IT & Kommunikation

Telemedizin der Zukunft: mobil und multimedial

25.10.2015 -

Seit Jahren sorgen immer neue Änderungen und Verzögerungen rund um den sinnvollen Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte für Verunsicherung. Nun soll die technische Infrastruktur bald fertig sein.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) möchte die Telemedizin in Deutschland vorantreiben. Dazu will er mit dem eHealth-Gesetz „Dampf machen“. Es soll noch 2015 verabschiedet werden. Doch heiße Luft hat es bei der mehr als zehnjährigen Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) schon reichlich gegeben.

Nach endlosem Gerangel und zahllosen Terminverschiebungen meldet die verantwortliche Projektgesellschaft Gematik, das Netzwerk für den sinnvollen Einsatz der eGK, die Telematik-Infrastruktur (TI), sei betriebsfähig. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass Krankenhäuser und Arztpraxen die Infrastruktur bereits nutzen können. Zunächst sind Feldversuche in zwei Testregionen geplant, an denen rund 1.000 Ärzte und Psychotherapeuten sowie 11 Krankenhäuser teilnehmen. Die derzeit 124 gesetzlichen Krankenkassen sind ebenfalls eingebunden. Verbindliche Zeitpläne für die Abläufe sind nicht zu erfahren, lediglich eine Frist steht fest: Mitte 2016 sollen die Tests abgeschlossen sein und die flächendeckende Einführung beginnen. Doch dagegen protestiert die Gematik: Der Zeitplan lasse keine Auswertung der Erprobungsergebnisse zu.

Dabei wird zunächst nur der Abgleich von Patientenstammdaten mit den bei den Krankenversicherungen hinterlegten Daten getestet. Ärzte können mit der eGK direkt online prüfen, ob der Patient krankenversichert ist und ob sich etwa durch einen Umzug seine Daten geändert haben. Änderungen sollen sofort auf die Karte übernommen werden.

Notfalldaten zuerst

Im Anschluss kommen die praktischen Dienste, für die die Karte eigentlich gedacht ist. Allerdings stehen weder Termine fest, noch in welcher Reihenfolge sie umgesetzt werden. Geeinigt hat man sich darauf, dass der Notfalldatensatz unabhängig von den Tests der TI vorgezogen wird. Er soll alle wichtigen Informationen auf der eGK sammeln, die Mediziner in akuten Notfällen benötigen. Jedoch wird noch darum gestritten, welche Daten dazu gehören.

Auf die Ergebnisse dieser langwierigen Prozesse können und wollen Krankenhäuser nicht warten. Wie dringend Patientendaten in Notfällen gebraucht werden, verdeutlichen bei der Telemed 2015 vorgestellte Projekte aus der Notfallmedizin. Dr. Markus Wehler, Chefarzt der Notaufnahme am Klinikum Augsburg, berichtet von einer angespannten Situation: Bei knapper Personaldecke seien im Mittel pro Tag 230 Patienten zu versorgen. Dabei handele es sich jedoch nur um ein statistisches Mittel, denn die Notfälle schwankten täglich zwischen 150 und 300 Aufnahmen, so Wehler.

Die unkalkulierbare Anzahl sowie die nicht vorhersehbare Schwere der Fälle gestalten die Planung schwierig. Die Behandlungen in den von 10 bis 22 Uhr durchgängig belegten 15 Kabinen müssten daher ständig neu priorisiert werden. Daher kommt den Voranmeldungen aus den Rettungsfahrzeugen große Bedeutung zu. Doch diese genügen oft nicht den Anforderungen: „In 50 % der Fälle fehlen Daten zum Bewusstseinszustand; Patientennamen werden nur phonetisch korrekt übermittelt“, berichtet Wehler.

Die Suche im KIS bleibt dann ergebnislos, und den Medizinern fehlen Vorabinformationen, obwohl das Klinikum aufgrund seiner regionalen Alleinstellung zu vielen eingelieferten Patienten über Daten verfügt. „Triage-Entscheidungen im Vorfeld werden dadurch schwierig“, erklärt Wehler.

Telemedizin der Zukunft

Daher rüstet Bayern seit 2014 Rettungsfahrzeuge mit Tablets aus. Die App dieser NIDApads liefert neben Voranmeldungsdaten auch Vitalwerte und Verdachtsdiagnosen. Über Bluetooth lassen sich weitere Daten von medizinischen Geräten – z. B. Defibrillator — einspielen. Diese Parameter seien erheblich wichtiger als Verdachtsdiagnosen, da Letztere sehr oft nicht stimmten, so Wehler. Er hebt die Vorzüge des Telemedizineinsatzes hervor: „Die klinischen Abläufe ließen sich deutlich verbessern“.

Auch ein Projekt der Universität Greifswald bringt Telemedizin in den Rettungswagen, verfolgt jedoch einen anderen Weg. Es habe sich herausgestellt, dass Videoaufnahmen eine wertvolle Hilfe sein können, erzählt Projektmitarbeiterin Camilla Metelmann. Es gab bereits verschiedene Ansätze, Kameras in Rettungsfahrzeugen zu montieren, beispielsweise in Brüssel. Doch das Live City Projekt der Greifswalder will die Telemedizinverbindung bis an den Ort des Patienten führen. Notfallpatienten seien oft nicht transportfähig und könnten nicht erst zum Wagen gebracht werden, erklärt Metelmann. „Daher brauchen wir eine mobile Kamera.“ Dazu erhalten Rettungssanitäter eine Kamera am Stirnband, ein Rucksack beinhaltet die weitere Technik. „So hat der Sanitäter beide Hände frei“, beschreibt Metelmann den Vorteil. Die Videoübertragung zur Klinik erfolgt über einen sicheren VPN-Zugang, benötigt jedoch eine LTE-Internet-Verbindung. Der Einsatz von Videotechnik habe sich bei Schlaganfällen als sehr hilfreich erwiesen, sagt sie.

Diese Beispiele zeigen, die Telemedizin der Zukunft ist mobil und multimedial. Auch dem wird die Telematik-Infrastruktur gerecht werden müssen.

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