Einführung der eGK und die Zukunft des elektronischen Arztbriefs
18.04.2012 -
Wie steht es beim Telematik-Großprojekt rund um die elektronische Gesundheitskarte? Nunmehr scheinen auch Mehrwertdienste wie der elektronische Arztbrief in naher Zukunft Realität zu werden. Dr. Dr. Franz-Josef Bartmann, Vorsitzender des Telematik-Ausschusses der Bundesärztekammer (BÄK), gibt Auskunft über den Stand des Mega-Projekts.
M&K: Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen rund um die elektronische Gesundheitskarte?
Dr. Franz-Joseph Bartmann: Die Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) scheint gut zu laufen. Der größte Teil der Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Krankenhäuser verfügt über Kartenterminals zum Einlesen der neuen Karte. Die erteilten Zulassungen für Krankenkassen zur Herausgabe von Gesundheitskarten decken mehr als 95% der gesetzlich Versicherten ab, die schrittweise Ausgabe der neuen Karten an alle rund 70 Mio. gesetzlich Versicherten läuft seit Herbst 2011.
Bis Jahresanfang 2012 sollen mehr als 2,5 Mio. AOK-Versicherte die eGK erhalten haben. Damit verfügt schon heute jeder 10. AOK-Versicherte über die neue Chipkarte. Offenbar haben zumindest die meisten Krankenkassen die gesetzlich vorgeschriebene Ausstattungsquote erfüllt. Der AOK-Bundesverband kündigte zudem an, bis zum Jahresende 2012 eine Ausstattungsquote von rund 70% zu erreichen.
Die Verabschiedung der GKV-Änderungs- und Finanzierungsgesetze führte dazu, dass fast alle Praxen und Kliniken mit eGK-fähigen Terminals ausgestattet sind. Die Erstattungsvereinbarungen zwischen KBV, KZBV, DKG und GKV-Spitzenverband und die darin festgeschriebenen Pauschalen für die Geräteanschaffung und Installation machten die weitgehend kostenneutrale Neuausstattung für die Leistungserbringer möglich. An diesem positiven Zwischenstand ändert auch das Störfeuer der eGK-Kritiker nichts.
Wird die eGK auf unbestimmte Zeit in Krankenhäusern lediglich der Verwaltung nutzen?
Dr. Franz-Joseph Bartmann: Das glaube ich nicht. Wesentliche Merkmale der Karten werden auch der Pflege und dem Ärztlichen Dienst helfen. Ich denke zunächst an den Notfalldatensatz, der die Arbeit in den Notaufnahmen und -ambulanzen stark vereinfachen wird. Auch der elektronische Arztbrief könnte helfen, die Belastung zu senken.
Der Fahrplan sah bis vor Kurzem nicht so optimistisch aus ...
Dr. Franz-Joseph Bartmann: Die Gesellschafter der Betreibergesellschaft gematik einigten sich Ende 2011 darauf, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem Stammdatenabgleich, also spätestens 10 Monate nach dessen Entwicklung, die qualifizierte elektronische Signatur (QES) getestet und eingeführt werden soll.
Dies ist Voraussetzung für die Mehrwertanwendungen. Es werden also nicht allzu lange nach der jetzigen Einführung von administrativen Diensten auch erste Funktionen im medizinischen Bereich kommen. Die QES ist für die elektronische Kommunikation und Datenhaltung als Äquivalent zu einer handschriftlichen Unterschrift des (Zahn-)Arztes unerlässlich. Sie wird die sichere Basis bilden für nahezu alle medizinischen Anwendungen, z.B. für Arztbriefe oder den Notfalldatensatz. Die ersten Funktionen, die angedacht sind, sind der Notfalldatensatz und der elektronische Arztbrief. Diese Funktionen können helfen, die Kommunikation zwischen Krankenhaus und Arzt zu optimieren. Ein Beispiel dafür könnte der elektronische Krankenhausentlassungsbrief werden. Ich denke, dass die Agenda relativ stringent vorgegeben ist.
Gilt diese positive Einschätzung für das gesamte Telematik-Projekt rund um die eGK?
Dr. Franz-Joseph Bartmann: Momentan ja. Die eGK als solche ist ein Hilfsinstrument, das eigentlich durch andere ersetzbar wäre. Sie ist jedoch das Medium, das alle für die Einführung einer bundesweiten Telematik-Infrastruktur favorisieren. Zuletzt hat der eHealth-Gipfel eindeutig in diese Richtung gewiesen. Hier konstatierte Angela Merkel in ihrer Rede erfreuliche Fortschritte. Weit fortgeschritten ist z.B. die Entwicklung eines Informations- und Unterstützungssystems für telemedizinische Anwendungen, das bis zum nächsten IT-Gipfel 2012 in Essen verfügbar sein soll. Das System soll u. a. auch Musterverträge oder Datenschutzkonzepte bereitstellen, um Projekten den Weg in die Regelversorgung zu erleichtern.
Zudem hat die Initiative ein Konsenspapier erarbeitet, auf dessen Grundlage die Integration von technischen und medizinischen Standards in den IT-Systemen ermöglicht und die Interoperabilität von Lösungen hergestellt werden sollen. Die Initiative wird vom Bundesministerium für Gesundheit, allen Organisationen der Selbstverwaltung sowie Industrieverbänden und Forschungsinstituten getragen. Es gibt nun einen gewissen Automatismus auf der Seite, die es umzusetzen hat - also bei Kostenträgern und Leistungserbringern. Zugegeben: Es war ein Stück politischer Nachhilfe erforderlich, bis wir an dieser Stelle waren. Die Ausgangslage ist jedenfalls besser als noch vor ein oder zwei Jahren.
Gibt es Interferenzen mit dem Versorgungsstrukturgesetz? Hier wird u.a. ein Ausbau der Telemedizin gefordert ...
Dr. Franz-Joseph Bartmann: Die Telemedizin ist weitgehend unabhängig von der eGK zu betrachten. Sie ist ein eigenes Themenfeld, das auch auf den Deutschen Ärztetagen separat diskutiert wurde. Hier gibt es positive Entwicklungen. So wurden beim Schlaganfall erste Gebührenpositionen für die Telemedizin eingeführt.
Sowohl die Politik als auch die Kostenträger sind mittlerweile für telemedizinische Anwendungen sensibilisiert, die nicht nur Kosten verursachen, sondern eventuell Kosten einsparen. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist beauftragt zu prüfen und festzulegen, in welchem Umfang ärztliche Leistungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) ambulant telemedizinisch erbracht werden können und wie in Folge der derzeitige EBM anzupassen ist. Ärzte wollen durchaus Telemedizin einsetzen.
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