Desinfektion hat viele Facetten
29.11.2018 -
Krankenhaushygiene spielt eine zunehmend bedeutende Rolle im Gesundheitswesen und vor allem in den Krankenhäusern.
Desinfektion macht einen wesentlichen Teil der antiseptischen Arbeitsweise aus. Laut dem Deutschen Arzneibuch (DAB) bedeutet Desinfektion: „totes oder lebendes Material in einen Zustand versetzen, dass es nicht mehr infizieren kann“. Ziel ist die Reduzierung der Anzahl krankmachender Keime bis von dem Gegenstand keine Infektionsgefahr mehr ausgehen kann.
Zur Desinfektion können chemische oder physikalische Verfahren eingesetzt werden. Es gibt verschiedene Listen mit geprüften Desinfektionsmitteln und -verfahren, in denen diese nach verschiedenen Einsatzbereichen aufgeführt sind: Händedesinfektion, Hautantiseptik, Flächendesinfektion, Instrumentendesinfektion, Wäschedesinfektion, Raumdesinfektion und Desinfektion von Abfällen. Bei der Desinfektion können Keimzahlreduktionen von 3 bis 5 lg-Stufen nicht immer erreicht werden, so z.B. nicht bei der Händedesinfektion. Die Definition der Sterilität nach DIN EN 556 kann realistisch natürlich nicht überprüft werden. Daher behilft man sich auch hier mit einer Keimzahlreduktion, wobei diese deutlich über 6 lg-Stufen liegen soll. Technisch unterscheidet man zwischen Desinfektion und Sterilisation. Von Desinfektion spricht man bei einer Keimreduktion in einem bestimmten Testverfahren mit bestimmten Prüfkörpern um einen Faktor von mindestens 10−5, das heißt, dass von ursprünglich 1.000.000 vermehrungsfähigen Keimen (koloniebildende Einheiten - „KbE“) nicht mehr als 10 überleben. Hier ein Rechenbeispiel zum besseren Verständnis (Ausgangslage: 1.000.000 Keime): nach optimaler Reinigung = 10.000 Keime; nach optimaler Desinfektion = 10 Keime; nach optimaler Sterilisation = 0 Keime.
Welche Verfahren sind wichtig?
Grundsätzlich gilt für die Desinfektion: Physikalische Verfahren sind gegenüber chemischen zu bevorzugen, weil sie sicherer wirken. Dies gilt zumindest für Temperatur-basierte Verfahren: Pasteurisieren, Heißwasser (rein thermisch), Chemothermik (Hitze und chem. Desinfektionsmittel) und Dampfdesinfektion. Zu den physikalischen Verfahren zählt auch die UV-Desinfektion. Diese wird für Wasser eingesetzt und in den USA derzeit auch wieder für Luft-Desinfektion, die in Deutschland als nicht sicher wirksam gilt. Die UV-Desinfektion ist weniger zuverlässig als die thermischen Verfahren. Bei der Desinfektion der Hände unterscheidet man zwischen der „hygienischen“ und der „chirurgischen“ Händedesinfektion.
Produkte zur Desinfektion
Alle Stoffe, die als Oxidationsmittel Sauerstoff abspalten, sind bakterizid und wirken sowohl gegen behüllte wie auch unbehüllte Viren. Gegen Pilze, Sporen und Tuberkuloseerreger sind sie nur teilweise und in begrenztem Umfang effektiv. Gewohnheitsmäßige Anwendung von Desinfektionsmitteln zur Reinigung der Hände im Haushalt kann neben die Gesundheit bedrohenden Keimen gleichzeitig die Hautflora zerstören, die gegen Dermatosen schützt. Verwendet man stattdessen nur Seife, so wirken die enthaltenen Tenside weniger desinfizierend (mikrobiozid), als dass sie die Wasserlöslichkeit von Verschmutzungen erhöhen. Seife entfernt eher den zuletzt von außen eingetragenen Schmutz als die dauerhaft vorhandene und wichtige Hautflora. Angemessene Haut- oder Händedesinfektion in der Medizin schädigt die Hautflora dagegen nicht nachhaltig. Nur eine relativ geringe Zahl der Hautflora-Mikroben wird vernichtet. Die lokal dezimierte Hautflora regeneriert sich bald. Die Kombination von übermäßigem Waschen mit Seife vor der Händedesinfektion und der Desinfektion selbst kann die Hautflora jedoch nachhaltig schädigen, da ein großer Teil der Hautflora im fettartigen Talg der Haarfollikel (Haarbalg) siedelt. Vor tensidfreien oder tensidarmen Desinfektionsmittel sind diese Mikroben geschützt, die Desinfektion zerstört nur von den Haaren weiter entfernte Mikroben. Diese werden in den folgenden Stunden oder Tagen durch Ausbreitung der in den Haarfollikeln gebildeten Keime ersetzt. Übermäßiges Waschen der Hände mit Seife löst dagegen den schützenden Talg. Eine anschließende Händedesinfektion zerstört dann auch die Keime im Haarfollikel, aus denen sich die umliegende Hautflora sonst regenerieren würde. Doch Vorsicht und Sorgfalt sind angesagt: Wenn Desinfektionsmittel und Reinigungsmittel (Seifen) miteinander gemischt werden, können sie miteinander reagieren und die Desinfektionswirkung aufheben. Man nennt dies den Seifen-Fehler. Daher dürfen sie nur gemischt werden, wenn dies von den Herstellern ausdrücklich bestätigt ist. Allgemein geht man aber davon aus, dass Desinfektionsmittel auch eine reinigende Wirkung - zumindest bei der Flächendesinfektion - haben und daher ein Zumischen von Reinigungsmitteln nicht erforderlich ist. Wenn Blut und Eiweiß in Desinfektionsmittel eingebracht werden, kann das gleiche passieren. Man nennt dies den Eiweiß-Fehler. Daher müssen Desinfektionsmittel mindestens bei sichtbarer Verschmutzung häufig gewechselt werden. Außerdem können Desinfektionsmittel aggressiv sein und Hautschäden hervorrufen: Bis auf Alkohol sollten beim Umgang daher immer Handschuhe getragen werden. Zusätzlich können sie korrosiv an Instrumenten wirken, so dass diese Rost ansetzen. Bei Desinfektionsmitteln muss immer auf die Konzentration und Einwirkzeit geachtet werden. Beide gehören zusammen. Wenn die Konzentration niedrig sein soll (wenig Geruchsbelästigung), muss die Einwirkzeit lang sein. Wenn die Desinfektion schnell erfolgen soll, muss die Konzentration erhöht werden. Hersteller geben immer zusammenhängende Konzentrations-Einwirkzeit-Beziehungen auf den Produkten an. Für die komplette Viruzidie sind Sauerstoffabspalter oder Aldehyde erforderlich. In Deutschland mussten bisher Haut- und Händedesinfektionsmittel als Arzneimittel eingestuft sein. Von der EU wird inzwischen nur noch die Biozid-Einstufung für Händedesinfektionsmittel vorgegeben, so dass wahrscheinlich künftig viel mehr Präparate auf den deutschen Markt kommen werden, die dann nicht Arzneimittel sein müssen. Bei der Flächendesinfektion nutzt man im allgemeinen die Konzentration, die einer Einwirkzeit von einer Stunde entspricht. Dabei ist in der täglichen Routine das Betreten der desinfizierten Fläche nach Abtrocknen möglich (vorher Rutschgefahr), also vor dem Ende der Einwirkzeit. Man geht dann von einer Remanenzwirkung aus. Bei der Instrumentendesinfektion wird heute die maschinelle der manuellen vorgezogen. Die maschinelle Aufbereitung erfolgt im Reinigungs-Desinfektions-Gerät (RDG).
Allerdings gibt es auch heute noch Medizinprodukte, die sehr schwierig zu desinfizieren sind. Dazu zählen flexible Endoskope, Da-Vinci-Instrumente, TEE-Sonden, intrakavitäre Ultraschallsonden, HNO-Behandlungseinheiten, aber auch scheinbar „einfache“ Gegenstände wie Blutdruckmessgeräte, Betten, Rollstühle, Rollatoren oder Kinderwagen in Kinderkliniken.