Gesundheitsökonomie

Vertragsarztrecht-Änderungsgesetz liberalisiert ärztliches Berufsrecht

12.02.2012 -

Vertragsarztrecht-Änderungsgesetz liberalisiert ärztliches Berufsrecht. Im Deutschen Gesundheitswesen befinden sich der ambulante sowie der stationäre Sektor der Patientenbehandlung bereits seit Jahren in einer Umbruchphase. Knappe finanzielle Mittel und daraus resultierende enge Budgetvorgaben zwingen förmlich zum Strukturwandel.

Vor diesem Hintergrund ist man gesundheitspolitisch durch zahlreiche Gesetze bestrebt, eine gerechtere monetäre Verteilung der Mittel für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu erreichen. Gleichzeitig müssen aber gemäß dem Sozialgesetzbuch (SGB) V die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt sein. Erreicht werden kann diese Zielsetzung nur, wenn ein sektorenübergreifendes medizinisches Behandlungskonzept von allen Leistungserbringern genutzt wird. In diesem Sinne wird gesundheitspolitisch eine starke Vernetzung der einzelnen Versorgungssektoren u.a. im Hinblick auf die bestehenden Schnittstellen-Probleme gefördert. „Schaut man hier über die Grenzen hinweg und betrachtet beispielsweise die USA, dann kann man erkennen, dass dort Arztnetze bereits zu mehr als 50 % an einer integrierten und somit vernetzten Patientenversorgung eingebunden sind“, erklärt Tanja Koenen, Dipl.-Oek./Medizin (FH), Köln.

Das Ziel: vernetzte Behandlungsmodelle fördern

Um eine vernetzte „schnittstellenarme“ Patientenversorgung zu etablieren, werden u.a. durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 2004 (GMG) die Institute des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) und der Integrierten Versorgung (sektorenübergreifend, interdisziplinär) gem. §§ 140d SGB V gefördert. Ziel ist es, vernetzte Behandlungsmodelle (wie die Integrierte Versorgung gem. § 140 a ff. SGB V und das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) gem. § 95 SGB V) einzuführen und zu fördern. Auch die Reformierung der Vergütung von Krankenhausleistungen mittels DRG-System ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Dieses System sieht für jeden stationären Behandlungsfall einen prospektiv vereinbarten, krankheitsbezogenen Festpreis als Entgelt für die Klinik vor. Infolge der eher degressiven Vergütung von Krankenhausleistungen sind die Kliniken gezwungen, unter verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einen verstärkten Wettbewerb untereinander einzutreten.

Krankenhäuser orientieren sich im Hinblick auf ihre notwendige Standortsicherung auch dahingehend, dass sie MVZ gründen, um so an der ambulanten Patienten-Versorgung teilnehmen zu können. Es bleibt abzuwarten, wie sich an dieser Stelle noch die Öffnung der Spezial-Ambulanzen (gem. § 116b SGB V) auswirken wird, die seit dem 01.04.2007 auf Antrag genutzt werden kann. Seit dem 1. Januar 2004 steht die Integrierte Versorgung in modifizierter Form neben dem traditionellen System als sog. vernetzende, behandlungsschnittstellen-reduzierende Versorgungsform zur Verfügung. Sie wurde vom Gesetzgeber mit einer Fokussierung auf Qualitätsverbesserung und Kostenreduzierung eingeführt und soll vor allem die Schnittstellenprobleme der bisher sektorenbetonten Versorgung auflösen (Abb.). Dabei soll nicht nur die sektorenübergreifende, sondern auch eine Vernetzung der interdisziplinären Behandlungsformen verstärkt genutzt werden: Dabei sind auch die bestehenden Disease-Management- Programme (DMP) als Formen der schnittstellenreduzierten Behandlungskonzepte zu betrachten.

Patientenpfade und Dokumentationssysteme

Neben der Tatsache, dass in Krankenhäusern in zunehmendem Maße Patienten-Behandlungspfade genutzt werden, ist gleichfalls zu beobachten, dass sich diese gemeinsam von allen einbezogenen, erarbeiteten, interdisziplinären und sektorenübergreifenden Behandlungspfade in der Praxis bewähren können. Beispielhaft sei das Herzinsuffizienz-Programm CORBENE der 141 BKKen in NRW genannt: Vom Hausarzt, dem Kardiologen, dem Krankenhaus bis hin zur Reha-Klinik richten alle Beteiligten ihren Behandlungsansatz nach einem gemeinsamen Behandlungskonzept. Dies schließt ebenfalls ein standardisiertes Dokumentationssystem ein.

Nicht ein standardisiertes, sondern auch ein von allen Beteiligten immer nutzbares Patienten-Dokumentationssystem reduziert die Schnittstellen und erhöht den Behandlungskomfort der Leistungserbringer sowie für den Patienten. Das am 1. Januar 2007 neu in Kraft getretene Vertragsarztrechts- Änderungsgesetz (VÄndG) wird die Landschaft an neuen vernetzten und schnittstellenreduzierten Behandlungssystemen erweitern: Vertragsärzte können sich standortübergreifend, fachgleich und interdisziplinär zusammenschließen. Wie sich diese neue Form der vertragsärztlichen Zusammenarbeit in den kommenden Monaten entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

In Anbetracht der bestehenden gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Landschaft der Leistungsanbieter im ambulanten Bereich hierdurch merklich verändern wird. Das VändG liberalisiert damit das ärztliche Berufsrecht und ermöglicht Veränderungen der Versorgungslandschaft. Entsprechendes gilt für die MVZ und den § 116b SGB V für Krankenhäuser. Ergänzend bleibt abzuwarten, wie sich die Einbeziehung des Pflegesektors (SGB XI) in die Integrierte Versorgung auswirken wird. Somit sind gesundheitspolitisch die Weichen gestellt, eine Verbesserung der Schnittstellen zwischen den einzelnen Versorgungssektoren herbeizuführen.

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