diese Abwärtsspirale der Defizitorientierung zu unterbrechen, wenn im Vorfeld über Veränderungen mitarbeiterorientiert nachgedacht würde. Jede personelle Veränderung unabhängig von den Führungsebenen kann bei gezielter Begleitung positiv dazu beitragen. Nach wie vor wird viel zu wenig Personalentwicklung in den Krankenhäusern betrieben, und es bleibt in der Regel bei fachliche Fort- und Weiterbildung, wie es eine Expertenorganisation erwarten lässt.
Bei Neubesetzungen von Führungspositionen, unabhängig ob Chefarzt, PDL oder Verwaltungsdirektoren, wird mehr Wert auf fachliche Expertise gelegt als auf Softskills und Führungsverständnis. In der Regel sind es aber genau diese Aspekte, die bei der Etablierung dieser neuen Funktionsträger zu Reibungsverlusten. Kon¬troversen, Arbeitsverweigerungen und innerer Kündigung bei nachgeordneten Mitarbeitern, Erhöhung der Fehlzeiten, Weggang von Leistungsträgern und vielem mehr führen.
In der Medizin sprechen alle von Prävention, um Krankheiten zu vermeiden. Dies scheint aber nur für die Patienten zu gelten und nicht für das System Krankenhaus. Präventiv wäre es, für Mitarbeiter gezielte Maßnahmen anzubieten, um Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen, sowie für Führungskräfte ein präventives Coaching zu etablieren, um sie in ihrer neuen Rolle und Aufgabe zu unterstützen. Und zwar nicht erst dann, wenn es zu den ersten atmosphärischen Störungen gekommen ist, sondern bereits im Vorfeld, damit diese erst gar nicht entstehen.
Im Krankenhaus haben wir es in der Regel mit einer hohen Ansammlung von Experten zu tun. Sie zeichnen sich durch hohes Spezialwissen in einem Fachbereich aus und haben meist eine spezifische berufliche Sozia¬lisation durchlaufen, die nicht selten mit den Aufgaben einer Führungskraft schwer in Einklang zu bringen sind.
Bezüglich der Sozialisation der einzelnen Berufsgruppen gab es im Laufe der letzten 40 Jahre, bedingt durch die Veränderungen im Bildungswesen (Bildungsreform), Zugangsveränderungen für Spezialisten. Wurden vor 100 Jahren Mediziner noch in Medizinerhaushalten sozialisiert, so spielt dieses heute nur noch eine nachgeordnete Rolle. Das bezieht die geschlechtsspezifische Berufswahl mit ein, denn Medizinerinnen waren früher - im Gegensatz zu heute - eher eine Seltenheit.
Zum Mediziner wird heute auch derjenige, der nach dem Leistungsprinzip der Besten den Numerus clausus erreicht hat, manchmal unabhängig von Eignung und Neigung zu diesem Beruf. Medizin wird manchmal auch studiert aus der Verlegenheit durch die gute Abitursnote und Bestenregelung (mehr Frauen als Männer), aus dem klaren Bedürfnis vom, nach wie vor, hohen Sozialprestige des Arztes (bei Männern höher als bei Frauen) und der Vorstellung, von dem vermeintlich erhofftem hohen Einkommen zu profitieren. Im Krankenhausalltag wird dann aber oft genau das Gegenteil erlebt, was häufig zu einem inneren unausgesprochenen Konflikt führt.
Weiteres wesentliches Merkmal ist die Abgrenzung der Expertenwelt gegenüber anderen Gruppen. Diese Abgrenzung erfolgt in der Regel durch eine eigene Sprache und dadurch entstehende Sprachhindernisse. Zusätzlich sind Autonomiestreben und Eliteempfindung auch heute noch bei Medizinern und Führungskräften im Krankenhaus weit verbreitet.
Die berufliche Sozialisation von Medizinern als Experten ist geprägt durch ein individuelles Entwickeln und Bearbeiten von Theorien, Hypothesen und Forschungsergebnissen. Der Austausch erfolgt im Kreise Gleicher und lässt generalistische Ansätze eher nicht zu. Genauso wie in anderen Disziplinen ist die wissenschaftliche Arbeit von der Interaktion mit Fachkollegen geprägt und abhängig von guter fachlicher Kommunikation, etwa im Zuge von Diskussionen auf Kongressen und Expertengremien.
Ein weiteres tragendes Element der modernen Wissenschaft und der Medizin ist das Peer-Review-System, welches bedeutet, dass Kollegen (peers) anonym Projektanträge und Publikationsentwürfe begutachten und mit ihrem Urteil entscheidend mitbestimmen, ob ein Projekt finanziert oder ein Manuskript angenommen wird oder nicht. So soll ein hohes Niveau internationaler Forschung aufrechterhalten werden. Gute Journale lehnen 50-90% der eingereichten Manuskripte ab und versuchen, auf diese Weise Qualitätsstandards zu setzen. Auch hier wird über Knappheit motiviert, was den Einzelnen in seinem individuellen Elitestreben unterstützt. So ist gut nachvollziehbar, dass wissenschaftliche Persönlichkeiten durch Zuschreibung und Anerkennung im sozialen Umfeld entstehen und nicht von Anfang an mit besonderen Gaben ausgestattet sind, die sie auch für Führungsaufgaben prädestinieren.
Somit ist die Persönlichkeit keine psychologische Größe, sondern eine soziale, die geprägt ist durch die Rollenzuschreibung und Lösung von Rollenkonflikten. Zur Lösung von Rollenkonflikten bedarf es anderer Kompetenzen als derer, die bisher erworben und ausgebaut wurden. Hier geht es weniger um fachliche (expertenorientierte) Themen, sondern dar¬um, wie Neuerungen, Kurswechsel und Innovationen als Changeprozess geleitet und unterstützt werden können. Vorausgesetzt werden die Bereitschaft zur Selbstreflexion, Kritikfähigkeit, Kommunikationsvermögen sowie eine wertschätzende Einstellung zu Mitarbeitern und Kollegen unabhängig vom Expertentum.
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KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.
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