Schlaganfallbehandlung im ländlichen Raum: Chancen und Grenzen der Telemedizin
18.04.2019 -
Bei Schlaganfall-Patienten zählt jede Minute – je früher die Betroffenen die richtige medizinische Betreuung bekommen, desto größer sind ihre Chancen, Schäden im Gehirn zu vermeiden.
Eine ideale Versorgung bieten spezialisierte Schlaganfall-Stationen – sogenannte Stroke Units – mit hochqualifizierten Fachärzten. Aber anders als in den urbanen Zentren, die in der Regel gut mit diesen Einrichtungen ausgestattet sind, mangelt es in ländlichen Regionen oft daran. Wie die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) erklärt, bietet die Telemedizin hier wertvolle Chancen: Über Videokonferenzen unterstützen Experten aus städtischen Gebieten die Kollegen im ländlichen Raum – etwa in Bayern und Rheinland-Pfalz – rund um die Uhr mit ihrem Expertenwissen. Die Telemedizin ermöglicht so eine zeitnahe Diagnose und Therapie und damit die wohnortnahe Versorgung von Schlaganfallpatienten. Sie sollte nach Ansicht der Experten jedoch nur eine Übergangslösung darstellen bis ausreichender neurologischer Sachverstand jederzeit vor Ort verfügbar ist.
Bei einem Schlaganfall ist ein Blutgefäß im Gehirn verstopft oder geplatzt und ein Hirnbereich leidet unter Sauerstoffmangel. „Nur wenn die Versorgung der Nervenzellen schnell wiederhergestellt wird, können Spätschäden wie Lähmungen oder Sprachstörungen verhindert werden“, erklärt Professor Dr. med. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der DSG. Eine ideale Versorgung erhalten Patienten in Stroke Units – da hier Akuttherapien bestmöglich durchgeführt werden.
Während die städtischen Zentren meistens gut mit diesen spezialisierten Einrichtungen versorgt sind, fehlen in den Krankenhäusern auf dem Land oft entsprechende Abteilungen und vor allem neurologische Fachärzte. „Doch durch die Telemedizin können auch Schlaganfall-Patienten in diesen Gegenden schnell und fachmännisch versorgt werden“, erklärt Professor Dr. med. Armin Grau, Vorsitzender der DSG. In Bayern, Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern gleichen telemedizinische Netzwerke in der Schlaganfallversorgung also die schlechtere medizinische Infrastruktur auf dem Land so weit wie möglich aus.
Zentren mit spezialisierter Stroke Unit und Kliniken im ländlichen Raum haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und sich auf definierte Behandlungsstandards geeinigt. Der telemedizinische Konsiliardienst ist rund um die Uhr ansprechbar. Wenn bei einem Patienten ein Verdacht auf einen Schlaganfall besteht, kommt er in ein Krankenhaus, das dem Netzwerk angeschlossen ist. Die dortigen Ärzte stellen ihn sofort per Konferenzschaltung dem Spezialisten im städtischen Zentrum vor. Patient, behandelnder Arzt vor Ort und ein spezialisierter Neurologe stehen über Video und Audiokonferenzschaltung miteinander in Kontakt. Auch auf radiologische und andere medizinische Befunde kann der Experte zugreifen. Wird so die Diagnose Schlaganfall gestellt, spricht der Spezialist eine Empfehlung zur Therapie aus. In den meisten Fällen erfolgt die Therapie vor Ort im ländlichen Krankenhaus, nur ein Teil der Patienten muss in eine Spezialklinik verlegt werden.
Doch wie kann eine qualitativ hochwertige Versorgung unter solchen Umständen gewährleistet werden? „Für eine erfolgreiche Umsetzung der Telemedizin müssen klare Vereinbarungen zwischen den Kliniken getroffen und eingehalten werden, die technischen und personellen Voraussetzung müssen stimmen“, erklärt Professor Grau, Direktor der Neurologischen Klinik mit Klinischer Neurophysiologie und Stroke Unit am Klinikum Ludwigshafen. So sollen nach Ansicht der DSG-Experten regelmäßige gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen der behandelnden Ärzte und Pflegekräfte in den Zentren und den Kliniken im ländlichen Raum auch die weitere adäquate ärztliche Versorgung und Pflege vor Ort sicherstellen.
Im Moment profitieren Schlaganfall-Patienten aus dem ländlichen Raum von den telemedizinischen Netzwerken. Doch Professor Schäbitz sieht auch die Grenzen der Telemedizin: „Die DSG setzt sich weiter dafür ein, die medizinische Infrastruktur mit spezialisierten Einrichtungen auf dem Land zu verbessern. Die momentane Situation darf nur eine Übergangsphase sein, bis wir unser Ziel – eine flächendeckende Versorgung mit zertifizierten Stroke Units – erreicht haben.“ Die persönliche Betreuung der Patienten habe natürlich immer weiterhin die höchste Priorität.