Versorgungslage von Kindern mit Covid-19
17.04.2020 -
Das Dr. von Haunersche Kinderspital im Herzen Münchens blickt auf eine lange Tradition zurück.
1846 gegründet, deckt die Einrichtung das ganze Spektrum der Kinderheilkunde ab und verfügt dank der unter einem Dach untergebrachten Kinderchirurgischen Klinik, der Abteilung für Kinderradiologie und der Nuklearmedizin über fast alle Möglichkeiten der modernen Pädiatrie.
Prof. Dr. Johannes Hübner ist der Leiter der Abteilung für pädiatrische Infektiologie der Klinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital am LMU Klinikum München. Die Forschungsschwerpunkte der Abteilung beinhalten unter anderem die Entwicklung von Impfstoffen gegen bakterielle Erreger von Krankenhausinfektionen sowie die Etablierung und Durchführung von Antibiotic Stewardship-Programmen in der Pädiatrie.
Neben einer infektiologischen Ambulanz betreut die von Prof. Dr. Jonannes Hübner geleitete Abteilung für pädiatrische Infektiologie einen infektiologischen Konsiliardienst in der Kinderklinik sowie ein bakteriologisches Laboratorium, in dem die mikrobiologische Diagnostik der Klinik durchgeführt wird. Die Forschungsschwerpunkte der Abteilung beinhalten unter anderem die Entwicklung von Impfstoffen gegen bakterielle Erreger von Krankenhausinfektionen sowie die Etablierung und Durchführung von Antibiotic Stewardship-Programmen in der Pädiatrie. Philipp Kressirer sprach mit Prof. Hübner darüber, wie die Versorgungslage der pädiatrischen Covid-19 Patienten aussieht.
Herr Prof. Hübner, wie sieht die derzeitige Versorgung in Bayern und München bei Kindern mit Covid-19 aus? Welche Kinder sind besonders gefährdet?
Prof. Dr. Johannes Hübner: Die Situation ist bezüglich der Kinder sehr ruhig – das war auch so zu erwarten nach den Erfahrungen in China und Italien. Kinder sind von Covid-19 sehr viel weniger betroffen, als Erwachsenen; Infektionen sind seltener und sie verlaufen auch sehr viel milder. Schwere Verläufe und Todesfälle sind im Kindesalter absolute Ausnahmen. In Deutschland wissen wir durch eine große Umfrage von derzeit 65 stationären Aufnahmen von Kindern.
Interessant ist, dass es bisher auch keinerlei Hinweise darauf gibt, dass bestimmte Risikogruppen – wie zum Beispiel Kinder mit onkologischen Erkrankungen oder mit angeborenen Immundefekten - besonders gefährdet sind.
Gibt es Unterschiede in der Behandlung von infizierten Kindern im Vergleich zu erwachsenen Covid-19 Patienten?
Hübner: Bisher gibt es ja keine zugelassenen oder breiter getesteten Therapien – alles beruht eher auf Fallberichten und nicht zugelassenen Medikamenten oder auf Substanzen, die eigentlich für andere Krankheiten verwendet werden und bisher auch nur für diese zugelassen sind. Wir sind da im Kindesalter sehr zurückhaltend und können das bisher auch sein, weil die allermeisten Verläufe so milde sind, dass man keine spezifischen Therapien braucht. In den seltenen schweren Fällen wird man dann aber auch auf die Medikamente zurückgreifen, die bei Erwachsenen am vielversprechendsten sind.
Wie viele Kinder mit dem Coronavirus haben Sie bis jetzt in der Haunerschen Kinderklinik behandelt und wie viele sind aktuell in der Behandlung? Gibt es auch Kinder, die auf der Intensivstation beatmet werden müssen?
Hübner: Wir haben hier bisher nur drei Kinder mit Covid-19 betreut; über Kollegen war ich auch in die Behandlung von drei weiteren Kindern im Münchner Umkreis involviert. Eines dieser Kinder war komplett asymptomatisch, da war die Diagnose ein Zufallsbefund; die anderen Kinder hatten nur eine milde Symptomatik und konnten rasch wieder nach Hause entlassen werden. Ein Kind war allerdings auch so krank, dass es auf die Intensivstation aufgenommen und beatmet werden musste. Derzeit gibt es in Deutschland nach der oben erwähnten Umfrage acht Kinder, die auf einer Intensivstation liegen und eines dieser Kinder muss auch beatmet werden.
Viele Eltern haben Angst in die Klinik zu kommen, weil sie befürchten, ihr Kind könnte sich dort mit dem Coronavirus anstecken. Welche Sicherheitsmaßnahmen und -vorkehrungen hat die Haunersche Kinderklinik getroffen, um die kleinen Patientinnen und Patienten und auch das eigene Personal zu schützen?
Hübner: Wir sehen in der Tat einen massiven Rückgang der Patientenzahlen um ca. 50% in unserer Notfallambulanz – und das ist nicht nur bei uns so, sondern in ganz Deutschland und auch in Italien. Wahrscheinlich haben Eltern Sorge, dass sie oder die Kinder sich infizieren – und dann bleibt man bei einem banalen Infekt lieber erstmal zu Hause.
Aber wir dürfen natürlich Kinder mit schweren chronischen Krankheiten deshalb nicht vernachlässigen. Wir haben deshalb innerhalb der Klinik diese Bereiche ganz strikt getrennt: Wer mit einem Verdacht auf einen Atemwegsinfekt oder nach einem Kontakt mit einer Covid-19-positiven Person in unsere Ambulanz kommt, der wird in einem speziell dafür ausgewiesenen Bereich behandelt. Direkt am Eingang wird dies abgefragt und die Patienten und Eltern werden dann direkt in diesen Bereich verwiesen. Kinder mit nicht-infektiösen Problemen und Komplikationen von chronischen Erkrankungen werden separat in eigene Warteräume und Untersuchungszimmer geleitet, um zu verhindern, dass sie sich mit SARS-COV-2 infizieren. Auch bezüglich der Klinikaufnahmen haben wir eine separate Station eingerichtet, auf der Patienten bis zum Vorliegen der Diagnostik isoliert werden können. Bei geplanten Aufnahmen werden die Kinder am Tag vor der stationären Aufnahme abgestrichen, so dass das Ergebnis am eigentlichen Aufnahmetag schon vorliegt und die Kinder dann auch direkt auf die normalen corona-freien Stationen aufgenommen werden können.
Prognosen zu Infektionsraten sind derzeit hinsichtlich der beschlossenen Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen schwierig. Aber können Sie uns aus Ihrer Erfahrung heraus erklären, wie die üblichen Infektionswege bei Kindern aussehen?
Hübner: Wahrscheinlich sind die Infektionswege bei Kindern die gleichen, wie bei Erwachsenen – d. h. hauptsächlich über Tröpfcheninfektionen und über respiratorische Sekrete. Bei Kindern hat man auch häufig und über längere Zeiträume Virus-RNA im Stuhl nachweisen können, aber bisher in keinem Fall vermehrungsfähige Viren. Wir vermuten deshalb, dass das Virus vor allem bei Kindern auch den Darm befallen und damit Magen-Darm-Symptome wie Übelkeit und Erbrechen verursachen kann. Das scheint aber nach derzeitigem Wissen nicht mit einer Übertragbarkeit der Erkrankung über Stuhl einherzugehen. Ich vermute, dass Kinder bei dieser Erkrankung weniger ein Reservoir für neue Infektionen darstellen, als bei anderen Atemwegserkrankungen, wie zum Beispiel bei der Influenza.