IT & Kommunikation

Eine elektronische Akte für alle?

14.04.2014 -

Mehrwertdienste haben Hochkonjunktur. Sie sollen auch die Fallakte noch attraktiver machen.
Die elektronische Fallakte (eFA) wird als Instrument der intersektoralen Kommunikation immer wichtiger. Volker Lowitsch, Erster Vorsitzender des Vereins Elektronische FallAkte, stellt die neuesten Entwicklungen vor.

M&K: Laut Verein Elektronische FallAkte sollen passgenaue eFA serienmäßig verfügbar sein. Was ­bedeutet dies genau?

Volker Lowitsch: Bei uns als Provider von eFA-Lösungen sind 87 Teilnehmer angeschlossen. Dazu zählen 30 Krankenhäuser, knapp 50 Ärzte, ein Gesundheitsnetzwerk, zwei MVZs und fünf Reha-Kliniken. Gerade entschloss sich ein Krankenhaus, mit dieser Lösung ein regionales Netz mit 15 niedergelassenen Kinderärzten aufzubauen. Helios oder Rhön haben eigene eFA-basierte Lösungen. Der EFA-Verein ist größer. Unsere direkten Mitglieder vertreten 30 % der Betten des stationären Sektors. Zudem sind mehrere Arztnetze vertreten. Die niedergelassene Seite ist eingebunden vor allem über die KBV und einige Kassenärztliche Vereinigungen. Die eFA ist als Kommunikationsplattform für die intersektorale Versorgung interessant und wird so beim Bundesverband Managed Care diskutiert.

Zudem bietet die eFA Investitionssicherheit. Als Mehrwertdienst sind wir im Rahmen der Planungen für die Telematikinfrastruktur zur eGK von der Gematik akzeptiert. Die eFA 2.0 ist HE-kompatibel und entspricht internationalen Vorgaben. Neue Lösungen lassen sich von der Industrie international vermarkten.

M&K: Wie wichtig ist der Datenschutz?

Volker Lowitsch: Die eFA erfüllt alle Anforderungen, die Datenschützer an Zweckgebundenheit und zeitliche Befristung stellen. Diese lassen sich als Zweckcode im IHE abbilden. Anwender und Industrie haben die Möglichkeit, den Code für eine ICD oder für einen spezifischen OPS-Code oder eine chronische Krankheit besonders eng zu fassen oder nicht. Als IT-Unternehmen können wir immer den gleichen Prozess umsetzen. Die Konkretisierung hängt davon ab, welche Vereinbarungen wir treffen, um dem Datenschutzgesetz eines Landes genüge zu leisten. Wir entwickeln einen IHE-kompatiblen Prototypen mit unserem Partner Siemens und stellen erste Ergebnisse - ev. eine Beta-Test-Version - bei der conhIT vor. Gemeinsam mit Com2Health will die Firma März eine EFA-2.0-kompatible Lösung für ein neues Versorgungsprojekt vorstellen. Die Industrie steigt ein.

M&K: Sollen auch eFA-fähige Praxissysteme 2014 auf den Markt kommen?

Volker Lowitsch: Die CompuGroup entwickelt bereits einen eFA-Stecker. Ich glaube, man kann zur ConhIT 2014 schon erste Versionen und Produkte sehen. Unser Produkt Fallakte Plus soll die Lösung der CompuGroup mit der Siemens-Lösung verknüpfen, sodass auch niedergelassene Ärzte quasi per Knopfdruck angeschlossen werden können. Künftig soll es möglich sein, einfach aus dem Arzt-Informations-System der CompuGroup eine Fallakte heraus anzulegen - und Informationen aus einer Fallakte in die Karteikarte zu übernehmen.

M&K: Nur hatte die Industrie bis jetzt gerade bei Schnittstellen eigentlich proprietäre Lösungen ganz gerne.

Volker Lowitsch: Da wird mit einer gewissen Doppelbödigkeit argumentiert. Ein Unternehmen, das in Deutschland arbeitet und eine proprietäre Lösung hat, hat gewisse Pfründe. Aber auf der anderen Seite ist das recht kurzfristig gedacht. Wir haben mit dem bvitg in Normierungs- und Standardisierungsgremien zusammengearbeitet. Natürlich wird es immer unterschiedliche Aktentypen geben. Eine Fallakte ist etwas anderes als eine persönliche Patientenakte. Der Markt wird entscheiden, welcher Aktentyp derjenige wird, der von Ärzten beziehungsweise Patienten favorisiert und genutzt wird. Der eigentliche Fortschritt ist, dass es im letzten Jahr den Schulterschluss aller Beteiligten gegeben hat. Alle sind sich einig, Lösungen auf der Basis von IHE für die unterschiedlichen Aktenkonstrukte zu erarbeiten. Die eFA ist eines davon, und sie ist jene, die voranschreitet und ausspezifiziert ist.

M&K: Wird sich die eFA in Richtung Patientenakte entwickeln?

Volker Lowitsch: Die eFA wird nie zur Patientenakte. Die eFA ist und bleibt arztgeführt. Der Patient hat nur das Recht, den Ärzten seines Vertrauens den Zugang zu einer Fallakte zu geben. Bei einer persönlichen Akte kann der Patient einzelnen Ärzten bestimmte Behandlungsinformation vorenthalten. Aber bei einer Behandlungsakte macht es keinen Sinn, wenn beispielsweise der eine Arzt weiß, dass der Patient aidsinfiziert ist, und der nächste weiß es nicht. Zudem wird auch entschieden, welche Dokumente wirklich für die intersektorale Behandlung relevant sind. Damit wird die eFA für alle Beteiligten handhabbar.

M&K: Manchem ist die eFA nicht umfassend genug ...

Volker Lowitsch: Die eFA ist eine Kommunikationsplattform. Sie hat zunächst keine inhaltlichen Spezifikationen. Mediziner müssen entscheiden, was eine Herzakte ausmacht und was eine Schlaganfallakte. Wir machen nur Vorschläge. Hier übernimmt Nordrhein-Westfalen eine Vorreiterrolle: Es gibt mehrere eFA-basierte Förderprojekte, die aufzeigen, wie eine Palliativ- oder Schlaganfallakte etc. aussehen kann. Wir kommen aber auf absehbare Zeit nicht dahin, dass dies deutschlandweit über die Fachgesellschaften genormt wird.

Die eFA bietet Mehrwertdienste für die intersektorale Versorgung. Was nutzt mir dagegen ein intersektoraler Behandlungspfad, wenn ich die Termine z. B. bei zwei Ärzten, einer Klinik und einem Radiologen nicht miteinander koordinieren kann. Das kann bisher kein KIS und kein Praxis-Verwaltungs-System. Hier ist die Industrie gefordert, wir führen dazu Gespräche.

Unsere Fallakte Plus könnte z. B. Kollaborationslösungen bieten, sodass ich Web- und Video-Konferenzen machen kann, die über eine Private-Cloud-Lösung angeboten werden. Ich habe also nicht nur eine Fallakte, sondern damit verbunden eine Kommunikationslösung. Auch Com2Health setzt auf die Fallakte als Basis und hat eine Workflow-Steuerung.

 

Zur Person

Dipl.-Math. Volker Lowitsch ist Leiter des auf Managementebene eingebundenen Geschäftsbereichs Informationstechnologie am Universitätsklinikum Aachen. Die Entwicklung von IT-Strategien, Implementierung von Standardsoftwarelösungen und Reorganisation von Geschäftsprozesse gehören dort zu seinen Hauptaktivitäten. Vorher war er in der Industrie und Einzelhandel tätig. Zudem ist er Vorsitzender des EFA-Vereins, einer Interessengemeinschaft von fast 80 Mitgliedern aus privaten Klinikketten, Universitätsklinika, kommunalen Krankenhäusern, Ärztenetzen sowie den wesentlichen Verbänden des stationären und niedergelassenen Sektors.

 

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