Herbstgespräch in der Stuttgarter PVS-Akademie bot tiefe Einblicke ins Gesundheitssystem
03.11.2010 -
Wenn sich im Oktober die Blätter färben, stehen traditionell die Herbstgespräche der Privat-ärztlichen Verrechnungsstelle Baden-Württemberg (PVS-BW) an. Auch in diesem Jahr war wieder eine prominente Runde zusammen gekommen. PVS-BW Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Jörg-Michael Kimmig freute sich über die Aktualität des Themas und begrüßte vor 70 Zuhöreren mit der parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz eine „gute Bekannte", die den aktuellen Gesetzentwurf zur Finanzreform der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz) erläuterte und auch verteidigte.
Die Rolle der fehlenden Opposition wurde von Moderator Will Reiners, stv. Politikchef der Stuttgarter Nachrichten mit Fachkenntnis und Sprachwitz mit übernommen. Als Branchenver-treter saßen auf dem Podium auch zwei „PVS-Neulinge" - ansonsten alles andere als Unbekannte in ihrer Branche: PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach und Dr. Ralph Ennenbach, stv. Vorstandsvorsitzender der KV Schleswig-Holstein trugen zu einem sehr hohen Ge-sprächsniveau bei.
Ausgabenbegrenzung, Stärkung der Finanzierungsgrundlagen und soziale Gerechtigkeit laute-ten die Schwerpunkte des Gesetzentwurfs aus Sicht der Staatssekretärin. Vor allem den Bei-tragssatzanstieg verteidigt sie: „Dass es nach der finanzkrisenbedingten Absenkung wieder zu einem Anheben auf das Niveau vor dem Konjunkturpaket II kam, ist nichts Außergewöhnliches." Wichtig sei, dass durch die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge auf 7,3 Prozent der Automatismus durchbrochen werde, dass Ausgabensteigerungen zwangsläufig zu steigenden Lohnkosten führten. Durch einen unbürokratischen Sozialausgleich würde kein Beitragszahler über Gebühr belastet. Als logische Folge aus den festgeschriebenen Arbeitgeberbeiträgen mit einer gedeckelten Stufe ergäbe sich jedoch deutlich mehr Wettbewerb.
Ebenfalls in dem vom Kabinett verabschiedeten Entwurf zum GKV-Finanzierungsgesetz ist nachzulesen, dass das ärztliche Honorarsystem verändert werden müsse; ein Thema, das vor allem den Kassenvertretern auf den Nägeln brennt. PKV-Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach sieht die Private Krankenversicherung denn auch schon mit dem Rücken zur Wand und sagt: „Das System auf Basis der staatlichen Gebührenordnung hat keinerlei Steuerungsmöglichkeit. Wenn wir das Risiko auf der Ausgabenseite nicht in den Griff bekommen, wird es die PKV in Zukunft am Markt schwer haben."
Nobelpreis fürs Nachdenken
Auch das Thema Kostenerstattung wird in Zusammenhang mit einem gerechten und transpa-renten Honorierungssystem aufgeworfen. Widmann-Mauz sieht sie für einen Teil der Versi-cherten als attraktive Möglichkeit, die jedoch behutsam weiter entwickelt werden müsse. Ärz-tefunktionär Ralph Ennenbach möchte nach japanischem Vorbild den durchschnittlichen Kostenwert für die Behandlung bestimmter Krankheiten auf eine Chipkarte buchen. „Dadurch beginnt beim Versicherten das Nachdenken, ob er zum Arzt muss oder nicht", hebt Ennen-bach hervor und erntet prompt Anerkennung für eine solche Reaktion. Wer es schaffe, diesen Prozess beim Menschen anzuregen, dem stehe der Nobelpreis zu, äußert sich die Staatssekretärin.
Nach Ennenbachs Ansicht bedürfe es zur Zukunftsfähigkeit der Gesundheitspolitik eines neu-en ordnungspolitischen Systems auf der Basis eines „neuen Paktes zwischen Arzt und Patient". Mit der Frage, wie der denn aussehen solle, wurden auch die Grenzen dieser Überlegungen aufgezeigt. Die Meinung der Ärzte hierzu dürfte nämlich ziemlich gespalten sei.Die wenig überzeugende Logik für die Ärzte aus dem bestehenden System lautet für Ennenbach daher „Fälle machen".
Auch wenn an diesem Abend die Annäherung zwischen GKV und PKV nicht gelingt - was auch nicht zu erwarten gewesen wäre - bietet die Diskussion vor allem auch für die Besucher einen tiefen Einblick in die Materie. „Heute hat man wirklich etwas von einer politischen Diskussion mit nach Hause genommen", bringt es ein Besucher auf den Punkt. PVS-BW Vorstandsvorsitzender Kimmig dankt den Podiumsteilnehmern dafür wie auch für den Verzicht auf Wahlkampfreden.
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