Antibiotika-Verbrauch in Kliniken
17.04.2012 -
Der Antibiotika-Verbrauch in Kliniken soll künftig überwacht und bewertet werden. Doch eine aussagefähige Beurteilung wird für die Kliniken schwierig werden.
Im Infektionsschutzgesetz-Änderungsgesetz (IfSGÄndG-2011) wurden dem IfSG-2001 Vorschriften über personelle und organisatorische Strukturen sowie konkrete Surveillance-Prozesse hinzugefügt, um den Schutz der Patienten vor Infektionen und multiresistenten Erregern (MRE) zu erhöhen.
Seit 2001 müssen bestimmte nosokomiale Infektionen und MRE überwacht werden. Nun wurde die Vorschrift im IfSGÄndG-2011 auf die Surveillance des Antibiotika-Verbrauchs und dessen Bewertung erweitert, weil anerkanntermaßen der Einsatz von Antibiotika die globale Ausbreitung von MRE maßgeblich beeinflusst. Um den Antibiotika-Einsatz zu verbessern, wurde mit der Kommission für Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) eine weitere Expertenkommission beim Robert Koch-Institut (RKI) eingesetzt, die aber derzeit offenbar noch nicht existiert.
Eine aussagefähige Beurteilung - unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation, wie es im Gesetz heißt - wird für die Kliniken ohnehin schwierig sein. Denn nicht nur die Antibiotika-Exposition der Patienten vor der stationären Aufnahme wirkt in der Klinik weiter, z.B. mit der Folge, dass eine Harnwegsinfektion mit einem ESBL-Bildner behandelt werden muss, den der Patient aber schon in seiner Körperflora mitbrachte.
Hinzu kommt, dass zahlreiche dieser Stämme nur noch mit Monobactamen behandelt werden können. Das bedeutet bei einer Harnwegsinfektion, dass ein Breitspektrum-Antibiotika parenteral verabreicht werden muss - und das wegen eines Erregers, mit dem der Patient in die Klinik kam, und wegen einer Infektion, die normalerweise oral behandelt wird.
Wir haben angesichts der globalen Resistenzproblematik und nicht zuletzt infolge der intensiven Reisetätigkeit immer mehr Chancen, mit MRE außerhalb von Kliniken (oder ärztlicher Behandlung überhaupt) in Kontakt zu kommen, d.h. wir können besiedelt sein, ohne dass wir es wissen. Wir wissen nicht, wie häufig das ist, und wir wissen nicht, wie man Patienten, die mit MRE besiedelt sind, mit einfachen Mitteln, aber auch mit hinreichender Sicherheit rechtzeitig entdecken kann - beispielsweise, um den Befund als nosokomial oder nicht nosokomial bewerten zu können. Aber wir wissen, dass wir damit rechnen müssen, dass mit MRE besiedelte Patienten in die Behandlung kommen.
Wir wissen außerdem, dass die Antibiotika-Gabe an Nutztiere zu Mastzwecken verboten ist. Wir wissen aber auch, dass in der Massentierhaltung wegen der großen Enge dennoch Antibiotika breit eingesetzt werden, weil sonst ein Tier das nächste infizieren würde - sagen jedenfalls die Veterinärmediziner. Es bekommen also sehr viele Tiere Antibiotika, die gar keine bakterielle Infektion haben. Beim Menschen gibt es für prophylaktische Antibiotika-Gaben nur einige wenige anerkannte Indikationen. Der Mensch hat mindestens mit den Tierprodukten Kontakt und damit potentiell auch mit all den MRE, die wir nun schon seit Jahren aus dem humanmedizinischen Bereich kennen.
All diese Antibiotika-Anwendungen haben potentiell Einfluss auf die Körperflora der Patienten, die irgendwann in eine Klinik müssen. Es ist zu befürchten, dass selbst Kliniken, die sich redlich bemühen werden, keine wirkliche Klarheit darüber bekommen werden, ob sie nun mit ihrem Antibiotika-Einsatz die MRE-Rate durch Selektion erhöht haben - mit dem Resultat, dass der Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika höher ist als erwünscht. Wie sollen bei all diesen Einflüssen die Kliniken unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation eine sachgerechte Bewertung ihres Umgangs mit Antibiotika vornehmen?
Es ist richtig, dass der Umgang mit Antibiotika verbessert werden muss, weil sie zu häufig nicht nach rationalen Grundsätzen eingesetzt werden. Deshalb brauchen wir dafür auch entsprechende Fachleute. Klinische Infektiologen gibt es in Deutschland kaum. Nach der Empfehlung der Krinko sollen Krankenhaushygieniker auch Erfahrung im Umgang mit Antibiotika haben. Sie müssten dazu aber auch klinisch tätig gewesen sein, denn ohne eigene Erfahrung können Kliniker nun einmal nicht beraten werden.
Solche Krankenhaushygieniker sind in Deutschland aber sehr rar. Hier meint man, dass der optimale Krankenhaushygieniker einer sei, der den Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin hat, aber auch der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sei geeignet. Nur: Keiner der beiden Fachärzte ist eine Garantie dafür, dass klinische Erfahrung vorhanden ist, denn beide Weiterbildungen haben gemeinsam, dass man währenddessen hauptsächlich am Labortisch sitzt, aber nicht am Patientenbett steht (das erforderliche klinische Jahr wird häufig anders absolviert).
Wir brauchen viel mehr Krankenhaushygieniker in Deutschland, jedoch müssen es die richtigen Personen sein: Solche, die einen Bezug zur klinischen Praxis derer haben, die sie bei der Infektionsprävention und bei der Antibiotika-Anwendung beraten sollen (das gilt gleichermaßen für die Mitarbeiter der Überwachungsbehörden, die die Erfüllung der neuen Vorschrift kontrollieren müssen).
Wir brauchen also Krankenhaushygieniker, die einen normalen Kontakt mit ihren klinischen Kollegen bei der täglichen Arbeit haben und nicht nur dann kommen, wenn etwas falsch zu laufen scheint, und ansonsten die Hygienekommission als ihr wichtigstes Aktionsforum betrachten.
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