Labor & Diagnostik

COVID-19: Auch eine systemische Gefäßentzündung

21.04.2020 -

COVID-19 wurde als Lungenkrankheit bekannt. Warum Patienten auch lebensgefährliche Versagen anderer Organe erleiden, war bisher unklar.

Ein interdisziplinäres Team des Universitätsspitals Zürich zeigte nun, dass SARS-CoV-2 direkt Entzündungen in den Gefäßen auslöst und so zu Organversagen bis zum Tod führen kann.

Die ersten COVID-19-Patienten mit schweren Krankheitsverläufen erlitten vor allem virale, schwierig zu behandelnde Lungenentzündungen als Komplikation. Für Coronaviren eine typische Erkrankung, da sie vor allem die Atemwege angreifen. Ärzte stellten jedoch fest, dass zunehmend Patienten auch Herzkreislaufprobleme oder Multiorganversagen zeigten. Ob und welchen Zusammenhang es dabei mit der Lungenentzündung gab, war aber nicht klar. Da vor allem ältere Patienten betroffen waren, gingen die Ärzte davon aus, dass die Belastung durch die Krankheit die Herzkreislaufprobleme bei der dafür typischen Altersgruppe auslöst.

Veränderungen und SARS-COV-2 in allen Gefäßen

Bei Untersuchungen der Gewebeproben von verstorbenen COVID-19-Patienten nach einer Autopsie fiel Pathologen am Universitätsspital Zürich nun auf, dass die Patienten nicht nur an einer Entzündung der Lunge litten, sondern die Entzündung das gesamte Endothel verschiedenster Organe betraf. Zudem gelang es der Pathologin Prof. Zsuzsanna Varga mit dem Elektronenmikroskop, SARS-CoV-2 erstmals direkt im Endothel sowie den dort durch das Virus ausgelösten Zelltod nachzuweisen.

Das Endothel ist eine Zellschicht, die eine Art Schutzschild in den Gefäßen bildet und verschiedene Prozesse in den Mikrogefäßen regelt und ausgleicht. Ist dieser Regelungsprozess gestört, kann dies beispielsweise Durchblutungsstörungen in den Organen oder in Körpergewebe auslösen, die zum Zelltod und damit zum Absterben dieser Organe oder Gewebe führen.

Angriff des Virus auf die körpereigene Verteidigung

Die Forscher schlossen daraus, dass das Virus nicht wie bisher vermutet über die Lunge, sondern über die im Endothel vorkommenden ACE2-Rezeptoren die körpereigene Verteidigung direkt angreift, sich darüber verteilt und zu einer generalisierten Entzündung im Endothel führt, die dessen Schutzfunktion zum Erliegen bringt. Das Virus löst also nicht nur eine Lungenentzündung aus, die dann ursächlich für weitere Komplikationen ist, sondern direkt eine systemische Endotheliitis, eine Entzündung des gesamten Endothels im Körper, die alle Gefäßbetten erfasst: Herz-, Hirn-, Lungen- und Nierengefäße sowie Gefäße im Darmtrakt. Mit fatalen Folgen: Es entstehen schwere Mikrozirkulationsstörungen, die das Herz schädigen, Lungenembolien und Gefäßverschlüsse im Hirn und im Darmtrakt auslösen und zum Multiorganversagen bis zum Tod führen können.

Das Endothel jüngerer Patienten kommt mit dem Angriff der Viren meistens gut zurecht. Anders die Patienten, die an Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder koronaren Herzkrankheiten leiden; Erkrankungen, die gemeinsam haben, dass durch sie die endotheliale Funktion eingeschränkt ist. Eine Infektion mit SARS-COV-2 gefährdet diese Patienten besonders, weil bei ihnen vor allem in der Phase, in der sich das Virus am stärksten vermehrt, die schon geschwächte Endothelfunktion noch weiter abnimmt.

Risikopatienten mit zweifacher Therapie retten

„Wir konnten mit unserer Untersuchung den Beweis für unsere Hypothese beibringen, dass COVID-19 nicht nur die Lunge sondern die Gefäße aller Organe betreffen kann. COVID ist eine systemische Gefäßentzündung, wir sollten das Krankheitsbild von nun als COVID-Endotheliitis beschreiben“, fasst Prof. Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie, die Erkenntnisse zusammen, zu denen Kardiologen, Infektiologen, Pathologen und Intensivmediziner beigetragen haben.

Für Frank Ruschitzka folgt daraus auch, dass die Therapie bei COVID-19-Patienten an zwei Stellen ansetzen muss: „Wir müssen die Vermehrung der Viren in deren vermehrungsreichster Phase hemmen und gleichzeitig das Gefäßsystem der Patienten schützen und stabilisieren. Dies betrifft vor allem unsere Patienten mit Herzkreislauferkrankungen und einer bekannt eingeschränkten Endothelfunktion sowie den bekannten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19.“

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UniversitätsSpital Zürich

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