VDGH: Weiterentwicklung des Gesundheitswesens
07.08.2015 -
Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) hat seine Positionen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens veröffentlicht.
Mit dem im Dezember 2014 verabschiedeten Neun-Punkte-Papier gestaltet der Verband erstmals seine Botschaften in Form einer Broschüre. Der VDGH benennt darin seine Kernthemen: Innovationen, Vergütung ärztlicher Laborleistungen, Potentiale der Krankheitsfrüherkennung, Infektionsschutz, personalisierte Medizin, Diabetes-Selbstmanagement, Rahmenbedingungen für die Produktzulassung, steuerliche Forschungsförderung und der Umgang mit individuellen Gesundheits-leistungen. VDGH-Geschäftsführer Dr. Martin Walger erläutert die Hintergründe.
M&K: Mit seinen Positionen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens möchte der VDGH einen nachhaltigen Beitrag für die zukunftssichere Ausgestaltung des Gesundheitssystems leisten. An wen richtet sich Ihr Verband damit?
Dr. Martin Walger: Eine Gesundheitsgesetzgebung jagt die nächste. Es ist dem VDGH wichtig, seine Vorschläge für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems darüber hinausgehend zu platzieren. Innovationen als Qualitätsmerkmal des Gesundheitssystems, ein stärker präventiv ausgerichtetes System, Patientensouveränität und Individuelle Gesundheitsleistungen – dies sind nur einige Beispiele. Wir veranschaulichen die Bedeutung der Labordiagnostik für die Gesundheitsversorgung. Wir wollen nicht missionieren, sondern den Dialog mit Politik, Ministerien, Selbstverwaltung und allen Meinungsbildnern intensivieren.
Werden die aktuellen medizinischen Erkenntnisse im Katalog der Früherkennungsuntersuchungen ausreichend umgesetzt? Wie könnten die Potentiale der Krankheitsfrüherkennung besser genutzt werden?
Dr. Martin Walger: Mit dem Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz von 2013 fördert der Gesetzgeber die Potentiale der Früherkennung, indem bestimmte Früherkennungsleistungen der GKV künftig als Einladungsverfahren organisiert werden. Dahinter steht das Ziel einer besseren Inanspruchnahme durch den informierten Versicherten. Begonnen wird mit dem Screening auf Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Der VDGH macht sich dafür stark, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zugleich auch die labordiagnostischen Untersuchungen aktualisiert. Immunologische Stuhltests und molekulare HPV-Tests haben ihren Nutzen beim Screening unter Beweis gestellt, werden aber von der GKV nicht finanziert. Noch ärger sieht es beim Check-up-35 aus. Es hat sich schon eingebürgert, dieser GKV-Leistung jedweden Sinn abzusprechen. Dem halte ich entgegen: Das Labormodul dieser Maßnahme wurde vor 25 Jahren zusammengeschustert und nie mehr aktualisiert. Warum diskutieren wir nicht darüber, was Labordiagnostik heute kann, anstatt die Früherkennung pauschal zu diskreditieren?
Medizinische Therapien zu individualisieren ist eine der größten Hoffnungen Was leistet die Diagnostica-Industrie in diesem Bereich?
Dr. Martin Walger: Schaut man auf die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, so sind rheumatologische und kardiologische Erkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen die kommenden Anwendungsgebiete der molekularen Diagnostik und einer stärker stratifizierten Therapie. Bei Krebserkrankungen sind die Genomanalyse und darauf basierend individualisierte Therapieansätze in den klinischen Alltag eingezogen. Die Diagnostika-Hersteller stellen mit immer leistungsfähigeren Sequenzierungstechnologien und der Entwicklung von Companion Diagnostics die Schlüsselinformationen zur Therapiefestlegung zur Verfügung.
Welche regulatorischen Anforderungen für In-vitro-Diagnostika halten Sie derzeit für zwingend notwendig auch mit Blick auf die Patientensicherheit und wo sehen Sie zu viel Regulierungsbürokratie?
Dr. Martin Walger: Der Brustimplantate-Skandal hat Vertrauen erschüttert. Selbst wenn es nicht um In-vitro-Diagnostika ging – auch unsere Branche muss sich dem dadurch ausgelösten Regelungsfuror stellen. In Brüssel sind die Beratungen über eine neue IVD-Verordnung in vollem Gange. Die Konsensfindung im Rat nimmt Zeit in Anspruch. Zu vergegenwärtigen ist aber auch, dass schon längst und nahezu geräuschlos die Kontrollmöglichkeiten der benannten Stellen gegenüber der Industrie ausgeweitet wurden und hiervon auch Gebrauch gemacht wird. Das akzeptieren wir. Kritisch wird es, wo redundante Strukturen aufgebaut und sinnvolle Differenzierungen des deutschen Medizinprodukterechts einplaniert werden.
Welchen Stellenwert hat die patientennahe Labordiagnostik – Point of care Testing (POCT) im heutigen Gesundheitswesen und welche Vor- und Nachteile bestehen Ihrer Meinung nach im Bereich der patientennahen Labordiagnostik?
Dr. Martin Walger: Die Marktdaten für Deutschland zeigen, Point of care Testing wächst in fast allen Anwendungsbereichen. Diese Entwicklung ist nachvollziehbar, da die grundlegenden Potentiale des POCT in der Verkürzung von Wegen, in der Beschleunigung von Ergebnissen und damit in der Effizienzsteigerung medizinischer Prozesse liegen. Die Relevanz dieser Kriterien liegt für die Notfallmedizin auf der Hand. Sie reicht aber weiter. Die deutschen Krankenhäuser stehen unter einem immensen wirtschaftlichen Druck. Eine stetige Überprüfung der Prozessorganisation ist die Folge. Hinzu kommt, dass die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung im Krankenhaus ausgeweitet wurden, man denke etwa an die ambulante spezialfachärztliche Versorgung nach § 116 b SGB V. Diese Umstände befördern das POCT im stationären Sektor. Natürlich gilt auch für POCT: Genauigkeit und Validität sind entscheidende Anforderungen an jegliche Labordiagnostik.
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