Präventionsstrategien gegen multiresistente Acinetobacter baumannii
21.06.2012 -
Aus den Erfahrungen, die man mit einem Acinetobacter-baumannii-Ausbruch auf einer Intensivstation machte, wurden Konsequenzen gezogen, die zu einer erfolgreichen Präventionsstrategie führten.
Folgender Fall trug sich zu: Ein Indexpatient wurde aus einem Krankenhaus zur Weiterbehandlung in eine Hamburger Klinik verlegt. Problemerreger bei ihm waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Der Patient wurde in ein Zwei-Bett-Zimmer der pneumologischen Intensivstation dieser Klinik aufgenommen, und entsprechend dem hier geltenden Hygienemanagement wurde bei der Aufnahme ein Screening auf MRSA und ESBL (Nase/Rachen/Leiste/Wunde) durchgeführt. Der Hautabstrich aus der Leiste ergab dabei überraschenderweise den Nachweis eines hochresistenten Acinetobacter-baumannii (A. b.).
Der Nasenabstrich des Mitpatienten war kurz darauf auch A. b. positiv. Die mikrobiologische Untersuchung weiterer Patienten derselben Station ergab in den folgenden vier Wochen im Bronchialsekret, bei Haut- und Schleimhautabstrichen den Nachweis des Carbapenem-resistenten A. b. Drei Patienten entwickelten eine nosokomiale Pneumonie durch A. b. Damit hatte sich ein erster A. b.-Ausbruch auf dieser Intensivstation entwickelt. Bei vier Patienten wurde eine Kontamination von Haut und Schleimhaut festgestellt. Die Typisierung ergab, dass es sich um einen klonalen Ausbruch mit einem Stamm handelte, der als Worldwide Klon WW2 bezeichnet wird.
Akribische Umgebungsuntersuchungen
Trotz sofort eingeleiteter Barriere-Maßnahmen konnte die Weiterverbreitung nicht kurzfristig eingedämmt werden. Auf der Suche nach den Übertragungswegen stand die Tatsache im Vordergrund, dass wir es bei A. b. mit einem „Feuchtkeim" zu tun haben. Daher wurden alle Übertragungsmöglichkeiten, die mit Feuchtigkeit bzw. Wasser in Zusammenhang gebracht werden konnten, hinterfragt und durch eine mikrobiologische Umgebungsuntersuchung überprüft. Dies betraf Beatmungs- und Befeuchtungsgeräte, Bronchoskope, patientennahe Flächen, Waschbecken und Waschschüsseln sowie Steckbeckenspülen.
Detektivische Fragen
Letztlich konnte der Ausbruchsstamm in einer Waschschüssel und in einem Waschbecken nachgewiesen werden. Hier kann die Ursache für die Übertragung des Erregers liegen.
Zur Dekontamination der Haut wurde analog dem Medilys-Hygienemanagement das MRSA-Dekontaminationsschema, eine desinfizierende Ganzkörperwaschung mit entsprechender Waschlotion oder Einmalhandschuhen „antibakteriell" einmal täglich fünf Tage lang durchgeführt. Die Hautabstriche ergaben jedoch weiter den Nachweis des bekannten A. b.-Stammes. Dabei stellte sich uns die Frage, ob der pH-Wert der Haut Einfluss auf die Wirkung der antibakteriellen Waschlotion haben könnte.
Ständige Präventionsmaßnahmen auf der Intensivstation
Prophylaktisch findet auf der Intensivstation eine Einzelzimmer-Isolierung mit einem Eingangs-Screening (Trachealsekret, Urin, Abstriche: Nase, Rachen, Leiste, Axilla) aller Patienten auf MRSA, ESBL und A. b. statt. Bei diesen Patienten werden bis zum Ergebnis des Screenings sowohl bei direktem Patientenkontakt als auch bei Reinigungstätigkeiten konsequent die festgelegten Hygienemaßnahmen eingehalten: Händedesinfektion, Handschuhe, Kittel, Haube, Mundschutz. Die Isolation dauert bis zum Ausschluss hygienisch bedenklicher Befunde.
Hygienemaßnahmen im Routinebetrieb
Auf dieser Intensivstation werden im Routinebetrieb zur Prävention der Übertragung von Problemerregern folgende Hygienemaßnahmen durchgeführt:
- Screening der Patienten ohne Problemkeim: zweimal pro Woche (Trachealsekret, Nase, Rachen, Leiste, Axilla) auf MRSA, ESBL, A. b.
- Screening der Patienten mit Problemkeim: einmal pro Woche (Trachealsekret, Urin, Nase, Rachen, Leiste, Axilla).
- Nach Möglichkeit versorgt eine Pflegekraft nicht zeitgleich infizierte und nicht-infizierte Patienten.
- Bei Patienten mit Problemkeimen sind Kittel, Haube, Mundschutz und Handschuhe bei direktem Patientenkontakt sowie bei Reinigungstätigkeiten zu tragen.
- Patienten mit A. b.-Besiedelung werden in den ersten fünf Tagen der Behandlung mit Feucht-Einmalwaschlappen plus Desinfektionsmittel gewaschen, danach nur noch mit Einmalwaschlappen ohne Desinfektionsmittel.
- Bei Patienten mit A. b.-Nachweis wird die Bettwäsche täglich gewechselt.
- Die Wäschesäcke werden für die Entsorgung mit einem Plastiksack umhüllt.
- Bei allen invasiv beatmeten Patienten findet eine geschlossene Absaugung statt.
- Bei beatmeten Patienten werden die Beatmungssysteme nicht routinemäßig, sondern nur bei makroskopisch sichtbarer Verschmutzung gewechselt, während die Absaugsysteme einmal pro Woche gewechselt werden (bei makroskopischer Verschmutzung häufiger).
- Die Kontaktflächen werden dreimal pro Tag desinfizierend gereinigt.
Die Mitarbeiter aller Berufsgruppen auf der Intensivstation werden regelhaft zum Thema Händedesinfektion und Übertragungswege von Problemkeimen - nicht nur dem Acinetobacter baumannii - geschult.
Diese Maßnahmen haben sich bis heute bewährt. Obwohl auf dieser Intensivstation immer wieder mit einem A. b.-Stamm kontaminierte oder auch infizierte Patienten aus anderen Kliniken zur Weiterbehandlung übernommen wurden, konnte eine Transmission in den letzten zwei Jahren vermieden werden.
Lessons learned und Empfehlungen:
- Aufmerksamkeit in Bezug auf Problemerreger, d. h. regelmäßiges Screening und prophylaktisch Einzelzimmer-Isolierungen.
- Vermeidung von Feuchtigkeit, da A. b. in diesem Milieu besonders gute Wachstumsbedingungen hat. Wasser in der Körperpflege der Patienten wird deshalb durch Einmalwaschlappen ersetzt und die Reinigungsfrequenz wird für die patientennahen Flächen auf dreimal täglich erhöht.
- Kompetenz im Umgang mit diesem Erreger kann durch Schulung aller Mitarbeiter/innen wie Ärzte, Pflegekräfte, Funktions- und Reinigungspersonal erreicht werden.
Kontakt
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