Hygiene

Krankenhaushygiene: Markus Küpper über Situation und Strategie

02.04.2011 -

Krankenhaushygiene: Markus Küpper über Situation und Strategie. Im März dieses Jahres startete die bundesweite konzertierte Aktion des Berufsverbandes der deutschen Chirurgen, der deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene und des Berufsverbandes deutscher Hygieniker. Ziel ist es, die alarmierende Situation von jährlich 800.000 erworbenen Krankenhausinfektionen, von denen ca. 20.000 tödlich verlaufen, aktiv und ergebnisorientiert zu bekämpfen.

Als Geschäftsführer der Firma Opal Service GmbH, einem bundesweit agierenden Hygieneberatungsunternehmen mit Niederlassungen in acht Bundesländern teile ich die Erkenntnis, die dieser Aktion zu Grunde liegt:

„Die wichtigsten Hygienemaßnahmen werden nicht in das Bewusstsein aller Klinikmitarbeiter transportiert. Es wird zu viel Zeit und Energie in angebliche Ergebnisqualitätsstudien und Hightecmethoden gesteckt anstatt die Prozesse in den Kliniken zu analysieren, um sie den tatsächlichen Erfordernissen anzupassen.“

Wissen um Hygiene wird nicht gelebt

Das bedeutet, man ist in der Fachwelt der Hygieneexpertise unter sich geblieben. Es ist nicht gelungen, die wichtigsten Erkenntnisse von empirischen Untersuchungen, welche zweifelsfrei vorhanden sind, an den Klinikmitarbeiter so weiterzugeben, dass dessen Wissen in Verhalten umgesetzt wird.

Der Ansatz der konzertierten Aktion, jetzt die Energie in Form von Aktionen zum Patientenschutz viel stärker an den Entstehungsort von Infektionen zu verlagern, ist sinnvoll: Es werden mehr Menschen erreicht, denen in Form gelungener Illustrationen die Problematik vor Augen geführt wird. Ich denke, dass diese Aktion eine Bereicherung für die Öffentlichkeitsarbeit der Krankenhaushygiene ist, jedoch die Ursache der Krankenhausinfektionen nicht dauerhaft bekämpft.

Ein Irrglaube wäre es, anzunehmen, dass in Kliniken nicht bekannt ist, dass 90 % der Krankenhausinfektionen über die Hände des Klinikpersonals übertragen werden und die wichtigste Maßnahme zu deren Vermeidung die korrekt durchgeführte Händedesinfektion ist. Täglich geben sehr gut ausgebildete Hygienefachkräfte mit Unterstützungsmaßnahmen der Industrie diese Erkenntnisse an Klinikmitarbeiter weiter.

Alleingelassen

Das Wissen um die Basics der Krankenhaushygiene ist vorhanden, wird aber praktisch nicht flächendeckend umgesetzt. Das korrekte Verhalten bleibt im Klinikalltag auf der Strecke. Die Erfahrung einer Tagesveranstaltung zu hygienerelevanten Themen zeigt, dass diese Aktionen dankend und interessiert angenommen werden, aber die Halbwertzeit dieses neu erworbenen Wissens ist nicht von langer Dauer und wird nicht gelebt. Die engagierten Mitarbeiter kehren zurück zu ihrem Boulevard of broken dreams.

Meiner Überzeugung nach ist die Ursache des beschriebenen Dilemmas ein Managementproblem; denn die Umsetzung von Vermeidungsstrategien ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben im mittleren Management der Krankenhäuser. Um nachhaltig die Hygiene zu verbessern, muss aus meiner Sicht die Hygieneorganisation im Klinikalltag verändert werden:

Krankenschwestern, die zu Fachkrankenschwestern der Hygiene ausgebildet werden, stehen oft nach erfolgreichem Abschluss alleingelassen vor riesigen Aufgabenpaketen. Diese müssen sie ohne Praxiserfahrung und praktische Anleitungssituation bewerkstelligen. Ohne Weisungsbefugnis und von den Tarifverträgenvergessen, kämpfen sie teilweise heroisch gegen Uneinsichtigkeit, Desinteresse und viele andere Interessenslagen.

Präsenz in den Abteilungen

Um dauerhaft diesen Konfliktsituationen standhalten zu können, flüchten viele in der Hygiene Beschäftigte in Bürotätigkeiten, erfinden Hygienepläne neu oder konzentrieren sich auf fachspezifische Themen, wo sie enormes Wissen anhäufen.

Die eigentliche Aufgabe der Hygienefachkraft wird so oft vernachlässigt: Management by Walk around. Regelmäßig sollte die Hygienefachkraft präsent in den Abteilungen sein und mit geschultem Blick riskante Situationen erkennen und mit Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit die Mitarbeiter für das Thema Hygiene gewinnen.

Ziele erkennen und überprüfen

Die von uns beratenden Krankenhäuser haben erkannt, dass Hygiene eine Managementaufgabe ist. Es gilt der Grundsatz: Für Hygiene ist jeder an seinem Arbeitsplatz verantwortlich. Bei unseren Kunden werden mit der Geschäftsleitung Projektpläne mit messbaren Nachhaltigkeitszielen erstellt, die periodisch überprüft werden. Gleichzeitig bilden wir in allen Bereichen Hygieneansprechpartner aus, die für das Thema sensibilisiert werden und sich an ihrem Arbeitsplatz für die Einhaltung der festgelegten Standards verantwortlich fühlen.

Hygienebegehungen finden regelmäßig statt; Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln werden umgehend mit der Klinikleitung verabschiedet. Büroarbeiten sind auf ein Minimum reduziert, um die Zeit des Hygieneexperten für Begehungen, mikrobiologische Kontrollen, Schulungen und Veranstaltungen zu nutzen.

Die Mitarbeiter treffen sich monatlich zum Erfahrungsaustausch, um ihr Fachwissen regelmäßig zu aktualisieren.

Ich bin überzeugt, dass das Problem der Nosokomialen Infektionen beherrschbar ist. Das Thema darf nicht personifiziert werden, sondern muss eine breitere Verantwortlichkeit im Krankenhaus erfahren.

Hygienefachkräfte sollten aufgrund ihrer exponierten Stellung mehr Befugnisse erhalten und stärker in die Krankenhausleitung eingebunden sein. Alternativ können externe Unternehmen die Beratung vornehmen, die den Nachweis einer Qualitätssicherung erbringen. Dabei ist eine Mindestzahl an Beratungstagen festzulegen, damit die spezifische Krankenhauskenntnis gegeben ist.

Von rein kommerziell orientierten „Telehygienikern“ ist abzuraten, da diese Form der Beratung sich lediglich auf verlinkte Aussagen der RKI-Richtlinie beschränken.

Gute Hygiene braucht Wissen

Die Gesundheitsbehörden sollten mit dem Wildwuchs der in der Beratung tätigen Unternehmen aufräumen. Es ist sicherzustellen, dass diese Personen über eine Fachausbildung zur Fachkrankenschwester für Krankenhaushygiene verfügen. Arzthelferinnen, Schädlingsbekämpfer, Hygienebeauftragte, Industriemitarbeiter etc. sind nicht befähigt.

Ich begrüße die Aktivitäten der Fachverbände, sich für das Thema öffentlichkeitswirksam zu engagieren. Ich hoffe, die Aktion erbringt den Beweis, dass wir in der Hygieneberatung nicht mehr Häuptlinge sondern mehr Indianer benötigen; denn zunächst ist die Basis der Infektionsvermeidung zu schaffen, und hygienisches Verhalten muss gelebte Praxis werden.

Die Menge von ca. 20.000 Todesfällen spricht für sich.

Im Vergleich zu den 7.000 Verkehrstoten müsste das gesellschaftliche Interesse zur konsequenten Einhaltung der Hygienemaßnahmen viel größer werden. Aktuell betreiben wir im Krankenhaus nur „allgemeine Verkehrserziehung“ und stellen unterschiedliche Verkehrszeichen auf. Im Vergleich zur Straßenverkehrsbehörde ist die Gesundheitsbehörde recht lasch, denn bisher werden keine Bußgelder bei wiederholtem Fehlverhalten ausgestellt.

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