Automatisierte Kontrolle und Protokollierung medizinischer Handhygiene
06.08.2012 -
In den letzten Jahrzehnten hat die umfangreiche Verwendung von Antibiotika sowie der verstärkte Einsatz von invasiven Instrumenten zu einem unvorhergesehenen Problem geführt: der Ausbreitung von nosokomialen Infektionen (Hospital Acquired Infections - HAI). In diesem Zusammenhang spielt auch die Handdesinfektion eine besondere Rolle.
HAI mindert die Lebensqualität von Patienten und belastet das Gesundheitssystem durch höheren Behandlungsaufwand. Gleichzeitig trägt es zur steigenden Resistenz von Krankheitserregern gegenüber Antibiotika bei.Tatsächlich sind nosokomiale Infektionen die vierthäufigste Todesursache in USA und Statistiken zeigen ähnlich erschreckende Werte für den Rest der Welt. Eine der Hauptquellen von HAI ist die unzureichende Handdesinfektion des medizinischen Personals. Studien zeigen, dass mindestens 30% dieser Infektionen durch vergleichsweise einfache Mittel und mit geringem Aufwand vermeidbar wären.
Im Forschungsprojekt „Stery-Hand" wurde ein innovativer Ansatz entwickelt, mit dem die Qualität der Handdesinfektion automatisch und objektiv bewertet werden kann. Ein zentrales Entwicklungsziel war es, eine Methodik zu finden, die ohne wesentliche Veränderungen im bestehenden Ablauf der Handdesinfektion auskommt.
Objektivierte Handdesinfektion
Das Händewaschen erfolgt hierbei mit flüssiger Seife, die ein ungiftiges und hautverträgliches UV-reflektierendes Pulver enthält. Unter UV-Beleuchtung leuchten jene Flächen, die längeren Kontakt mit der präparierten Seife hatten, also besser desinfiziert wurden, stärker als jene mit kürzerem Kontakt. In einer UV Box werden Bilder von den Händen gemacht und automatisch ausgewertet. Das Ergebnis der Bildverarbeitung ist ein quantitativer Wert in Form des Verhältnisses der hellen Flächen zur Gesamtfläche der Hand, das weltweit erste objektivierte Maß für die Handdesinfektion.
Der mobile Aufbau, „Stery-Hand" genannt, besteht aus einer Metallbox mit integrierter UV-Beleuchtung, einer Digitalkamera sowie einem Notebook. Die Größe der Box wurde so gewählt, dass zwei Hände gleichzeitig analysiert werden können, und auch noch genügend Platz für zukünftige Erweiterungen bleibt.
In der Box befinden sich vier 22 Watt starke UV-Lampen, die so angeordnet sind, dass eine gleichmäßige Ausleuchtung gegeben ist. Die mattschwarze Lackierung minimiert den Einfall von Störlicht. Damit der optimale Fokuspunkt der Kamera genutzt werden kann, legt der Benutzer seine Hände auf eine gekennzeichnete Fläche auf der Bodenplatte der Box. Die Positionierfläche ist auf mattschwarzes Einwegpapier gedruckt, wodurch die Box gleichzeitig vor Feuchtigkeit durch Schweißbildung aufgrund der UV-Strahlung geschützt wird.
Das digitale Bild der Hand wird automatisch segmentiert und ein Verhältnis von sauberen (hellen) Oberflächen zur gesamten Hautoberfläche gebildet. Dadurch ergibt sich ein objektiver Wert, der mit der Qualität der Handdesinfektion korreliert.
Komplexe Bildanalyse
Um eine akzeptable Geschwindigkeit der Bildverarbeitung zu gewährleisten, werden die RGB-Aufnahmen auf 400 x 300 Pixel reduziert. Obwohl die Kamera drei Intensitätskanäle für Rot, Grün und Blau aufnimmt werden nur die Informationen des grünen Kanals verwendet, da dieser Kanal die besten Ergebnisse liefert.
Um die Region of Interest (ROI) für die Pixel-Klassifizierung zu bestimmen, muss zuerst der Hintergrund aus dem Bild entfernt werden. Dazu wird zunächst zwei Mal ein Medianfilter mit einer 7 x 7 Maske angewendet, um das hochfrequente Rauschen zu beseitigen. Anschließend wird eine morphologische Operation angewendet, um den Bildgradienten zu bestimmen. Dieser wird mehrfach auf das gefilterte Bild angewandt, um ein synthetisches Bild zu generieren. Mittels Region Growing wird die Form der Hand unter Hinzunahme des synthetischen Bildes extrahiert.
Zur Trennung von sauberen und schmutzigen Regionen kommt ein modifizierter Fuzzy C-Means Algorithmus zum Einsatz, mit dem die Daten aus dem Histogramm des Einkanalbildes sehr schnell geclustert werden können. Während der Entwicklungsphase wurde anhand von 86 Bildern mit unterschiedlich gut desinfizierten Händen, eine durchschnittliche Erfolgsrate von 85% für die Segmentierung und 81% für das Clustering ermittelt.
In vorklinischen Versuchen wurde "Stery-Hand" an über 5.500 Probanden in medizinischen Universitäten, in Krankenhäusern in Ungarn, in Rumänien und in Singapur getestet. Dem System wird das Potenzial zum Durchbruch in der Hand-Hygienekontrolle zugesprochen.
„Stery-Hand" ist ein gefördertes Forschungsprojekt im Kompetenzzentrum „Austrian Center for Medical Innovation and Technology", kurz ACMIT, und wird gemeinsam mit der Universität für Technologie und Wirtschaft Budapest durchgeführt. Es wurde in mehreren wissenschaftlichen Publikationen vorgestellt.