Mobile Medical Monitoring: Lückenlose Bewegungsmuster steigern die Behandlungsqualität
08.12.2011 -
„Mobile Medical Monitoring, ein von Trium entwickeltes Überwachungssystem, ist ein gutes Beispiel für ein Forschungsprojekt, das in einem alltagstauglichen Produkt mündet.
Das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung anschubfinanzierten Verbundprojektes war es, einen einsatzreifen Prototyp zur gesundheitlichen Fernbetreuung von Patienten zu entwickeln. Biosignaldaten sollen über Handy-Technologien in verschlüsselter Form an das spezialisierte Dienstleistungszentrum übermittelt werden, das daraus automatisierte Klassifizierungen, Therapieempfehlungen und Warnhinweise an den Arzt weitergibt.
Trium Online wurde im September 1999 als Spin-off am Institut für Medizinische Statistik und Epidemiologie (, ) der TU München/Klinikum Rechts der Isar gegründet. Zum Zeitpunkt der Firmengründung hatten die beiden geschäftsführenden Gesellschafter, Dr. Martin Daumer und Dipl.-Stat. Michael Scholz, gemeinsam bereits über zehn Jahre Erfahrung im Bereich Telemedizin und klinische Studien gesammelt.
Fragt man heute, was aus dem Projekt geworden ist, verweist Daumer stolz auf actibelt, eine Plattform zur Erfassung und Analyse von körperlichen Aktivitäten. „Unser Fokus lag bei der Entwicklung auf Multipler Sklerose", erläutert Daumer, der zugleich wissenschaftlicher Direktor des Sylvia Lawry Center for Multiple Sclerosis Research ist, einem internationalen Forschungscenter für die chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems.
Wertvolle Ergänzung zur EDSS-Skala
„Wichtige Parameter für die Evaluation von Behandlungen sind die Auswirkungen auf die maximale Gehstrecke und Gehgeschwindigkeit im Alltag. Viele Ärzte verlassen sich hier auf die Befragung des Erkrankten, eigene Einschätzung oder Kurzzeitmessungen im klinischen Umfeld. Diese herkömmliche Art der Messung des Behinderungsgrades ist recht unpräzise und eine schlechte Basis zur Beurteilung der Langzeit-Wirkung von Behandlungen, die das Ziel verfolgen, die Gehfähigkeit so lange wie möglich zu erhalten."
Mit actibelt können kontinuierlich über eine Woche hinweg Gehgeschwindigkeit und Gehstrecken erstaunlich präzise gemessen werden und können eine wertvolle Ergänzung zur sog. EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale) bilden zur besseren Quantifizierung der Gehfähigkeit. Vergleichbar einem Langzeit-EKG misst das Gerät die physische Aktivität über einen längeren Zeitraum.
Untergebracht ist der 3-D-Accelerometer in einer Art Gürtelschnalle, die der Patient dauerhaft bei sich trägt. „Als Physiker weiß ich, dass eine genaue Bewegungsmessung am besten nahe des Körperschwerpunkts gemacht werden sollte, im Idealfall in der Symmetrieachse des Körpers, also genau dort, wo man typischerweise eine Gürtelschnalle trägt", erläutert Trium-Geschäftsführer Daumer. „Geräte, die z.B. am Handgelenk getragen werden, haben hier aufgrund der sehr variablen Beschleunigungswerte erhebliche Nachteile."
Neben den Bewegungssensoren befinden sich in einer Ausführung des actibelts z.B. ein Luftdruckmesser, ein RFID-Chip für Zugangskontrolle, ein Temperaturmesser und ein Bluetooth-Modul für kabellose Datenübertragung in dem Gerät. Alle Komponenten sind energieoptimiert. Daumer: „Der Patient kann den Gürtel eine Woche und mehr tragen." Es können Parameter gemessen werden wie Gehgeschwindigkeit, Distanzen und Schrittzahlen bei Gehen und Laufen, Liege- und Ruhezeiten, Schlafqualität, Hinken, falsche Bewegungsmuster wie z.B. starke Fersenbelastung beim Laufen, bewegungsabhängiger Kalorienverbrauch, Stürze und Erkennung von Höhenunterschieden wie beim Treppensteigen.
Kürzerer Aufenthalt im Krankenhaus
Die Datenübertragung erfolgt entweder auf ein Smartphone oder, im Fall von klinischen Studien zum Beispiel, über USB-Stick oder Bluetooth an einen PC und dann auf die dazugehörende Web-Plattform. Momentan arbeitet man an der Validierung von Online-Analysen, damit sich das System z.B. auch als zuverlässiger Sturzdetektor mit niedriger Fehlarmrate einsetzen lässt. Eine Integration in bestehende IT-Umgebungen und eine Erweiterung vorhandener Patientendaten um die Bewegungsinformationen ist über die Webplattform und entsprechende Schnittstellen möglich.
Daumer ist überzeugt, dass das telemedizinische Monitoring, inbesondere der menschlichen Bewegung, zur Qualitätssteigerung und Kostenreduzierung im Gesundheitswesen beitragen und die medizinische Versorgung insbesondere in strukturschwachen Gebieten verbessern wird. „Durch die kontinuierliche Messung von Vitalparametern des mobilen Patienten ist eine noch bessere medizinische Unterstützung im Notfall möglich, und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus lässt sich reduzieren", so der Projektleiter. Dass der Gürtel unauffällig tragbar sei, sei ein weiterer Vorteil.
Primär sind es vor allem klinische Studien, bei denen der actibelt bei 1-Wochenmessungen zum Einsatz kommt, aber es sind auch spezielle Schnelltests für Balance und Gehfähigkeit entwickelt wurden, nicht nur für Multiple-Sklerose-Forschung, sondern auch im Bereich Osteoporose.
Ergänzt wird er hier um die CT-Engine, eine Internet-Plattform zum effizienten Management und Controlling klinischer Studien unter Berücksichtigung der besonders hohen Sicherheitsanforderungen im Gesundheitswesen, die ebenfalls von Trium entwickelt wurde.
Via Internet geben die Akteure der klinischen Studie online ihre Studiendaten ein und greifen in Echtzeit auf den aktuellen Datenbestand zu. Die Benutzer müssen dazu weder Software installieren noch sich um lokale Datenhaltung kümmern. In verschlüsselter Form werden medizinische Daten aller Art verarbeitet und über einen handelsüblichen Browser an den zentralen Server übermittelt. Dort wird die Analyse ohne Zeitverzug durchgeführt.
Online-Plausibilitätskontrollen gewährleisten die Qualität und Richtigkeit der Daten. Integrierte Analyseinstrumente ermöglichen qualifizierte Online-Analysen des aktuellen Studienfortschritts. Die CT-Engine ist laut Trium aktuell bei klinischen Multicenter-Studien, Anwendungsbeobachtungen und Registerprojekten in über 100 Online-Zentren, in mehrjährigen Großprojekten mit über 20.000 Patienten im Einsatz.
Weitere Nutzer werden in Zukunft Reha-Einrichtungen sein, die damit die Fortschritte ihrer Patienten besser überwachen können „und beispielsweise damit überprüfen können, ob die Patienten ihre notwendigen Übungen machen". Die Technik stoße auf großes Interesse, aber problematisch sei noch die Finanzierung. „Die Krankenkassen wollen die Finanzierung nicht übernehmen, also müssen die Reha-Einrichtungen dafür aufkommen", erläutert Daumer.
Etwa fünf Jahre nach dem Projektstart auf Basis des „MedShirts" als universellen Multi-Sensor-Prototypen ist das marktreife Produkt actibelt an über 1.000 Patienten im Einsatz. Interesse hat es nicht nur im direkten klinischen Umfeld auf sich gezogen, auch die Raumfahrt sieht einen Nutzen im Mobile Medical Monitoring, neben der NASA darunter nun auch das im letzten Jahr gestartete Raumfahrtprojekt Mars500, in Kooperation mit der Charité in Berlin. „Wenn ein Astronaut auf der Marsmission krank wird, ist kein Arzt in der Nähe. Deshalb sieht man die tägliche körperliche Aktivität als Universalmedikament an, dessen Einnahme sozusagen mit actibelt überwacht wird. So trägt die Crew, welche den Marsflug in Testmodulen simuliert, den actibelt. Daumer: „Dabei werden die Dateien sogar mit Delays übertragen, um ein realistisches Bild zu vermitteln, das auch die Distanz zur Erde berücksichtigt."
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