Aparoskopisch transperitoneale Sublaynetzhernioplastik versus Lap-IPOM
31.05.2011 -
Bauchwand- und Narbenhernien zählen weltweit zu den häufigsten operationspflichtigen Diagnosen mit zunehmender medizinischer und sozioökonomischer Bedeutung. Trotz aller Fortschritte der modernen Chirurgie erkranken auch heute noch 10 bis 20% der Patienten nach Bauchoperationen an einer Narbenhernie, die damit die häufigste chirurgische Langzeitkomplikation darstellt. In Deutschland liegen die Kosten von ca. 50.000 Narbenhernienoperation pro Jahr bei 25.000.000.-€.
Wesentliche Riskofaktoren für die Entstehung von Bauchwandhernien sind Übergewicht, Nikotinabusus, Eiweißmangel, Leberzirrhose, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Vitamin-C-Mangel und gemäß neueren Erkenntnissen die Kollagenzusammensetzung (Kollagen I:III-Ratio).
Kunststoffnetze senken Rezidivrate
Durch Verwendung von Kunststoffnetzen zur Bauchwandverstärkung konnte die Rezidivrate im Vergleich zum Nahtverschluß von 25 bis 60% (Mittelwert 39%!) auf unter 10% gesenkt werden. In der Bauchwandhernienchirurgie ist die offene Sublaynetzhernioplastik nach Rives und Stoppa der Goldstandard. Bei dieser Technik wird das die Bruchlücke verschließende Kunststoffnetz außerhalb der Bauchhöhle zwischen Bauchfell und Bauchwandmuskulatur implantiert. Da das Implantat so von den Eingeweiden abgeschottet ist, können Standardkunststoffnetze verwendet werden.
IPOM: Häufig angewandt, aber mit Nachteilen behaftet
Weit verbreitet ist inzwischen auch die laparoskopische intraperitoneale Onlay Netzhernioplastik (IPOM), bei der das Kunststoffnetz in Schlüssellochtechnik in die Bauchhöhle implantiert wird. Obgleich das Zugangstrauma geringer ist, und die Infektionsraten im internationalen Schrifttum kleiner sind, weist die IPOM-Technik folgende Nachteile auf: Es müssen immer teure Implantate mit Adhäsionsbarriere der dem Darm zugewandten Fläche verwendet werden. Von den meisten der heute verwendeten IPOM-Prothesen gibt es keine Daten, ob Verwachsungen, Fisteln und andere Organschäden wirklich dauerhaft vermieden werden. Da die IPOM-Netze auf dem Bauchwandbauchfell implantiert werden, ist eine sehr intensive und invasive Fixierung mit Staplern, Tackern, Clips oder durchgreifenden Bauchwandnähten erforderlich, die ein zusätzliches Risiko der Darmschädigung darstellen. Die hohe Anzahl penetrierender Fixationspunkte erhöht die Gefahr einer Nervenschädigung mit akuten und chronischen Schmerzen. Bei der IPOM-Operation wird der Bruchsack meist belassen, die Bruchlücke wird nicht verschlossen sondern von der Kunststoffprothese nur überbrückt. Dieses hat zur Folge, dass sich die Bruchvorwölbung nur langsam oder gar nicht zurückbildet.
Aparoskopisch transperitoneale Sublaynetzhernioplastik
Unsere Erfahrung von über 1.100 Sublayoperationen bei Bauchwand- und Narbenhernien mit einer Infektrate von 0,8% und einer Rezidivrate von 1,5% (36 Monate Follow-up) hat uns dazu ermutigt, das Zugangstrauma immer weiter zu reduzieren und eigene endoskopische Techniken zu entwickeln:
Heute führen wir die Sublay-Netzhernioplastiken standardmäßig in der „mini-open" oder „less-open" Technik durch. „Mini-open" bedeutet für uns, dass der Hautschnitt höchstens so lang wie der Herniendurchmesser ist, maximal jedoch 5cm. Wir verwenden dabei stets endoskopische Instrumente und lange schmale Retraktoren.
Die von uns entwickelte laparoskopisch transperitoneale Sublaynetzhernioplastik ermöglicht die Versorgung von kleinen und mittelgroßen Bauchwand- und Narbenhernien (max. Bruchpfortengröße bislang 9x5cm) mit Implantation von großen Standardkunststoffnetzen max. Größe 35x25cm).
Bei medianen Hernien erfolgt der Eingriff in 3-Trokartechnik über die linke Flanke (Abb. 1, Abb. 2). Die Operationsschritte (Abb. 2): Nach initialer diagnostischer Laparoskopie Längseröffnung des Peritoneums mit hinterem Blatt der Rektusscheide links lateral. Präparation vor dem hinteren Blatt der Rektusscheide nach medial. Darstellen der Bruchlücke. Längsinzision des linken hinteren Rektusscheidenblatts medial und Eingehen in den präperitonealen Raum zwischen der Linea alba und dem Peritoneum oberhalb und unterhalb der Bruchlücke. Bruchsackpräparation und Präparation der Bruchlücke ringsherum. Eröffnen des hinteren Rektusscheidenblatts rechts und Präparation zwischen Rektusmuskel und hinterem Blatt bis zur lateralen Rektuslogenbegrenzung rechts. Einengen oder Verschluß der Bruchlücke soweit dieses spannungsarm möglich ist. Einbringen des Standardpolypropylennetzes und randständige Fixation mit resorbierbarem Nahtmaterial (Abb. 3). Fortlaufender Nahtverschluß des Peritoneums und hinteren Rektuscheidenblatts (Abb. 2).
Bisherige Erfahrungen sind vielversprechend
Inzwischen haben wir über 100 transperitoneale Sublaynetzhernioplastiken bei Bauchwandhernien durchgeführt, davon 71 in der 3-Trokartechnik über die linke Flanke. Die Ergebnisse werden derzeit im Rahmen einer prospektiven Studie mit Vergleichskollektiv aufgearbeitet. Die vorläufigen Ergebnisse sind sehr vielversprechend: Im Vergleich mit der offen operierten Gruppe zeichnen sich weniger akute und chronische Schmerzen ab. Neben einem mechanischen Dünndarmileus mit Revisionsoperation traten keine Majorkomplikationen auf. Bei einem Follow-up von 15 Monaten fanden wir bislang kein Rezidiv. Im Vergleich mit dem offenen Verfahren ist die Operationszeit länger.
Auch die ersten Erfahrungen mit der von uns entwickelten endoskopisch transhernialen total extraperitonealen Sublaynetzhernioplastik in Single Port Technik sind positiv. Hier erfolgt zunächst ein kleiner Hautschnitt direkt über der Hernie. Nach Bruchsackpräparation und „mini-open" Präparation der Bruchpforte wird ein Single-Port in den Herniendefekt eingebracht (Abb. 4). Die weitere Präparation erfolgt endoskopisch total extraperitoneal mit Sublaynetzeinlage. Die Technik erscheint besonders bei sehr adipösen Patienten von Vorteil.
Bei sehr großen ventralen Bauchwandhernien besteht oft das Problem, dass die Bruchlücke über dem Kunststoffnetz nicht verschlossen werden kann. Hier führen wir seit 2008 zusätzlich zur offenen Sublay-Netzhernioplastik die erstmals von Rosen et al. 2007 beschriebene endoskopische Komponentenseparation durch. Bei dieser Technik wird beidseits über eine 2cm Inzision am lateralen Rippenbogenrand zunächst der Raum zwischen dem M. obliquus externus und M. obliquus internus mit einem endoskopischen Dilatationsballon aufgeweitet. Unter Kamerasicht erfolgt anschließend Rektuscheiden nah die Längsspaltung der Faszie des M. obliquus externus vom Rippenbogen bis etwas oberhalb der Leistenregion. Hierdurch lässt sich die Bauchwand beidseits um 2 bis 5 cm nach medial mobilisieren und der Herniendefekt über dem Sublaynetz im Sinne einer dynamischen Rekonstruktion der Linea Alba verkleinern oder sogar ganz verschließen. Der zusätzliche Zeitaufwand beträgt pro Seite ca. 20 Minuten.
Die ersten Ergebnisse der von uns entwickelten endoskopischen Sublaynetzhernioplastiken zur Versorgung von Narben- und Bauchwandhernien sind vielversprechend. Die Verfahren kombinieren die Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie (kleine Schnitte) mit den Vorteilen der offenen Sublaytechnik (extraperitoneale Netzlage), sind technisch allerdings anspruchsvoll. Eine weitere Evaluation der Verfahren in Studien ist wünschenswert.
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