Hygiene

Infektionen verhindern mit Biomaterialien aus Spinnenseide

31.08.2020 -

Neue, an der Universität Bayreuth entwickelte Biomaterialien beseitigen Infektionsrisiken und fördern Heilungsprozesse.

Einem Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Scheibel ist es gelungen, diese für die Biomedizin hochrelevanten Materialeigenschaften zu kombinieren. Die nanostrukturierten Materialien basieren auf Spinnenseide. Sie verhindern die Ansiedlung von Bakterien und Pilzen, aber unterstützen gleichzeitig proaktiv die Regeneration von menschlichem Gewebe. Daher eignen sie sich hervorragend für Implantate, Wundverbände, Prothesen, Kontaktlinsen und andere Hilfsmittel des Alltags. In der Zeitschrift „Materials Today“ stellen die Wissenschaftler ihre Innovation vor.

Es ist ein weithin unterschätztes Infektionsrisiko: Mikroben setzen sich auf den Oberflächen von Gegenständen fest, die für medizinische Therapien oder für die Lebensqualität im Alltag unentbehrlich sind. Allmählich bilden sie einen dichten, oftmals unsichtbaren Biofilm, der sich auch durch Reinigungsmittel nicht ohne Weiteres entfernen lässt und meist sogar resistent gegen Antibiotika und Antimykotika ist. So können Bakterien und Pilze leicht in das angrenzende Gewebe des Organismus eindringen. Dann stören sie nicht nur Heilungsprozesse, sondern können sogar lebensgefährliche Infektionen hervorrufen.

Mikrobenabweisende Funktion

Mit einem neuartigen Forschungsansatz haben Wissenschaftler der Universität Bayreuth jetzt eine Lösung für dieses Problem gefunden. Aus biotechnologisch hergestellten Proteinen der Spinnenseide haben sie ein Material entwickelt, das krankheitserregende Mikroben darin hindert, sich an den Oberflächen anzulagern. Sogar multiresistente Streptokokken (MRSA) haben keine Chance, sich auf der Oberfläche des Materials einzunisten. Biofilme auf medizinischen Instrumenten, Sportgeräten, Kontaktlinsen, Prothesen und weiteren Alltagsgegenständen gehören dadurch der Vergangenheit an.
Gleichzeitig aber sind die Materialien so beschaffen, dass sie die Anhaftung und Vermehrung menschlicher Zellen auf ihren Oberflächen fördern. Werden sie beispielsweise für Wundabdeckungen, Hautersatz oder Implantate verwendet, unterstützen sie proaktiv die Regeneration von beschädigtem oder fehlendem Gewebe. Im Unterschied zu anderen Materialien, die bislang zur Wiederherstellung von Gewebe eingesetzt werden, ist das Infektionsrisiko von vornherein gebannt. Mikrobiell-resistente Beschichtungen in einer Vielzahl biomedizinischer und technischer Anwendungen rücken damit in greifbare Nähe.
Die Bayreuther Forscher haben die mikrobenabweisende Funktion bisher an zwei Arten von Spinnenseidenmaterialien erfolgreich getestet: an Folien und Beschichtungen, die nur wenige Nanometer dick sind, und an Hydrogelen mit der Struktur eines dreidimensionalen Netzwerks. Dieses kann als Gerüst für neu wachsendes Gewebe verwendet werden. „Unsere bisherigen Untersuchungen haben zu einer Erkenntnis geführt, die für künftige Forschungsarbeiten wegweisend ist: Die mikrobenabweisenden Eigenschaften der von uns entwickelten Biomaterialien basieren nicht auf toxischen, also nicht auf zelltötenden Wirkungen. Entscheidend sind vielmehr Strukturen im Nanometerbereich, welche die Spinnenseidenoberflächen mikrobenabweisend machen. Krankheitserregern ist es dadurch unmöglich, sich auf diesen Oberflächen festzusetzen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Scheibel, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Biomaterialien innehat.

Material fördert die Wundheilung

„Faszinierend an diesen Forschungsergebnissen ist auch, dass sich die Natur wieder einmal als ideales Vorbild für extrem anspruchsvolle Materialkonzepte erwiesen hat. Natürliche Spinnenseide ist hochgradig resistent gegen den mikrobiellen Befall, und die Reproduktion dieser Eigenschaften auf biotechnologischem Weg sehe ich als bahnbrechend“, sagt Prof. Dr.-Ing. Gregor Lang, einer der beiden Erstautoren und Leiter der Forschungsgruppe Biopolymerverarbeitung an der Universität Bayreuth.
In den Bayreuther Laboratorien wurden Spinnenseidenproteine gezielt mit unterschiedlichen Nanostrukturen ausgestattet, um die biomedizinisch relevanten Eigenschaften anwendungsbezogen zu optimieren. Dabei bewährten sich erneut die vernetzten Forschungsstrukturen auf dem Bayreuther Campus. Zusammen mit dem Bayerischen Polymerinstitut (BPI) waren drei weitere interdisziplinäre Forschungseinrichtungen der Universität Bayreuth an diesem Forschungserfolg beteiligt: das Bayreuther Materialzentrum (BayMAT), das Bayreuther Zentrum für Kolloide und Grenzflächen (BZKG) sowie das Bayreuther Zentrum für Molekulare Biowissenschaften (BZKG).

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