Hygienemanagement im Rettungsdienst
09.09.2015 -
Infektionserreger sind unsichtbare Gefahren, die mit Hilfe eines adaptierten Hygienemanagements als Risiko für Patienten gering gehalten werden müssen. Der Effekt einer lebensrettenden Sofortmaßnahme ist eindeutig messbar – der Patient überlebt oder eben nicht.
Effekte von Hygienemaßnahmen lassen sich nicht so eindeutig nachvollziehen. Sie müssen als Teil der medizinischen Versorgung akzeptiert und kontinuierlich umgesetzt werden.
Die Bedeutung, Infektionsprävention mit in den Fokus von medizinischer Versorgung zu stellen, steigt vor allem aufgrund der aktuellen Herausforderung, die durch voranschreitende Antibiotikaresistenzen und damit eingeschränkte Therapieoptionen im Gesundheitswesen begründet ist. Parallel dazu birgt der medizinische Fortschritt einschließlich durchführbarer invasiver Diagnose-und Behandlungsverfahren mehr Infektionsrisiken, die sich nicht mehr ohne weiteres mit Medikamenten korrigieren lassen, sondern allein deren Vermeidung zählt.
Notfallversorgung ohne Folgerisiken
Aufgabe des Rettungsdienstes ist es, Patienten aus Gefahren zu bergen, welche noch wenige Augenblicke zuvor nicht einmal erahnt werden konnten. Entsprechend geprägt sind die Einsatzszenarien in Notfallsituationen. Diese bieten häufig keine idealen Voraussetzungen für die Umsetzung von Infektionshygiene. Maßnahmen sind so organisiert, dass stets von einer extremen Schutzbedürftigkeit des Patienten ausgegangen wird und sämtliche vermeidbaren Risiken von ihm ferngehalten werden sollen.
Insbesondere basishygienische Maßnahmen haben im Rettungsdienst enormes Potential zur Infektionsverhütung. Denn während der Patient im Krankenhaus mit Berücksichtigung seines Krankheitsbildes versorgt und therapiert bzw. gegebenenfalls sogar isoliert werden kann, liegen in der Notfallrettung meistens keine Informationen oder Befunde zu möglichen Infektionen vor.
Jeder Patient gilt als potentiell infektiös
Mit dieser Annahme und Ungewissheit über den tatsächlichen Status ist die Kontinuität und Routine von Standardhygienemaßnahmen der wichtigste Faktor. Damit werden zusätzliche Risiken für den Patienten gering gehalten, vor allem aber auch der Eigenschutz des Personals ermöglicht.
Der Rettungsdienst muss die medizinische Versorgung nicht nur an unbekannten Einsatzorten unter vorherrschenden Witterungsbedingungen realisieren, sondern dabei auch auf verschiedenstes Patientenklientel reagieren. Dabei werden im Hygienemanagement Unterschiede insbesondere gegenüber stationären Schnittstellen deutlich. Dies führt häufig zu Diskussionen bis hin zur Kritik, da sich das Hygienemanagement beider Leistungsbereiche voneinander unterscheidet. Maßnahmen des Rettungsdienstes werden teilweise als überzogen wahrgenommen, umgekehrt vom Einsatzpersonal eine Nachlässigkeit stationärer Settings im Hinblick auf die Vermeidung nosokomialer Infektionen empfunden.
Rettungsdienst handelt hygienisch effektiv
Geprägt sind die Entscheidungen vom Ziel der schnellstmöglichen Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft des Rettungswagens und deren Besatzung nach Patientenübergabe. Dazu gehört neben der Durchführung der Händedesinfektion und der Aufbereitung von Flächen im Rettungswagen (RTW) auch die Aufrechterhaltung der Schutzfunktion der Einsatzkleidung für Personal und Patienten sowie der damit zusammenhängende Ausschluss von Kontaminationsgefahren mittels zu ergänzender Barrieren (PSA – Persönliche Schutzausrüstung nach TRBA 250). Dabei handelt der Rettungsdienst hinsichtlich hygienischer Aspekte äußerst effektiv. Es wird nicht nur Mitarbeiterschutz und Schutz des zu behandelnden Patienten im aktuellen Einsatzes sichergestellt, sondern bereits in Voraussicht auf den noch unbekannten Folgepatienten gehandelt.
Während geringe Erregerkonzentrationen im medizinischen Umfeld für ein intaktes Immunsystem i. d. R. ungefährlich sind, kann dieses Abwehrvermögen durch veränderte körperliche Bedingungen bei Notfallpatienten eingeschränkt sein. Entsprechend dieser kritischen Ausgangssituation gelten diese Erkrankten als besonders schutzbedürftig. Infektionserreger, die im Normalfall kein Risiko darstellen, können für den Immunschwachen ein zusätzliches, teilweise lebensbedrohliches, Risiko darstellen. Die Desinfektion von Flächen im Rettungswagen muss daher nicht nur aufgrund einer tatsächlichen bzw. sichtbaren vorangegangenen Kontamination durchgeführt, sondern immer, um eine potentielle Infektion beim nächsten Patienten zu vermeiden.
Der Mensch glaubt nur das, was er sieht
Infektionsrisiken sind üblicherweise unsichtbar. Die Bedeutung von Hygienemaßnahmen muss – in Abhängigkeit der lebensrettenden Maßnahme, die stets Vorrang hat – als Teil der medizinischen Maßnahme selbst kommuniziert und begriffen werden. Denn häufig wird notwendige Infektionsprävention so dargestellt, als sei diese von den Versorgungsmaßnahmen zu separieren. Damit wird Hygiene als Zusatzaufwand wahrgenommen und die Umsetzung mit Angabe von Zeit- und Personalmangel lückenhaft.
Lücken und Gefahren müssen erkannt und sichtbar gemacht werden, so dass darauf reagiert werden kann. Gezielte Kommunikation relevanter Gefahren sensibilisiert für mehr Verständnis der Risikosituation und verdeutlicht die Verantwortung und dringende Akzeptanz für notwendige Hygienemaßnahmen.