IT & Kommunikation

Krankenhaus-Informations-Systeme: Pflichtübungen bei der Ausschreibungen

11.01.2012 -

Ein Krankenhaus-Informations-System ist in jeder Klinik vorhanden, wenn auch nicht alle damit glücklixch sind. Zumindest bei den Ausschreibungen kann man viel von Industrieunternehmen lernen.

Jedes Krankenhaus hat ein KIS. Schon deshalb, weil ja heute alles digital abgerechnet wird. Deswegen kann auch eine Excel-Tabelle, deren Inhalte dann irgendwie per Datenträger zum Kostenträger gelangen, als KIS bezeichnet werden. Auch dann, wenn der Begriff Krankenhaus-Informations-System für eine Excel-Tabelle vielleicht etwas hoch gegriffen ist.

Interessant wird der Einsatz eines KIS, wenn tatsächlich die Prozesse und Abläufe im Krankenhaus in der IT abgebildet werden. Dass dies möglich ist, beweist ein Seitenblick auf die IT-Lösungen, mit denen in der Industrie ganze Unternehmen nicht nur theoretisch von der IT unterstützt und betrieben werden. Die Mitarbeiter haben dabei das Glück oder zumindest die Möglichkeit, sich statt mit Verwaltungsaufgaben tatsächlich mit schöpferischen Leistungen wie dem Erfinden eines Produkts oder dessen Fertigung zu beschäftigen.

Nun sind Krankenhäuser keine Industriebetriebe, und in Krankenhäusern geht es um Menschen. Dennoch können Krankenhäuser von der Industrie lernen, z.B. bei Überlegungen rund um das Thema Cloud-Computing. In anderen Bereichen wie der Hochverfügbarkeit oder dem Datenschutz ist die Krankenhaus-IT wiederum gar nicht mit der IT in der Industrie vergleichbar.

Vergleichbar sind die IT-Welten jedoch, wenn es um das Auswahlverfahren für ein KIS geht. Während es in der Industrie fast unmöglich ist, ein IT-Projekt ohne aufwendige Pilotierung (und zwar auf Kosten des Anbieters) durchzuführen, wird im Gesundheitswesen allzu oft allein nach dem Preispunkt eingekauft. Zuschlag erhält das System, das am preiswertesten oder am sympathischsten oder beides ist.

Gemeinsam könnten die IT-Leitung, die medizinische Leitung und die Verwaltungsleitung hier einen gewaltigen Fortschritt erreichen, wenn die Ausschreibung außerdem noch detailliert die Funktionen des künftigen KIS beschreibt.

„Ein Pflichtenheft für ein Krankenhaus-Informations-System kann durchaus 7.500 oder sogar 10.000 Fragepunkte umfassen", erklärt der Mönchengladbacher KIS-Spezialist Hans-Werner Rübel: „Zum Beispiel verfügen immer noch nur wenige Häuser über ein KIS mit Schnittstellen zu den medizinischen Bereichen." Viele der marktgängigen KIS-Lösungen decken nur einen Teil der Funktionen eines Krankenhauses ab.

Wer seine KIS-Lösung ehrlich auf eine neue Stufe der Qualität und der Abdeckung von Prozessen im Krankenhausbetrieb umstellen will, sollte zudem die Key-User, also Schlüsselanwender aus allen Bereichen des Hauses schon in der Vorplanung hinzuziehen. Zu den Key-Usern gehören Schwestern und Pfleger, MTAs, Ärzte sowie selbstverständlich die IT-Leitung und die Verwaltung. Ein solches Gremium hat mehrere Aufgaben, die vor allem in der Unterstützung der Soll-Ist-Analyse besteht. „Eine Soll-Ist-Analyse ist der Grundstein für das Pflichtenheft, den Anforderungskatalog an eine KIS-Lösung", so Rübel, der seit Jahren Krankenhäuser in IT-Belangen berät und so vor Rosstäuschern schützt. Im Auswahl-Gremium wird schnell klar, wo z.B. Schulungsbedarf besteht. So kommen dann PC-Übungsplätze in den Anforderungskatalog, mit denen sich Mitarbeiter unterhaltsam an den PC gewöhnen.

Ein weiterer Aspekt, den nur ein Gremium, das das gesamte Krankenhauspersonal repräsentiert, darstellen kann, ist die Software-Ergonomie. Rübel warnt: „Es darf nicht sein, dass das KIS für die Erfassung eines Vitalwertes zehn Mausklicks und dreißig Sekunden braucht. Aber genau in diesem Punkt sind viele Systeme im Markt nicht sehr anwenderfreundlich. Das Mittelfeld der Anbieter hat hier seine Hausaufgaben gemacht, während die Platzhirsche in manchen Punkten noch hinterherhinken."

In bestimmten Bereichen allerdings sind die IT-Anforderungen, wie sie in der Industrie angewandt werden, nicht mit Krankenhaus-IT vergleichbar; z.B. bei der Hochverfügbarkeit, der bei einem KIS-Projekt oft falsch eingeschätzt wird. Während ein Fertigungsunternehmen von seiner IT eine Verfügbarkeit zwischen 99,9 und 99,99% erwartet, kann die Hochverfügbarkeitsvorgabe bei einem Krankenhaus der Maximalversorgung auf 99,995% ansteigen. Auf Minuten umgerechnet, bedeutet die Verfügbarkeit von 99,995%, dass die ungeplanten Stillstandszeiten des KIS im Jahr nicht mehr als 26,3 Min., mithin eine knappe halbe Stunde, betragen dürfen - und das auch im Falle schwerer Störungen durch Unwetter, Feuer und andere Desaster.

Das bedeutet auch, dass Gedanken an das Outsourcing des KIS an einen Service-Provider oder „in die Cloud" illusorisch sind, da diese Hochverfügbarkeitszusagen den Kostenrahmen vieler Häuser sprengen würden.

Die Auswahl einer KIS-Lösung nach einem Pflichtenheft kann das Maß, in dem die IT das Krankenhaus unterstützt, deutlich verbessern. Doch Rübel mahnt: „Ein Pflichtenheft bedeutet aber auch, dass sich einzelne Einrichtungen von der bisherigen Beschaffung ohne Ausschreibungsverfahren lossagen müssen, was einigen KIS-Anbietern sicherlich auch Bauchschmerzen bereiten dürfte."

Kleine Schritte zum nächstgrößeren KIS

  • Stellen Sie ein Gremium zusammen, dass ALLE Bereiche Ihres Hauses berücksichtigt
  • Erarbeiten Sie ein Pflichtenheft, das neben den allgemeinen Funktionen auch die Schnittstellen zu Spezialsystemen in den medizinischen Bereichen und Geräten berücksichtigt
  • Schaffen Sie Gelegenheiten zur unterhaltsamen Schulung für den PC und dann für das KIS
  • Überlegen Sie beim Outsourcing-Gedanken, ob die geforderte Vertraulichkeit der Informationen und die notwendige Verfügbarkeit nicht nur machbar, sondern auch bezahlbar sind

 

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