IT & Kommunikation

Bits und Bytes sicher verwahren und schnell wiederfinden

06.08.2010 -

Röntgenbilder, in Papiertaschen eingehüllt und mit den entsprechenden Patientendaten versehen, bildeten noch vor wenigen Jahrzehnten das Rückgrat vieler Krankenhausarchive. Die moderne Medizintechnik stellt den Ärzten heute umfangreiches Datenmaterial zur Verfügung - und der technische Fortschritt wird die Datenmenge weiter anwachsen lassen. Neben den Bilddaten könnten künftig EKG und Sonografiebilder, um nur zwei Beispiele zu nennen, in digitaler Form archiviert werden. Demgegenüber sind kaufmännische Informationen eine vernachlässigbar geringe Größe bei der Verteilung des Speicherplatzes.

Die EDV-Leiter in den Kliniken müssen sich neben den technischen Problemen weiteren Herausforderungen stellen: Die Anforderungen des Gesetzgebers, des Datenschutzes und Vorgaben anderer Einrichtungen sind nicht leicht unter einen Hut zu bringen. Eine durchgreifende Standardisierung für diesen Teil des Gesundheitswesens ist aktuell nicht in Sicht.

„In Deutschland sind die Rahmenbedingungen nicht nur sehr unterschiedlich. So bringen die Anforderungen des Datenschutzes und die Archivierungsvorgaben der Berufsgenossenschaft (BG) bei Arbeitsunfällen eine zusätzliche Komplexität in das Röntgenarchiv", so der Leiter der Datenverarbeitung der Main-Kinzig-Kliniken, Dipl.-Informatiker Bernd Bischof. Röntgenbilder sind in der Regel nach zehn Jahren zu löschen, die BGs fordern hingegen eine Aufbewahrung von 30 Jahren. Unter dem Aspekt des Datenschutzes gilt hingegen das Gebot der „Datensparsamkeit", wonach so wenig wie möglich und so kurz wie nötig archiviert werden darf.

Für die Mediziner ist - mit wenigen Ausnahmen - nach fünf Jahren die gespeicherte Information kaum noch behandlungsrelevant. Nicht jedoch für die Anwälte im Fall eines Rechtsstreits. Die Archive in den Kliniken sind dann oft eine wichtige Quelle für die Beweisführung aller beteiligten Parteien.

Die rasch fortschreitende EDV-Technik bietet heute große Speicherkapazitäten zu vertretbaren Kosten an. Der Schwachpunkt liegt allerdings in der Langzeitarchivierung und einer ausreichenden Standardisierung. Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) wurde im Jahr 1996 im US-Kongress beschlossen und setzt seitdem Standards für elektronische Patientenakten. Digitale Bildarchivierung (PACS) ist die Basis für die elektronische Bildverteilung im Krankenhaus. DICOM für „Digital Imaging and Communications in Medicine" ist in Europa als formaler Standard akzeptiert (MEDICOM, ENV 12052). Archivierung, Be- und Verarbeitung der Daten erfordern allerdings bei jedem Technologiewechsel aufwendige Konvertierungsprogramme.

Ein Hauptproblem bei der Überführung von Daten: Fehler fallen meistens erst dann auf, wenn der Zugriff auf einen bestimmten Datensatz fehlschlägt. Viele Kliniken haben deshalb hausintern Verfahren und Richtlinien entwickelt, um dieses Risiko zu minimieren. Die individuelle Kontrolle von Listen ist dabei oft unumgänglich. Ein Weiteres wiegt noch schwerer: Die IT-Anbieter präsentieren zwar Lösungen für aktuelle Anwendungen, aber die Gewährleistung endet oft nach wenigen Jahren, entsprechende kostspielige Wartungsverträge vorausgesetzt. Zu wenig für die Klinikarchive, die Röntgenbilder mindestens zehn Jahre aufbewahren müssen. Entsprechend lange Vertragslaufzeiten sind schwer zu realisieren, zumal die eingesetzte Technik sehr schnell altert.

In der IT-Branche sind Fusionen und Übernahmen von Unternehmen an der Tagesordnung, sodass nach wenigen Jahren bereits Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Ersatzteilen auftreten können, vom Softwareup-date ganz abgesehen. Auch die Speichermedien bereiten den IT-Spezialisten in den Kliniken Kopfzerbrechen. Bei den derzeit zur Verfügung stehenden Speichersystemen und Medien (CD, DVD, Magnetband etc.) gilt es Vor- und Nachteile mit Blick auf das Langzeitarchiv und der geforderten 30-Jahre-Frist genau zu prüfen, um das Richtige auszuwählen. Festplatten erlauben zwar schnellen Zugriff und verfügen mittels Redundanzsystemen über ein hohes Maß an Datensicherheit. Sie gelten aber als nicht revisionssicher. Die Anbieter von Archivsystemen haben deshalb für diese Produkte entsprechende Sicherheitsmechanismen entwickelt.

Je nach Konfiguration der EDV-Anlage beträgt der Austauschzyklus für die Hardware zwischen fünf und zehn Jahren. Software wird in der Regel nach ca. 15 Jahren erneuert. Allein diese wiederkehrende Systemumstellung ist für die IT-Spezialisten eine beträchtliche Herausforderung. Erschwert wird die Situation durch Probleme mit wechselnden Dateiformaten. Eine offene Frage ist zum Beispiel, wie lange DICOM Bestand hat. Ein 1991 mit Word 1.0 erstelltes Dokument ist mit Word 2007 oder jünger nicht mehr lesbar. Ein solcher Vorgang wäre im medizinischen Bereich bei den vorgenannten Fristen völlig inakzeptabel.

Ausblick
In Ergänzung zu klaren Rahmenbedingungen von Politik und Kostenträgern benötigen die Kliniken zukunftsfähige Standards für die Bilddaten in der Nachfolge der rund 20 Jahre alten DICOM-Norm. Falls dieses Datenformat jedoch von der Technik überholt wird, dann stellt dies eher ein Problem denn eine Lösung dar. Dessen ungeachtet ist für medizinische Bilder bislang kein sinnvoller Ersatz in Sicht. Für Dokumente mit Papiercharakter könnte nach Einschätzung von Bernd Bischof von den Main-Kinzig-Kliniken das PDF/A-Format eine Lösung - auch auf internationaler Ebene - sein. Auch Archivformate und Konvertierungssysteme sollten international genormt sein, um einerseits einen globalen Datenaustausch zu ermöglichen und andererseits die Kosten für die Entwicklung und Systempflege in vertretbaren Grenzen zu halten.

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