OP-Management im digitalen Raum
10.12.2019 -
Innovative Prozesse und Strukturen für einen reibungslosen OP-Ablauf schaffen den Spagat zwischen Effizienz und Effektivität.
Tragen im Jahr 2025 alle Chirurgen Datenbrillen im OP? Die aktuelle Chirurgie steht vor der Herausforderung, ein umfangreiches „Mosaik“ bildbasierter Technologien in die Vorbereitung und Durchführung von Operationen zu integrieren. Da der Operationsbereich zu den technisch hochwertigsten und personalintensivsten Betriebsstellen eines Krankenhauses gehört und darüber hinaus über zahlreiche Schnittstellen zu anderen Bereichen verfügt, kommt diesem Bereich eine besondere Relevanz zu. Die Tatsachen, dass bis zu 60% der Krankenhauskosten eines Patienten am Tag seiner Operation entstehen können und 33% der Gesamtkosten eines Krankenhauses auf die Personal- und Sachkosten im OP-Bereich entfallen, sind Indiz für die hohe Bedeutung. Gleichzeitig repräsentiert der Operationsbereich aber auch einen Ort der Erlösgenerierung und offenbart die Notwendigkeit, im OP vorhandene Ressourcen optimal einzusetzen und zugleich die medizinische Qualität zu sichern und sogar zu steigern. Zahlreiche Studien, Erfahrungsberichte und Simulationsmodelle widmen sich daher aus verschiedenen Perspektiven der zielgerichteten Steuerung des Operationsbereiches durch ein OP-Management. Bedingt durch die jüngere Technikentwicklung werden digitale Bilder in mobile, sensorgesteuerte und augmentierende Visualisierungssysteme integriert und drei- oder vierdimensional dargestellt. Basis ist dabei die Verknüpfung von Bildgebung und Operationssitus, nämlich die Fähigkeit des Chirurgen, die Bildgebung in Diagnosen und Handlungen zu übersetzen, Bildinformationen und Patient miteinander in Beziehung zu setzen. Die aktuellen Tech-Hypes zum Thema Bildgebung in der Medizin zielen vermehrt auf chirurgische Arbeitssituationen und haben damit neben Optimismus auch für Verunsicherung gesorgt.
Operation Patientenwohl
Im OP-Management gibt es viele potenzielle Reibungspunkte, die sich auf die Prozesse und Zufriedenheit der Mitarbeiter auswirken. Gründe dafür gibt es viele: die Interdisziplinarität und Multiprofessionalität im OP selbst, aber auch die Komplexität der Prozesse, der vielen angrenzenden Schnittstellen wie periphere Stationen, Aufwachraum und Intensivstation ebenso wie Abteilungen zur Ressourcenbereitstellung. Heute werden digitale Bilder zunehmend in mobile, sensorgesteuerte und augmentierende Visualisierungssysteme integriert. Diese greifen dann zunehmend räumlich adaptiv und in Echtzeit in OP-Arbeitsprozesse ein und leitet diese an. In der chirurgischen Praxis sind die Folgen dieser technologischen Aufrüstung deutlich sichtbar. Operationen werden dergestalt durch automatisierte Echtzeitbildgebung unterstützt, dass Bildschirmdarstellungen als die primären Referenzobjekte an die Stelle realer Patienten rücken. Eine Folge dieser Verzahnung sind neue Möglichkeiten der Diagnose und Therapie, aber auch neue Herausforderungen im Hinblick auf die Wahrnehmung, Interpretation und Gestaltung von Bildern, die handlungsanleitend und sogar lebensentscheidend werden. Erste Mixed- und Augmented-Reality-Anwendungen für chirurgische Eingriffe wurden in den frühen 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts zunächst in der Neurochirurgie und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie eingesetzt. Es scheint, als läge die Zukunft der Chirurgie in der Hand intelligenter Algorithmen, Roboter und Bildführungsprozesse, deren Entwicklung stärker von Akteuren außerhalb der klassischen Medizintechnik mitbestimmt wird, etwa in den Bereichen Big Data, KI oder Robotik. Welchen konkreten Mehrwert bieten solche neuen Verfahren? Doch welche Probleme rufen sie hervor? Wer steuert heute das OP-Management? Zu den Mitgliedern des OP-Managements gehören der OP-Koordinator, das OP-Koordinationsteam mit OP-Koordinator und der Anästhesie- und OP-Pflegeleitung sowie das OP-Koordinationsgremium, das aus OP-Koordinationsteam und Vertretern aller operierenden Fachabteilungen und der Anästhesie besteht. Dem OP-Koordinator obliegt die organisatorische Leitung, er übernimmt die zentrale Funktion. Das OP-Koordinationsteam ist für das operative OP-Management zuständig. Das OP-Koordinationsgremium ist für das planerische OP-Management zuständig. Der OP-Koordinator sollte direkt an die Klinikleitung angegliedert sein und regelmäßig an diese berichten. Er übernimmt die organisatorische Verantwortung für den gesamten OP-Bereich und hat planerische und operative Aufgaben. So hat er die Informationshoheit sowie die organisatorische Weisungsbefugnis gegenüber allen OP-Mitarbeitern. Im operativen Tagesgeschäft wird er insbesondere vom Leiter der Funktionsdienste unterstützt, z.B. bei der Koordination des OP-Ablaufs mit der kurzfristigen OP-Planung, beim Einpassen von OP-Programmänderungen, der Integration von Notfällen, Organisationsmaßnahmen bei Störungen der Material- und Patientenlogistik oder beim Lösen von Konflikten und der Kontrolle der Compliance von Vorgaben. Zu den planerischen Tätigkeiten, für die das OP-Koordinationsgremium verantwortlich ist, gehört neben dem Mitwirken am OP-Statut auch die mittel- und langfristige OP-Planung, wie das Festlegen von Saalöffnungszeiten und OP-Kontingenten oder das Definieren von Optimierungsmaßnahmen.
Chirurgisches Handeln basiert maßgeblich auf Kenntnissen der individuellen Anatomie, der Pathologie und – in Zusammenarbeit mit den betreuenden Anästhesisten – der Physiologie während des operativen Eingriffs. Die Berücksichtigung bestimmter, intraoperativer (patho-) physiologischer Veränderungen während des operativen Eingriffs ist also unverzichtbar. Diese Informationen situationsadaptiert und ohne Beeinträchtigung der Abläufe zur Verfügung zu stellen, ist entscheidend für den Erfolg einer Intervention. Dafür sind Spielregeln im OP notwendig. Das OP-Statut ist ein verbindliches Regelwerk für die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit aller dort tätigen Mitarbeiter. Die Vorgaben müssen umsetzbar und praktikabel sein. Damit das OP-Statut tatsächlich „gelebt“ wird, ist es wichtig, dass möglichst alle im OP arbeitenden Berufsgruppen am OP-Statut mitwirken und Vorgaben regelmäßig aktualisiert werden. Darüber hinaus sollte das OP-Statut ein Eskalationsverfahren definieren, das dem OP-Koordinator seitens der Klinikleitung den notwendigen Rückhalt gibt, z.B. wenn Schwellenwerte überschritten oder andere Vorgaben nicht eingehalten werden. Das OP-Statut setzt allein die Klinikleitung in Kraft. Dadurch erlangt es eine hohe Verbindlichkeit. Das OP-Statut sollte für alle beteiligten Mitarbeiter transparent und z.B. im Intranet abrufbar sein. Zur Bewertung des OP-Betriebs ist es sinnvoll, ein OP-Controlling mit aussagekräftigen Kennzahlen nach den Vereinbarungen des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten, des Berufsverbands Deutscher Chirurgen und des Verbands für OP-Management zu etablieren. Um die Umsetzung der Zielvereinbarungen kontrollieren und verbessern zu können, sollte regelmäßig ein OP-Report erstellt und die Kennzahlen und erreichten Werte unter den Verantwortlichen und Betroffenen kommuniziert werden. Dazu zählen die Klinikleitung, der OP-Koordinator sowie die Leitungen der operierenden Fachabteilungen, die Anästhesie und die Funktionsdienste. Selbst wenn die Zusammenarbeit formal z.B. in einem OP-Statut geregelt ist, findet dieses Regelwerk im Alltag nicht immer Anwendung. Manchmal sind die Vereinbarungen nicht praktikabel, mitunter widersprechen sie einigen Interessen oder es gibt keine Konsequenzen, wenn Regeln gebrochen werden. Unzureichend definierte Strukturen und ungünstig gestaltete Rahmenbedingungen führen zu Prozessen, die nicht optimal sind. Im Zusammenwirken aller Faktoren zeigt sich, dass nur ein interdisziplinärer Ansatz, der Medizin, Technologie und Gestaltung in Forschung und Entwicklung verbindet, zu nachhaltigen und auf die spezifischen Nutzeranforderungen im Operationssaal zugeschnittenen Lösungen führen kann.