Tod von Säuglingen löst Debatte um Krankenhaushygiene aus (Teil 2)
Politik fordert bundesweit geltende Regularien
Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit wird immer dann besonders geschärft, wenn es um den Tod von Kindern geht. Eine außerordentlich heftige Reaktion rief der kürzliche Tod dreier Säuglinge im Uniklinikum Mainz hervor. Die Neugeborenen verstarben wahrscheinlich an einer Blutvergiftung, die durch eine verunreinigte Nährlösungsinfusion verursacht wurde (siehe erster Teil: Mainzer Uniklinikum massiv unter Druck). Die Geschehnisse traten eine heftige Debatte über Krankenhaushygiene und politische Verantwortung los. Die Mitarbeiter des Klinikums standen massiv unter Druck, bis sich herausstellte, dass der Auslöser der Ereignisse wahrscheinlich eine defekte Flasche und nicht menschliches Versagen war.
Öffentliche Debatte über Krankenhaushygiene kommt ins Rollen
Am Anfang der Ursachenforschung, als noch nicht geklärt war, wodurch die Kontamination zustande kam, war es nahe liegend, die Sauberkeit im Krankenhaus zu hinterfragen. Mittlerweile weiß man, dass die Gründe für die Verunreinigung nicht bei den unhygienischen Zuständen im Mainzer Uniklinikum zu suchen sind.
Beim Thema Krankenhaushygiene ist es jedoch durchaus zu begrüßen, dass eine Diskussion aufgekommen ist. Die entsprechenden Zahlen und Fakten belegen dies deutlich: 600.000 Menschen jährlich infizieren sich in deutschen Krankenhäusern mit Keimen - 40.000 davon sterben an den Folgen. Angesichts solcher Zahlen hätte die Debatte bereits viel früher beginnen können.
Bund drängt auf bessere Zusammenarbeit der Länder
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler erklärte kurz nach Bekannt werden der drei Todesfälle in Mainz "gemeinsam mit den Länderministerien zusätzliche Regelungen für eine bessere Hygiene erörtern" zu wollen. Zur Sprache bringen wolle er diese neuen Regelungen auf der nächsten Gesundheitsministerkonferenz. Diese Konferenz ist seine einzige Möglichkeit in diesem Bereich zu intervenieren, denn: Verantwortlich für Sauberkeit und Hygiene in deutschen Krankenhäusern sind neben der Krankenhausverwaltung nur die Länder - nicht der Bund.
Da Rösler an dieser Tatsache aus verfassungsrechtlichen Gründen nichts ändern kann, möchte er nun die Länder dazu bewegen, gemeinsam an einer bundesweiten Hygieneverordnung zu arbeiten. Zustimmung findet er dabei nicht nur in den eigenen Reihen bei CDU und FDP. Auch die Deutsche Gesellschaft zur Krankenhaushygiene steht dem Bundesgesundheitsminister zustimmend zur Seite. „Das haben wir auch immer schon gesagt und gesagt, wir brauchen eine bundesweite Hygieneverordnung. Was sollen Länderverordnungen? Föderalismus hat an der Stelle nichts zu suchen, Bakterien kennen keine Grenzen, die interessiert es nicht, ob sie in Schleswig-Holstein oder in Bayern sitzen" argumentiert der offizielle Sprecher Klaus-Dieter Zastrow in einem Interview mit dem deutschlandradio.
Die Grünen gehen sogar noch einen Schritt weiter als CDU und FDP. Neben einer bundesweiten Hygieneregelung fordern sie, dass „ein Hygienebeauftragter in möglichst jedem Klinikum" eingestellt werden solle. Die Beschäftigung eines solchen Hygienebeauftragten soll dabei für jedes Klinikum in Deutschland verpflichtend sein. Einen weiteren Denkanstoß liefert die SPD. Zusätzlich zu den bereits diskutierten Vorschlägen fordert man hier, alle tödlich verlaufenen Klinikinfektionen statistisch zu erfassen.
Sind neue Gesetze tatsächlich sinnvoll?
Die Politik ist also wachgerüttelt und will neue Gesetzesentwürfe zur besseren Kontrolle von Sauberkeit und Hygiene in deutschen Krankenhäusern auf den Weg bringen. Angesichts der Infektionszahlen sicherlich eine lobenswerte Tendenz, doch werden die Gesetze auch Früchte tragen? An manchen Stellen regt sich sogar Widerstand gegen die Pläne der Bundesregierung.
Der Sprecher der Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund, Hans-Jörg Freese, sagte dem Tagesspiegel er sähe „keine Notwendigkeit, jetzt in gesetzgeberischen Aktionismus zu verfallen. Wir haben keinen Mangel an Richtlinien, und kein Keim wird wegen eines bundesweiten Gesetzestextes sein Verhalten ändern."
Andere Statistiken lassen diesen „Aktionismus" dann auch übertrieben wirken. Deutschland hat, verglichen mit allen anderen Industrieländern, die niedrigste Krankenhausinfektionsrate überhaupt. Etwa 3,5% der Patienten infizieren sich im Krankenhaus mit neuen Keimen. Schaut man nochmals auf den Auslöser der Debatte zurück, den Tod der drei Säuglinge in Mainz, stellt man fest, dass auch hier nicht die Hygiene des Krankenhauses, sondern ein Materialfehler ausschlaggebend für die nachfolgenden Ereignisse war.
Doch auch, wenn die Hygiene in deutschen Krankenhäusern im internationalen Vergleich überdurchschnittlich ist, sterben in Deutschland jährlich 40.000 Menschen an den Folgen einer Krankenhausinfektion. Wenn sich diese Zahl zukünftig senken lässt, waren alle Debatten und Gesetzesentwürfe richtig und wichtig.