Kommunikation im Klinikalltag
01.07.2011 -
Kommunikation im Klinikalltag. „Es ist wie in einem Horrorfilm“, zitierte die Süddeutsche Zeitung am 21. Mai 2007 den kaufmännischen Direktor des Klinikums Fulda in der Berichterstattung über die Salmonellen-Epidemie – wohlgemerkt mit Anführungszeichen und als fettgedruckten Titel über einem vierspaltigen Artikel. „Gute Schlagzeile, Herr Direktor“, ätzte daraufhin ein PR-Profi, denn selbst seriöse Medien lassen sich eine derartige Titel-Steilvorlage nicht entgehen.
Solche Krisen, vor allem wenn der Verlust von Menschenleben zu beklagen ist, sind Schicksalsschläge für die Betroffenen und Angehörigen. Sie werden in den Medien emotional transportiert, und die Hatz auf die Schuldigen beginnt. Das beschädigt nicht nur die persönliche Reputation der Akteure, sondern oft auch dauerhaft das Ansehen einer ganzen Klinik. In schwerwiegenden Fällen werden personelle Konsequenzen gezogen.
Die Tretminen des Klinikalltags beschränken sich jedoch nicht auf Hygieneprobleme oder Kontrollmängel. Querelen über die Besetzung von Top-Positionen gehören ebenso dazu wie Fehldiagnosen, Medikamentenverwechslungen oder Kunstfehler. Noch rufschädigender wird es, wenn Gier und Betrugsfälle aufgedeckt werden wie falsche Abrechnungen, überhöhte Preise für Herzklappen oder gefälschte klinische Studien. Menschenverachtend wird es bei Skandalen wie dem Handel mit Nieren, bei dem Arme als Ersatzteillager für Reiche dienen.
Lückenlose Aufklärung
Sobald die Krise eintritt, wollen Patienten, Behörden, vor allem aber Journalisten nicht nur wissen, was vorgefallen ist, sie haben sogar ein berechtigtes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung. So werden die Verantwortlichen zur reaktiven Kommunikation gezwungen, seien es nun Ärzte, Pflegeleitung oder die Verwaltungsdirektoren. Die wenigsten sind darauf vorbereitet. Die Weiterbildungs- und Entwicklungspläne der Personalabteilungen weisen hier erstaunliche blinde Flecken auf.
Fehlende Schulung und mangelnde Erfahrung im Umgang mit den Medien führt zu vermeidbaren Anfängerfehlern. Um sich keine Blöße zu geben und den Insider-Kreis so klein wie möglich zu halten, wird darauf verzichtet, sich externen Rat zu holen. Dahinter steht ein menschlich verständlicher, aber falscher Fluchtreflex, der sich in Reaktionen wie „Bunkermentalität“, den „Kopf in den Sand stecken“ oder „Augen zu und durch“ niederschlägt. Die Folgen sind fatal: Negative Schlagzeilen verunsichern Patienten, und in der breiten Öffentlichkeit schwindet die Glaubwürdigkeit. Verspieltes Vertauen zurückzugewinnen, ist ein mühsamer Prozess, der Jahre dauert.
Dabei sind die Maßnahmen für eine Professionalisierung der Kommunikation weder besonders zeitnoch kostenintensiv. Sie stehen nur auf der Prioritätenliste der Verantwortlichen weit unten, da ihre Umsetzung bequem verschoben werden kann – so lange, bis es zu spät ist.
Umgang mit Journalisten
Ein allgemeines Kommunikationstraining ist nicht nur für den Umgang mit Journalisten nützlich, es hilft auch im tagtäglichen Umgang mit Patienten. Es kann für einen breiten Mitarbeiterkreis konzipiert und durchgeführt werden.
Ein Mediatraining richtet sich an leitende Mitarbeiter. Es erklärt die unterschiedlichen Mediengattungen und die Arbeitsweisen sowie Erwartungshaltungen der Journalisten. Es gibt Tipps für den Umgang mit Journalisten und hilft, Botschaften und Aussagen zu formulieren. Jeder Sprecher einer Klinik sollte sich schon einmal probeweise vor eine laufende Kamera stellen und von Fachleuten überprüfen lassen, wie seine Statements wirken und ob sie nicht beispielsweise durch seine Körpersprache konterkariert werden.
Ein Mediatraining ist jedoch keine Schulung im Vertuschen, Tarnen oder Täuschen.
Griff in die Schreibtischschublade
Ein „Muss“ ist ein klinikindividuell zusammengestelltes Krisenkommunikationshandbuch, das jeder leitende Klinikmitarbeiter griffbereit in der Schreibtischschublade liegen haben sollte. Es besteht aus knappen Verfahrensregeln, Checklisten und Kontaktadressen. So kann etwa sichergestellt werden, dass Angehörige von Patienten direkt und nicht über die Medien über Vorfälle in der Klinik informiert werden. Und die Suche nach Handynummern von Chefärzten im Urlaub entfällt mit solchen Listen ebenso wie die Suche nach Ansprechpartnern und Kontaktadressen in Ämtern, Behörden und Medien.
Kliniken und ihre Repräsentanten werden in der Bevölkerung – und damit auch bei den für Kliniken ausschlaggebenden Zielgruppen Patienten, Zuweiser und Kostenträger – überwiegend so wahrgenommen, wie sie in den Medien vermittelt werden. Die eingangs zitierte Schlagzeile hätte bei entsprechender Schulung leicht vermieden werden können. Das hätte zwar die Krise nicht verhindert, aber das Bild eines ohnmächtigen und hilflosen Aktionismus, das in der Öffentlichkeit entstanden ist, weniger desolat wirken lassen. Vertrauensverlust und Imageschaden fallen bei professionellem Krisenmangement geringer aus. „Aus Fehlern lernen“ heißt die vor Kurzem veröffentlichte Broschüre des Aktionsbündnis Patientensicherheit, die für einen Wandel in der Art, mit Fehlern umzugehen, plädiert. Das darf aber nicht nur für die medizinischen, sondern muss auch für die kommunikativen Kompetenzen moderner Kliniken gelten.