Medizinische Handschuhe: Auf den Umgang kommt es an
09.01.2012 -
Bei medizinischen Handschuhen unterscheidet man zwischen zwei Arten: den sterilen Handschuhen vor invasiven Eingriffen, die dem Schutz des Patienten vor Infektionen dienen, sowie den unsterilen Untersuchungs- und Pflegehandschuhen, die vor allem den Anwender vor dem Kontakt mit infektiösem Material oder Gefahrstoffen schützen sollen. Bei Hauterkrankungen des Personals verhindern sie, dass von den stärker keimbelasteten Händen eine Übertragung auf Umgebung oder Patienten erfolgt.
Die Anforderungen an medizinische Handschuhe sind entsprechend ihrer Funktionen hoch. Sie müssen reißfest, für Flüssigkeiten und Chemikalien undurchlässig sein, sollen sich exakt an die Anatomie der Hand anpassen und eine hohe Elastizität aufweisen. In der Idealvorstellung sollten sie weder das Tastgefühl noch den Hautzustand des Anwenders beeinträchtigen. Leider ist festzustellen, dass es einen solchen, universell einsetzbaren Handschuh nicht gibt.
Die Schutzfunktion und damit der mögliche Anwendungsbereich medizinischer Handschuhe ist von verschiedenen Faktoren abhängig: vom Handschuhmaterial, vom abzuwehrenden Stoff, von der jeweiligen Tätigkeit des Anwenders, d. h. der physikalischen Beanspruchung und von der Tragedauer.
Einige Vorschriften, Regeln und Normen
Aufgrund des direkten Kontaktes medizinischer Handschuhe mit dem Patienten gelten die Vorgaben des Medizinproduktegesetzes (MPG). Nach § 4 MPG ist nur der „risikoarme" Einsatz von Medizinprodukten erlaubt. Zudem gelten die Unfallverhütungsvorschriften (hier: „Allgemeine Vorschriften" und „Persönliche Schutzausrüstungen", jeweils nach VBG 1) und Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA 250, Schutzmaßnahmen). Grundsätzlich muss jeder Mitarbeiter den eigenen Anforderungen genügende Schutzhandschuhe zur Verfügung gestellt bekommen und diese wie gefordert anwenden.
Hersteller medizinische Schutzhandschuhe halten sich zudem u. a. an verschiedene DIN-Normen zu materialspezifischen Qualitätsanforderungen: DIN-EN 455-1, 455-2, 455-3. Diese betreffen die Dichtigkeit, die nach AQL (acceptable quality level) mindestens den Wert 1,5 erreichen muss, die physikalischen Eigenschaften mit Anforderungen an Mindestmaße, Größe und Reißfestigkeit bei neuwertigen Handschuhen und die Biokompatibilität: hier wird auf Allergene (Latex-Proteine) in medizinischen Einmalhandschuhen Bezug genommen. Nach den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 450) dürfen Latexhandschuhe keinen Puder mehr enthalten. Durch die Puderstäube wurden Latexproteine in die Luft transportiert und führten bei empfindlichen Beschäftigten zur Sensibilisierung gegen Latex (Naturkautschuk).
Viren und Bakterien können Latex durchdringen
Ergebnisse von Untersuchungen zur Durchlässigkeit von Viren bei unbenutzten Latex-Handschuhen haben gezeigt, dass folgende Erreger auch Latex durchdringen können:
Bakteriophage PsiX174 Ø 27 nm,
Poliovirus Typ 1 Ø 24-30 nm,
Adenovirus Typ 2 Ø 70-80 nm,
Vacciniavirus Elstree Ø 250 nm.
Elektronenmikroskopisch wurden Kanäle von 5 µm Durchmesser nachgewiesen. Zudem ist schon ein geringer Anteil von etwa 1 % der ungenutzten Handschuhe perforiert (Mikroläsionen). Bei benutzen Handschuhen steigt die Menge an Perforationen je nach Tragedauer und Anzahl der ausgeübten Tätigkeiten. Die Folgerung lautet: Auch makroskopisch dichte Handschuhe können durchlässig für Viren und Bakterien sein. Deshalb ist die Händedesinfektion auch nach dem Tragen von medizinischen Handschuhen zwingend notwendig.
Materialeignung medizinischer Handschuhe
Wichtig für den sicheren Schutz durch medizinische Handschuhe ist deren Auswahl nach ihrer Eignung zum Einsatz bei unterschiedlichen Anforderungen. Naturlatex (NL) und Kunststoffe haben andere Materialeignung als synthetischer Latex (SL). Einen Überblick hierzu bieten Tabellen 1 und 2.
Wann verlieren Handschuhe ihre Schutzfunktion?
Die Materialeigenschaften medizinischer Handschuhe bis hin zu ihrer Schutzfunktion können durch den Einfluss vielfältiger Faktoren verloren gehen oder zumindest stark beeinträchtigt werden. Dies ist z. B. der Fall
- bei Tätigkeiten mit Desinfektionsmitteln. Hierbei sind chemikaliengeprüfte Schutzhandschuhe (nach DIN-EN 374) zu verwenden;
- wenn die Handschuhe bewusst desinfiziert werden, um einen Handschuhwechsel zu umgehen. Aus hygienischer Sicht wird das Wechseln von Handschuhen zwischen verschiedenen Patienten gefordert. Vonseiten der Krinko wird im zahnärztlichen Bereich in ausgesuchten nur ganz seltenen Situationen eine Abweichung hiervon eingeräumt (siehe Beitrag zu „Hygieneanforderungen zur Infektionsprävention in der Zahnheilkunde" in dieser Ausgabe);
- wenn die Desinfizierbarkeit und Dichte für einen bestimmten Handschuh reproduzierbar geprüft wurde;
- wenn die Hände noch feucht sind vom Händedesinfektionsmittel. Dann kann das alkoholische Präparat nicht verdunsten, und es können verbrennungsartige Beschwerden auftreten, die häufig vom Personal als allergische Reaktion missdeutet werden;
- wenn die Handschuhwahl nicht den Anforderungen entspricht. Bei hoher Anforderung an die Reißfestigkeit und Beständigkeit dürfen zum Beispiel keine PVC-Handschuhe verwendet werden;
- wenn die Lagerung fehlerhaft ist. Licht und Wärme lösen Oxidationsprozesse aus und verringern die Reißfestigkeit;
- wenn vor dem Anziehen von Handschuhen (Latex) Hautschutz- oder Pflegepräparate benutzt werden. Fette und Öle können den Handschuh schädigen.
Nur die exakte Beachtung dieser Kriterien kann die effektive Schutzfunktion der Handschuhe erhalten.
Wann und wie sind medizinische Einmalhandschuhe zu verwenden?
Empfohlen wird das Tragen von medizinischen Einmalhandschuhen immer dann, wenn ein Kontakt mit Blut, Sekreten oder kontaminierten Gegenständen wahrscheinlich ist. Auch nach dem Ausziehen der Handschuhe ist eine Händedesinfektion vorzunehmen. Der Handschuhwechsel hat nach jedem Patienten zu erfolgen. Der Handschuhwechsel kann aber auch zwischen verschiedenen Tätigkeiten an einem Patienten erforderlich werden, wenn zum Beispiel nach dem Leeren des Urinbeutels ein Verbandswechsel erfolgen soll.
Grundsätzlich sind während der Blutentnahme Handschuhe zu tragen, um den Kontakt mit Blut zu vermeiden. Bei einer möglichen Kanülenstichverletzung wird das an der Außenwand der Kanüle befindliche Blut vom Handschuh abgestreift, was die Menge des möglicherweise inokulierten Infektionserregers verringert.
Nach TRBA 250 ist das Tragen von Schmuck und künstlichen Fingernägeln in Bereichen, in denen eine hygienische Händedesinfektion erforderlich ist, untersagt. Durch eine erhöhte mechanische Belastung wie durch Uhren, Armbänder oder Ringe und künstliche Fingernägel könnte es zu einer Perforation des Handschuhs kommen. Wechselnde Tätigkeiten sollten nie mit denselben Handschuhen durchgeführt werden, weil sonst eine Keimverschleppung z. B. vom Telefonhörer auf Alarmknöpfe etc. droht.
Da bei operativen Eingriffen die Gefahr von Perforationen der Handschuhe besonders groß ist, empfiehlt sich das Tragen von zwei Paar Handschuhen übereinander. Unterschiedliche Studien haben gezeigt, dass der Schutz vor Kontamination durch das Tragen von zwei Paar Handschuhen übereinander während einer Operation um den Faktor 4 verbessert werden kann. Das doppelte Tragen bietet sowohl für den Chirurgen als auch den Patienten einen besseren Infektionsschutz. Als Ursachen von Perforationen wurden bei untersuchten Handschuhen gefunden: Perforationen durch eine Hohlnadel, durch Schnitt, durch Nähen/Nähnadel und Riss durch Materialfehler.
Fazit: Nur die richtige Auswahl der Handschuhe zusammen mit der richtigen Anwendung und der Händedesinfektion nach Ausziehen der Handschuhe bietet einen optimierten Schutz für den Patienten und das Personal.
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