Entsorgung von infektiösem Krankenhausabfall: Recycling als Lösungsansatz
01.02.2011 -
Die Entsorgung von infektiösem Material (Abfallschlüssel AVV 18 01 03) ist für Krankenhäuser logistisch aufwendig, teuer und mit Risiken für das Personal verbunden. Neuere Konzepte setzen auf die Abfallbehandlung am Ort der Entstehung in Verbindung mit der Wiederverwertung von recyclingfähigem Material.
Ein vielversprechendes Beispiel ist das Logmed +Plus+-Verfahren, bei dem kunststoffhaltige Krankenhausabfälle durch Verölung in hochwertige Energieträger überführt werden. Über die Perspektiven und Chancen des Verfahrens haben wir mit Markus Gleis, Dipl.-Ingenieur beim Umweltbundesamt, mit Franz-Peter Heidenreich, Dipl.-Ingenieur bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, und Helmut Göldner vom Unternehmen Logmed Cooperation gesprochen.
Im Krankenhaus ist die Entsorgung von infektiösem Material (Abfallschlüssel AVV 18 01 03) logistisch aufwendig, teuer und mit Risiken für das Personal verbunden. Neuere Konzepte setzen auf die Abfallbehandlung am Ort der Entstehung in Verbindung mit der Wiederverwertung von recyclingfähigem Material.
Ein vielversprechendes Beispiel ist das Logmed +Plus+-Verfahren, bei dem kunststoffhaltige Krankenhausabfälle durch Verölung in hochwertige Energieträger überführt werden. Über die Perspektiven und Chancen des Verfahrens haben wir mit Markus Gleis, Dipl.-Ingenieur beim Umweltbundesamt, mit Franz-Peter Heidenreich, Dipl.-Ingenieur bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, und Helmut Göldner vom Unternehmen Logmed Cooperation gesprochen.
M&K: Auf welchem Stand sehen Sie das Logmed +Plus+-Verfahren zur Erzeugung von synthetischem Öl aus Krankenhausabfällen?
Markus Gleis: Wir können heute sagen, dass die verfahrenstechnischen Rahmenbedingungen anscheinend alle stimmen. Das legen Untersuchungen und Tests der letzten Jahre an einer kleineren Anlage nahe. Der nächste Schritt ist der Nachweis der Wirtschaftlichkeit im halbtechnischen oder technischen Maßstab. An dieser Schwelle sehe ich das Projekt momentan und kann sagen: Ich bin in Bezug auf den Projektverlauf recht optimistisch. Man sollte hier allerdings noch anfügen: Verölungsverfahren sind derzeit nicht als Konkurrenz zu Müllverbrennungsanlagen zu verstehen. Sie bieten eine Nische, die sich auf Materialien konzentriert, für die es im Augenblick noch keine gute Lösung zur Verwertung gibt. Das ist die Chance von Konzepten wie z.B. Logmed +Plus+.
Das Umweltbundesamt hat das Projekt wissenschaftlich begleitet. Warum?
Markus Gleis: Wir suchen nach Wegen, die nachhaltige Nutzung von Rohstoffen in Zukunft auf eine breitere Basis zu stellen. Wenn aus energetischer Sicht nichts dagegen spricht, denken wir dabei auch an den verstärkten Einsatz von Abfällen als ressourcenschonende Sekundärrohstoffe. Bei Metall-, Papier- und Glasabfällen funktioniert das heute schon gut. Mit der Verwertung hochwertiger Kunststoffabfälle tun wir uns momentan noch schwer. Dies gilt auch für krankenhausspezifische Abfälle, wie z. B. Spritzen, Kanülen und Wasserfilter, die so hochwertige Rohstoffe enthalten, dass sie einer Verwertung generell zugeführt werden könnten.
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat das Projekt finanziell unterstützt. Herr Heidenreich, worin bestand die Förderungswürdigkeit des Verfahrens?
Franz-Peter Heidenreich: Wesentliche Aspekte sind die Option auf die Schonung der natürlichen Erdölressourcen und die Vermeidung von CO2-Emissionen aus der Abfallverbrennung. Die Ölproduktion aus krankenhausspezifischen Abfällen erspart aus energetischer Sicht die aufwendige Exploration, die Aufbereitung und den Transport der gleichen Menge Rohöl. Beim Logoil-Verfahren ergibt sich bezogen auf das Eingangsgewicht der desinfizierten Abfälle eine Ausbeute von 70% Syntheseöl. Dieses ist stofflich definiert, gut speicherfähig und weist einen hohen Heizwert auf. In unserem Haus wurde das Projekt dem DBU-Förderbereich Klimaschutz und Energie zugeordnet.
Wäre die breite Umsetzung mit einem ökologischen, z. B. klimarelevanten, Nutzen verbunden?
Franz-Peter Heidenreich: Lassen Sie mich die Frage mit einigen statistischen Daten beantworten. Wir halten in Deutschland ca. 700.000 Krankenhausbetten vor. Bei einer Bettenauslastung von 75% und einem durchschnittlichen Abfall-aufkommen von 1,5 kg pro Bett und Tag ergibt sich ein Krankenhausabfall-aufkommen von 286.800 t pro Jahr. Davon sind 60% hochwertige Kunststofffraktionen, die zu etwa 80% verölungsfähig sind. Aus den Kunststoffabfällen könnten somit rechnerisch 123.900 t Syntheseöl zur Verminderung des Verbrauchs fossiler Energieträger produziert werden. Nur noch rund 11% des gesamten Krankenhausabfalls müssten über die Müllverbrennung thermisch behandelt werden. Daraus folgt eine theoretische Kunststoffverwertungsmenge für das geplante Verölungsverfahren von 255.100 t (88,9%). Diese Abfallmenge hat im Falle der Verbrennung in MVA ein CO2-Äquivalent von 918.400 t, um das die Erdatmosphäre jährlich entlastet werden könnte. Eine funktionierende Technologie zur Verölung von Kunststoffen könnte darüber hinaus dem gesamten Kunststoffabfall-Recycling neue Möglichkeiten eröffnen.
Helmut Göldner: Ich würde hier gerne noch eine weitere Perspektive einbringen. Auch das Krankenhaus hat durch das Logmed +Plus+-Verfahren Vorteile, etwa in den Bereichen Logistik und Hygiene. Denn: In großen Krankenhausbereichen kann auf die Sortierung der infektiösen Abfälle verzichtet werden. Dies gilt im OP, auf Station, in der Ambulanz, im Labor. Hier sind die Ärzte, Labormitarbeiter und das Pflegepersonal als Letzte mit dem gebrauchten Sterilgut in Kontakt. Weil die von uns zur Verfügung gestellten Sammelbehälter nach der Befüllung fest verschlossen transportiert werden, sinkt beim Personal das Risiko für Stich- und Schnittverletzungen. Das ist aus unserer Sicht ein wesentlicher Zusatznutzen, da diese im Gesundheitsdienst die häufigste Ursache für Berufskrankheiten darstellen.Von infektiösem Krankenhausabfall zu Mineralöl:
Das steckt hinter dem Logmed +Plus+-Verfahren
Im Krankenhaus anfallende Sterilgüter werden nach der Sammlung in speziellen Behältern in einer Logmed-Anlage für die Verwertung vorbereitet. Hier wird der infektiöse Abfall mitsamt dem Behälter zerkleinert, desinfiziert und dehydriert. Es entsteht ein trockenes, rieselfähiges und biologisch unschädliches Material, das etwa ein Fünftel des Ausgangsvolumens hat und theoretisch mit dem Hausmüll entsorgt werden kann. Für die Verwertung wird in diesem Material zunächst der interessierende Kunststoffanteil - vor allem Polyolefine (Polyethylen und Polypropylen) sowie Polycarbonate - von Störstoffen wie Glas, Metall und Keramik getrennt. Durch die anschließende Verölung lassen sich bis zu 80 % des zerkleinerten und desinfizierten Kunststoffabfalls in verwertbare organische Produkte überführen, d. h. in hoch- und mittelwertige Leichtöle sowie in Nebenprodukte wie Paraffin, Schweröl und Naphta.
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