Bildanalyse der Aorta in 3-D
05.06.2012 -
Eine Forschungsgruppe der Universität Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums entwickelt im Projekt „QuantVessel" ein neues Verfahren zur 3-D-Bildanalyse von Blutgefäßen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Behandlung von Aneurysmen der Aorta.
Die genaue Quantifizierung von Blutgefäßen aus dreidimensionalen (3-D) tomografischen Bildern ist eine zunehmend wichtige Aufgabe für medizinische Diagnose, Operationsplanung und Therapie. Die 3-D-Bilder setzen sich aus zweidimensionalen (2-D) Schichtbildern zusammen, die Schnitte der 3-D-Anatomie zeigen. Eine Herausforderung besteht darin, aus diesen 2-D-Schichtbildern die komplexe und gekrümmte 3-D-Anatomie von Blutgefäßen zu erfassen.
Im Projekt „QuantVessel" (Quantifizierung der Morphologie von menschlichen Gefäßen aus 3-D-tomografischen Bilddaten) werden neue innovative Verfahren zur 3-D-Bildanalyse von Blutgefäßen entwickelt. Das Hauptanwendungsgebiet ist die 3-D-Quantifizierung der Hauptschlagader (Aorta) zur Behandlung von krankhaften Erweiterungen, sog. Aneurysmen. Die Aorta ist das größte und wichtigste Blutgefäß des Menschen. Aneurysmen der Aorta sind aufgrund der dünnen und brüchigen Gefäßwand lebensbedrohlich, da das Blutgefäß plötzlich reißen kann.
Mehr als eine Million Menschen sind in Deutschland von dieser Gefäßerkrankung betroffen, insbesondere ältere Menschen. Innerhalb von QuantVessel wurde ein neues 3-D-Verfahren entwickelt, das die Größe und Form von Blutgefäßen aus 3-D-tomografischen Bilddaten genau bestimmt. Dabei werden die Bilder in 3-D-Regionen unterteilt (Segmentierung), die Blutgefäßen entsprechen, und die 3-D-Anatomie vermessen (Quantifizierung). Insbesondere lassen sich mit dem neuen Verfahren quantitative Parameter wie der Durchmesser entlang von Gefäßen erheblich genauer bestimmen als mit bisherigen Verfahren. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für eine verbesserte minimal-invasive Therapie mit individuellen Gefäßprothesen.
Modellbasierte 3-D-Bildanalyse und mathematische Modellierung
Das neue Verfahren kombiniert neu entwickelte 3-D-Intensitätsmodelle mit mathematisch fundierten Optimierungsmethoden. Die 3-D-Modelle beschreiben den Verlauf der Helligkeitswerte von Blutgefäßen in Bildern und werden bei der computerbasierten Analyse an die Bilddaten der jeweiligen Person angepasst, um Form- und Größenparameter zu ermitteln. Auf der Basis von beispielsweise 3-D-CTA (Computertomografie-Angiografie)- oder 3-D-MRA (Magnetresonanztomografie-Angiografie)-Bildern lassen sich damit Blutgefäße in beliebiger Orientierung, unterschiedlicher Größe, mit verschieden starken Krümmungen und mit Abzweigungen quantifizieren.
Das entwickelte modellbasierte Verfahren zur 3-D-Bildanalyse ist vollautomatisch, d. h., Blutgefäße wie die Aorta inklusive der abzweigenden Gefäße können ohne Benutzerinteraktion segmentiert und quantifiziert werden. Mithilfe des entwickelten Softwareprogramms lässt sich das Ergebnis der Segmentierung von Blutgefäßen in 3-D visualisieren, wobei verschiedene Darstellungen wie beispielsweise die Kontur oder Zentrumslinie der Gefäße sowie eine Überlagerung mit den Original-Bilddaten gewählt werden können. Zusätzlich lassen sich die Ergebnisse der Quantifizierung wie z. B. Längen, Durchmesser oder Krümmungen anschaulich in 3-D darstellen.
Von Bildanalysemethoden zu klinischen Anwendungen
Das entwickelte Verfahren ist genauer und zuverlässiger als bisherige Verfahren und kann zusätzliche geometrische Parameter bestimmen wie beispielsweise die Länge und Krümmung der Aorta. Ein Schwerpunkt in der Anwendung ist die Quantifizierung des Aortenbogens und seiner hauptabzweigenden Gefäße (supraaortale Äste) für die thorakale endovaskuläre Aortentherapie mit Gefäßprothesen (Stent Grafts). Aufgrund der relativ großen Krümmung des Bogens und der komplexen Anatomie der supraaortalen Äste stellt der Aortenbogen eine Herausforderung dar - sowohl für Radiologen und Gefäßchirurgen als auch für die automatische Bildanalyse.
Mit dem neuen Verfahren ist es möglich, wichtige Parameter für die Aortentherapie wie z. B. die Länge und Krümmung des Aortenbogens nicht nur entlang der Zentrumslinie, sondern insbesondere auch entlang der inneren und äußeren Kontur des Aortenbogens zu bestimmen. Darüber hinaus werden auch die Abstände zwischen den einzelnen supraaortalen Ästen vermessen. Das ist wichtig, falls sich die Landungszone einer Gefäßprothese zwischen zwei Ästen befindet.
Außerdem konnte das Verfahren erweitert werden, um auch zeitlich aufgelöste 3-D-Bilder (4-D-Bilder) der Aorta in Abhängigkeit des Herzschlags automatisch auszuwerten. Die Quantifizierungsergebnisse aus der Bildanalyse sind wichtig für die optimale individuelle Auswahl und Platzierung von Gefäßprothesen bei der Operationsplanung. Dadurch soll die Komplikationsrate und Patientenbelastung reduziert werden. Eine klinische Studie ist in Planung. Die Forschungsarbeiten werden in enger Kooperation mit Radiologen und Gefäßchirurgen, insbesondere mit Dr. med. Hendrik von Tengg-Kobligk sowie Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Kauczor und Prof. Dr. med. Dittmar Böckler, am Universitätsklinikum Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg durchgeführt.
Das Projekt wird innerhalb der von PD Dr. Karl Rohr geleiteten Forschungsgruppe „Biomedical Computer Vision" an der Universität Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg durchgeführt. Am Projekt sind neben den Autoren insbesondere Dipl.-Inf. Andreas Biesdorf sowie Simon Eck und Dipl.-Inf. Wei Liao beteiligt. Die Forschungsgruppe entwickelt Informatik-Methoden zur automatischen Analyse von medizinischen und biologischen Bildern.