Gesundheitsökonomie

Krankenhausbehandlung von Menschen mit Demenz verbessern

02.02.2012 -

Krankenhäuser sind derzeit schlecht darauf vorbereitet, Menschen mit Demenz adäquat zu behandeln und zu betreuen.

Eine Krankenhausbehandlung ist für viele Menschen mit Ängsten und Sorgen verbunden. Neben der akuten Erkrankung, die zur Krankenhauseinweisung geführt hat, müssen auch eine fremde Umgebung, ungewohnte Routinen, belastende und manchmal auch schmerzhafte Untersuchungen und Behandlungen und vieles mehr bewältigt werden. Vor allem für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Demenz können diese Faktoren zu einer erheblichen Verunsicherung führen. Auch wenn ein Krankenhausaufenthalt nur eine kurze Episode im Lebens- und Krankheitsverlauf eines Menschen, der mit Demenz lebt, darstellt, kann er für den Betroffenen und seine Angehörigen zu einem folgenreichen Erlebnis werden.

Der Anteil der Menschen mit Demenz an der Zahl der Krankenhauspatienten in Deutschland wird mittlerweile auf 10-15% geschätzt. Das bedeutet für ein Krankenhaus durchschnittlicher Größe, dass täglich rund 40 Patienten behandelt und gepflegt werden, die zusätzlich zu der akuten Erkrankung, die zur Einweisung geführt hat, mit einer Demenz leben. Denn meistens ist die Demenz nicht die Hauptdiagnose, das ist nur bei 0,15 % der Patienten der Fall.

Weiter zeigen internationalen Studien, dass für Menschen mit Demenz das Risiko, in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden, größer ist als für Menschen, die nicht an Demenz erkrankt sind. Auch die Einweisungsgründe unterscheiden sich. So werden Menschen mit Demenz oder kognitiven Einschränkungen häufiger wegen Infektionen, Frakturen oder ernährungsbedingten Störungen bzw. Dehydratation im Krankenhaus behandelt, als eine vergleichbare Gruppe von nicht demenziell erkrankten Menschen. Vor allem ist für Menschen mit Demenz eine Reihe von Risiken mit der Krankenhausbehandlung verbunden. Dazu zählen die Verlängerung der Verweildauer, eine Abnahme der physisch funktionalen Fähigkeiten, vermehrtes Auftreten nosokomialer Infektionen und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, nach der Krankenhausbehandlung nicht wieder in die häusliche Umgebung zurückkehren zu können.

In Studien, in denen Menschen mit Demenz selbst über ihre Erfahrungen mit der Behandlung und Pflege im Krankenhaus berichtet haben, wird deutlich, dass diese sich nicht immer gut versorgt fühlen und wenig Wertschätzung erfahren. Sie erleben die neue Umgebung und fremde Menschen zum Teil als Bedrohung. Auch die Angehörigen von Betroffenen erleben den Krankenhausaufenthalt als Belastung, wenn sie von den Behandelnden nicht in Entscheidungen einbezogen werden oder wenn sich der Gesundheitszustand der Betroffenen nicht stabilisiert oder verbessert.

Krankenhäuser sind derzeit zumeist schlecht darauf vorbereitet, Menschen mit Demenz mit ihren besonderen Versorgungsbedarfen adäquat zu behandeln und zu betreuen. Das liegt unter anderem daran, dass die Ausrichtung der Kliniken auf die Behandlung definierter Organerkrankungen im Rahmen genau beschriebener Behandlungsabläufe, z.B. im Darmzentrum, wenig dazu geeignet ist, alte und an Demenz erkrankte Patienten zu behandeln, die ja häufig an Multimorbidität leiden. Auch die straffen Organisationsabläufe und komplexen Behandlungsstrategien sind auf Patienten zugeschnitten, die in der Lage sind, sich den besonderen Gegebenheiten eines Krankenhausaufenthaltes anzupassen und durch möglichst aktive Mitarbeit einen störungsfreien Behandlungsverlauf mitzugestalten. Alte und multimorbide Patienten, Patienten mit psychischen oder kognitiven Begleiterkrankungen und insbesondere Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können häufig diese Anpassungsleistungen nicht mehr erbringen. Auch die räumliche Gestaltung und die oftmals unruhige und laute Atmosphäre im Krankenhaus kommen dem Bedürfnis von Menschen mit Demenz nach Ruhe, Ordnung und Vertrautheit nicht entgegen. Orientierungsstörungen werden dadurch eher verstärkt. Ärzte und Pflegekräfte fühlen sich häufig mit der Behandlung und Pflege dieser Patienten überfordert, weil ihnen das nötige Wissen über die Erkrankung und eine personenzentrierte Versorgung fehlt. Schließlich stellen die allgemeine Arbeitsverdichtung und die fehlenden personellen Ressourcen Barrieren für eine stärkere Ausrichtung der Kliniken auf Menschen mit Demenz dar.

Identifikation von Menschen mit Demenz

Eine generelle Einschätzung der Kognition oder Orientierung ist bei Krankenhauspatienten bisher nicht üblich. Daher geraten Menschen mit Einschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten erst dann in den Blick, wenn ihre Versorgung z.B. durch Verhaltensauffälligkeiten im Behandlungsverlauf erschwert wird. Vor allem Menschen in der frühen Phase der Demenz, die in ihrer gewohnten Umgebung noch ohne Probleme selbstständig leben können, werden durch die verwirrende neue Krankenhausumgebung und fremde Routinen plötzlich so sehr beeinträchtigt, dass sie sich nicht mehr zurecht finden. Eine frühzeitige Einschätzung der kognitiven Fähigkeiten wäre daher schon bei Aufnahme wichtig. Denn dadurch könnten die Patienten identifiziert werden, die ein hohes Risiko haben, während des Krankenhausaufenthaltes eine Verschlechterung ihrer kognitiven oder funktionalen Fähigkeiten zu erleiden oder ein Delir zu entwickeln. Ohne eine Einschätzung der kognitiven Einschränkungen ist auch die Auswahl geeigneter Behandlungsmöglichkeiten erschwert.

Ansätze zu Verbesserung

Auch wenn die Notwendigkeit einer demenzspezifischen Versorgung im Akutkrankenhaus offenkundig ist, gibt es zurzeit wenige Kliniken in Deutschland, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Das liegt unter anderem daran, dass in somatisch ausgerichteten Kliniken psychische Begleiterkrankungen keinen hohen Stellenwert haben, demenzspezifische Versorgungskonzepte bei den Behandelnden weitgehend unbekannt sind und ein personalintensiver Mehraufwand in der Regel nicht vergütet wird. Bisher sind daher vor allem im Rahmen von z.T. finanziell geförderten und wissenschaftlich begleiteten Modellprojekten Ansätze einer angemessenen demenzspezifischen Versorgung in Akutkrankenhäusern erprobt worden. So setzt das Projekt „Doppelt hilft besser bei Demenz" im Krankenhaus Lübbecke zum Beispiel auf die Einbeziehung der Angehörigen durch die Möglichkeit des Rooming-in. Angebote wie das Café Memory am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum oder die Tagesbetreuung im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke (Projekt Blickwechsel) haben vor allem zum Ziel, den Menschen mit Demenz eine Beschäftigung und Tagesstrukturierung zu ermöglichen. Beratende und unterstützende Strukturen für Patienten und Personal werden beispielsweise durch einen Gerontopsychiatrischen Konsiliar- und Liaisondienst (Klinikum Kaufbeuren) aufgebaut. Im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), Standort Witten, hat im Sommer 2011 ein Projekt zur empirischen Analyse unterschiedlicher Konzepte zur Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit Demenz im Krankenhaus begonnen. Von dieser Studie und von den Erfahrungen der o.g. Projekte werden wichtige Hinweise darauf erwartet, welche Interventionen geeignet sind, um die Behandlung und Pflege von Menschen mit Demenz zu verbessern. Schon jetzt zeigt sich, dass die Sensibilisierung und Schulung von Mitarbeitern, das frühzeitige Erkennen einer kognitiven Einschränkung bei älteren Patienten, die Einbeziehung von Angehörigen und Ehrenamtlichen, der Erhalt und die Förderung bestehender Ressourcen, sowie eine auf die Belange orientierungsgestörter Menschen angepasste räumliche Gestaltung einzelner Krankenhausbereiche die Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus verbessern können. Die Umsetzung solcher Verbesserungen muss das Anliegen sämtlicher beteiligter Berufsgruppen sein und vom Krankenhausmanagement gewollt und ermöglicht werden. Das schließt aber auch die Notwendigkeit einer angemessenen Finanzierung sämtlicher Aufwendungen ein, damit diese besonders vulnerable Patientengruppe im Krankenhaus zukünftig adäquat behandelt wird.

 

Kontakt

Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) ----

Holbeinstraße 13-15
31755 Bonn

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