Gesundheitsökonomie

Systemisches Management und Management-Qualität im Gesundheitswesen

Dr. Christoph Emminger, Marburger Bund Bayern

27.01.2011 -

Systemisches Management: Wer als Kranker in eine Klinik kommt, ist einem Prozess ausgesetzt, dessen Steuerung in den einzelnen Teams der Klinik vor Ort, in letzter Instanz aber der Krankenhausleitung obliegt: Der Betroffene wird zunächst administrativ in der Aufnahme erfasst, dann wird über medizinisches Personal die Anamnese erhoben, schließlich erfolgen andernorts diagnostische Prozeduren, wie zum Beispiel Laboranalysen und Röntgenaufnahmen. Und so weiter.

Der Patient fühlt sich so einem komplexen, fabrikähnlich organisierten System ausgesetzt, bei dem er die mangelnde Schnittstelleneffizienz der einzelnen Bereiche durch Informationslücken und Prozesslücken mit Wartezeiten erkennt. Diese Defizite des Informations- und Handlungsflusses zeigen auch Patientenbefragungen. Die Schwachstellen sind auch den Klinikmitarbeitern und den Klinikleitungen bekannt.

Ausgangsfrage

Für die Führung eines Krankenhauses stellt sich auf jeder Organisationsebene, auf der Station, auf der Ebene von Abteilungen und auf der Leitungsebene der Gesamtklinik die Frage, welches Managementkonzept verwendet wird: ein entscheidungsorientiertes, ein strategisches, usw.

Ein besonders interessantes Konzept ist jenes des „Systemischen Managements“, das auf Zusammenhangsdenken, das Verhältnis von Teil und Ganzem ausgerichtet ist. Es ist auch, insofern es auf der Analyse der Organisation biologischer Systeme beruht, ein Ansatz, der den Betrieb nicht als Maschine, sondern als Lebewesen auffasst. Wenige Kliniken arbeiten bisher ausdrücklich nach diesem Konzept. Es ist allerdings im Bereich der Psychologie bereits untersucht worden, insofern die kognitiven Fähigkeiten, komplexe dynamische Systeme zu durchschauen, empirisch belegt, äußerst begrenzt sind. Auch der Bereich der Informationstechnik im Krankenhaus zeigt solche Probleme die die Optimierung der medizinischen Prozesse beeinträchtigen.

Systemisches Management

Dr. Martin Pfiffner vom Malik Management Center St. Gallen und Zürich ist auf dieses Management- Konzept spezialisiert und stellte es auf einer Fachtagung in München vor. Diese so genannte St. Galler Schule, die auf Fredmund Malik zurückgeht, orientiert sich in ihren Empfehlungen zur organisatorischen Gestaltung von Leitungsstrukturen in Betrieben an der funktionellen Organisation von höher entwickelten Organismen. In diesem Sinne spricht man auch vom „bionisch-systemischen Management“. Das St. Galler Konzept beruht auf wissenschaftlichen Analysen, insbesondere im Bereich der theoretischen Managementkybernetik und auf der jahrzehntelangen Beratungstätigkeit des Zentrums. Pfiffner definiert Management als die Transformation von Wissen in Nutzen. Merkmale wie die Komplexität, Dynamik und die zirkuläre Kausalität würden heutzutage das Wirtschaftsleben charakterisieren.

Daher ist das Denken in linearen Kausalketten unpassend. Auch ist, so sagt Pfiffner, das Verständnis, dass Geld als Ziel unternehmerischer Tätigkeit sei, falsch. Denn Geld biete nur den Rahmen. Ein Unternehmen muss lebensfähig sein und wird von den Kunden getragen. Dies muss berücksichtigt werden. Viele Probleme der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftswelt seien auf die klassische einseitige Sicht zurück zu führen. Unternehmen haben nun die Aufgabe, Komplexität zu reduzieren, aber auch die Eigenkomplexität zu heben, um Komplexität aktiv zu bewältigen. Komplexität als Problem der Führung und Leitung von Betrieben führt auch dazu, dass man heute häufig das Komplexitätsmanagement in den Mittelpunkt von Leitungsaufgaben stellt. Das klassische Managementkonzept, so Pfiffner, würde nur die Aufbauorganisation oder Ablauforganisation erfassen, währenddem das systemische Management die Integration dieser beiden Darstellungen des Betriebs anstrebt. Für das systemische Management sind Begriffe wie Operieren, Koordinieren, Optimieren mit Aufklären (z. B. Monitoring und Auditing), Strategien erstellen und Werte setzen von zentraler Bedeutung. Diese fünf Funktionen sind in den verschiedenen Ebenen betrieblicher Strukturen zu realisieren (Abb. 1). Es geht um eine effiziente Verteilung zentraler und dezentraler Kompetenz, was immer wieder ein Gestaltungsproblem für betriebliche Funktionsstrukturen bedeutet. Die Gestaltungsempfehlungen des systemischen Managements richten sich an der funktionellen Gliederung des zentralen Nervensystems aus. Dabei wird betont, dass Betriebe modulär strukturiert sind, insofern operative Einheiten wie Arbeitsgruppen oder Abteilungen, Einzelbetriebe bzw. Divisionen, Konzerne diese funktionellen Strukturmerkmale aufweisen.

Diese Ordnungsprinzipien sind auch für die Analyse von Betrieben, wie man sie vorfindet, und auch für die betriebliche Reorganisation von Nutzen. Sie können auch als Gestaltungsprinzipien verwendet werden. Die St. Galler Schule geht davon aus, dass es sich unabhängig vom Betrieb um universell gültige Prinzipien handelt.

Einschätzungen im System

Wie wird das Systemische Management von Akteuren der Gesundheitswirtschaft gesehen? Eugen Münch, Aufsichtsratvorsitzender, Rhön-Klinikum AG, vertritt die These, dass wenn die Prinzipien des systemischen Managements richtig funktionierten, es sich dabei um eine Organisation der Subsidiarität in Reinkultur handeln würde, die den subjektiven eigenen Erfolg konsequent suchen und vor das große Ganze stellen würde. Bei einer derartig gestalteten und geführten Klinik sind, so Münch, sehr konsequente Regelwerke für übergeordnete Interessen nötig, die durchaus funktionieren können, aber mit heute vorhandenen Strukturen – wie Krankenhausplanung etc. – nichts zu tun haben, da das Modell ausschließlich auf maximale Funktionalität auf der jeweils untersten Ebene abzielt. Ein solches Konstrukt in eine von Besitzstandsdenken getragene Kliniklandschaft zu implantierten, hält Münch zwar für wünschenswert, glaubt aber nicht, dass dies in einer überschaubaren Zeit ohne extreme Verwerfungen möglich ist. Er ist davon überzeugt, dass diejenigen, die glauben, in dem Konzept so etwas wie eine schöne basisdemokratische Form der Selbstverwirklichung sehen zu können, sich sehr irren. Das Konzept beschreibt härtesten Existenzwettbewerb auf allen Ebenen und es wäre umso effizienter, je mehr die Patienten und Versicherten die Chancen des Wettbewerbs nutzen.

Dr. Christoph Emminger, Marburger Bund Bayern, beurteilt das systemische Management als Betriebsratsvorsitzender eines Klinkkonzerns für 7000 Mitarbeiter. Er sieht das Problem vorwiegend in der Gestaltung von Kommunikation liegen. Man verfügt über zu wenig gemeinsame Zeichenvorräte und rede aneinander vorbei. Gerade in dieser Funktion habe er erkannt, wie wichtig die Arzt-Patienten- Kommunikation sei und zu wie viel Missverständnissen und Störungen sie führen könne. Leider werde diese Kompetenz Medizinern zu wenig beigebracht und außerdem belaste die Durchrationalisierung des Klinikbetriebs zunehmend die Arzt- Patient-Beziehung. Auf die Frage, wie Mitarbeiter stärker für das Gesamtwohl des Betriebes motiviert werden könnten – eine Möglichkeit sind Betriebsergebnis- gekoppelte Gehälter für Ärzte – wies er kritisch im Sinne des systemischen Konzepts auf die Vernetzung ärztlicher Leistungsfähigkeit mit der personellen Ausstattung im Pflegebereich hin: Bei eingespartem Pflegepersonal könnten beispielsweise nicht soviel Operationen gemacht werden.

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