Zukunftsfähige Krankenhausversorgung
16.07.2019 -
„Die Bertelsmann-Studie fordert letztlich eine Zerschlagung der bisherigen Versorgungsstrukturen und schürt damit Ängste in der Bevölkerung. Dabei stehen zweifelhafte Annahmen im Vordergrund und nicht die tatsächliche Versorgungsrealität. Die notwendige Anpassung der Versorgungsstrukturen wird dadurch behindert“, kritisiert der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Detlef Piepenburg. Die Studie sehe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser als Verfügungsmasse, die wie Spielfiguren beliebig versetzt werden könnten. Sie blende die Bedürfnisse der Menschen in den Städten und den ländlichen Regionen aus und ignoriere schlicht die Realität der Versorgung. „Das ist bestenfalls ein theoretisches Planspiel ohne Bezug zur Versorgungswirklichkeit“, ergänzt Piepenburg.
„Die Tatsache, dass es Konzentrationen im Kliniksektor braucht und auch gibt ist alles andere als neu. Der Strukturwandel in der baden-württembergischen Krankenhauslandschaft ist seit vielen Jahren voll im Gange“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende, der gleichzeitig Landrat des Kreises Heilbronn ist. Baden-Württemberg habe in Deutschland schon jetzt die geringste Bettendichte je 100.000 Einwohner und die Diskussionen um weitere Optimierungen der Versorgungstruktur würden an vielen Stellen im Land in großer Verantwortung der Akteure geführt. Aktuell beispielsweise im Ortenaukreis, im Zollernalbkreis, in Künzelsau, in Lörrach und in Bad Säckingen. „Wichtig ist dabei, dass in einer älter werdenden Gesellschaft die flächendeckende Versorgung gewährleistet bleibt und die Menschen mitgenommen werden“, so Piepenburg.
„Wer schon mal ein Krankenhaus geschlossen hat, weiß, was das für die Bevölkerung bedeutet“, so Piepenburg weiter. Da gehe es darum, die Versorgung der Menschen, ihr Sicherheitsgefühl und viele Emotionen ernst zu nehmen und nach tragfähigen, qualitätsorientierten Lösungen zu suchen.
Die Annahmen, die der Bertelsmann-Studie zu Grunde liegen, seien allerdings zweifelhaft. So sei die Behauptung, dass die Versorgung immer besser werde, je größer ein Krankenhaus ist, nicht richtig.
Unrealistisch sei es auch anzunehmen, dass sich die Pflegekräfte und Ärzte einfach beliebig versetzen ließen. Ganz ausgeblendet werde, dass der ambulante Sektor gar nicht in der Ausprägung vorhanden ist, was Voraussetzung für einen solchen Wandel wäre. „Ein großer Mangel der Studie ist, dass das Thema der Kosten einer derartigen Umstellung schlicht ausblendet wird. Diese könnten sich bundesweit leicht auf 100 Mrd. Euro summieren“, betont der Vorstandsvorsitzende.
„Wichtig ist es, zu einer sachlichen Diskussion des Strukturwandels zurückzukehren“, so Piepenburg. Hierzu könnte die Studie einen Beitrag leisten, wenn Sie vollständig wahrgenommen würde.
„Allerdings sprechen die o. a. betriebswirtschaftlichen Erwägungen nicht nur dafür, Mindestgrößen von Krankenhausstandorten im Planungsprozess zu berücksichtigen, sondern auch dafür, keine Maximierung von Krankenhausgrößen anzustreben (negative Skaleneffekte). Sofern ein entsprechend breites und spezialisiertes Angebot qualitativ hochwertig auch mit geringeren Krankenhausgrößen sichergestellt werden kann, legen ökonomische, stadtplanerische und sicherheitspolitische Argumente (Stichworte: Redundanz und Ausfallsicherheit, z. B. wenn Abteilungen aufgrund von Keimbesiedlung oder Stromausfall temporär geschlossen werden müssen) nahe, die Versorgung optimal zu dezentralisieren und deren Kapazitäten auf mehrere Standorte in räumlicher Nähe aufzuteilen. Auch kartellrechtliche Gründe und ein ggf. erwünschter Wettbewerb zwischen Krankenhäusern innerhalb eines regionalen Marktes sprechen für eine solche Dezentralisierung.“