Medizin & Technik

COPD - neue Therapiemöglichkeiten

13.01.2016 -

Innovative endoskopische Methoden bieten zukünftig ein vielversprechendes Spektrum an Therapiemöglichkeiten für Patienten, die bislang wenige Optionen hatten.

Die im Volksmund als „Raucherlunge“ bezeichnete chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist weltweit die dritthäufigste Todesursache und damit eine der führenden Volkskrankheiten. Zigarettenrauch und inhalierte Schadstoffe führen zu einer chronischen Entzündung der Atemwege und zu einer irreversiblen Destruktion der Alveolen, dem Emphysem. Folgen sind ein verschlechterter Gasaustausch, spürbare Atemnot bei Belastung und in Ruhe sowie eine Überblähung der zerstörten Lungenareale durch „gefesselte Luft“ mit erhöhter Atemarbeit für den Patienten.

Neben der pharmakologischen Therapie gewinnen neue endoskopische Behandlungsmethoden zunehmend an Bedeutung, da sie längerfristige Effekte versprechen, nicht von der Therapietreue des Patienten abhängen und als Alleinstellungsmerkmal direkt auf die Pathophysiologie des Emphysems wirken. Etablierte Verfahren der Endoskopischen Lungenvolumenreduktion (ELVR) sind bislang die Implantation von Endobronchial-Ventilen und von Lungenvolumen-Reduktions-Spiralen. Neuere Behandlungsoptionen, die aktuell in großen randomisierten kontrollierten Studien geprüft werden, sind die Vaporablation und die gezielte Lungendenervierung.

Endoskopische Lungenvolumenreduktion

Seit gut einem Jahrzehnt ist die endoskopische Lungenvolumenreduktion eine Behandlungsoption für eine Gruppe von COPD-Patienten mit schwer emphysematös destruierten Lungenarealen. Durch Implantation von Endobronchial-Ventilen oder Spiralen in die am stärksten destruierten Areale werden diese „reduziert“. Das Zwerchfell kann wieder höher treten, es entstehen günstigere atemmechanische Bedingungen. In den benachbarten Lungenarealen wird die Vorspannung erhöht und durch verbesserte elastische Rückstellkräfte der exspiratorische Atemwegskollaps abgeschwächt. Diese Effekte verbessern die Lungenfunktion, die Patienten verspüren eine bessere Belastbarkeit, weniger Atemnot und insgesamt eine Verbesserung der Lebensqualität.

Endobronchial-Ventile

Die beste Datenlage und die längsten Erfahrungswerte existieren für den Einsatz von Endobronchial-Ventilen (EBV). Sie verhindern bei der Inspiration den Einstrom von Luft in den blockierten Lappen, erlauben aber den Austritt von expiratorischer Atemluft sowie von Atemwegssekreten. Dieser „Ventileffekt“ führt im Optimalfall zu einer Atelektase. Der Ziellappen ist „funktionell ausgeschaltet“, das Volumen damit reduziert. Diese Technologie ist für Patienten mit heterogenem Lungenemphysem ohne Kollateralventilation geeignet.

Patienten mit unvollständigen Lappenspalten kommen für Endobronchial-Ventile nicht infrage, da durch die Kollateralventilation Luft wieder „durch die Hintertür“ in den Ziellappen einströmen und damit den Volumenreduktionseffekt verhindern kann. Schätzungsweise zwei Drittel aller Emphysem-Patienten haben unvollständige Lappenspalten. Damit bedarf das Gros der Emphysem-Patienten des Einsatzes alternativer Technologien, die von der Kollateralventilation unabhängig sind.

Lungenvolumen-Reduktionsspiralen

Lungenvolumen-Reduktions-Spiralen, auch lung volume reduction coils (LVRC) genannt, bieten eine Option für Emphysem-Patienten mit unvollständigen Lappenspalten. Sie werden beim heterogenen Ober- oder Unterlappen-betonten Emphysem als effektiv angesehen. Beim homogenen Emphysem existieren bisher nur präliminäre Hinweise für eine Effektivität der Methode. Mittels flexiblem Bronchoskop werden die LVR-Spiralen mit Hilfe eines Einführungskatheters in lang gestrecktem Zustand in die Tiefe des betroffenen Segmentbronchus eingesetzt. Beim Zurückziehen des Katheters „entfaltet“ sich der Nitinoldraht in seine Spiralform und führt damit zu einer Kompression des umgebenen Lungengewebes. Pro Lungenlappen werden in einer Sitzung acht bis zehn Spiralen implantiert, um eine optimale Wirksamkeit zu erzielen. Da Coils im Gegensatz zu Ventilen keinen Verschluss des Lappens erwirken, können sie beidseits eingesetzt werden.

Vaporablation

Eine weitere Alternative für COPD-Patienten mit heterogenem Oberlappen-betontem Lungenemphysem und Kollateralventilation ist die bronchoskopische thermische Vaporablation. Hierbei wird in einem Vapor-Generator heißer Wasserdampf erzeugt, welcher gezielt über einen Katheter bronchoskopisch in die betroffenen Lungensegmente eingeleitet werden kann. Der thermische Effekt bewirkt zunächst eine inflammatorische Reaktion, welche als Langzeiteffekt zu einem „Remodeling“ des Segments führt. Dieser Gewebeumbau geht mit Fibrosierung, Schrumpfung und der gewünschten Lungenvolumenreduktion einher. In der VAPOR-Studie wurde die Methode lobär eingesetzt. Die Studie belegte die Effektivität der Methode, zeigte aber auch, dass bei Vaporablation eines gesamten Lappens ab einem bestimmten Volumen die Rate unerwünschter Ereignisse ansteigt und die Sicherheit der Patienten nicht mehr gewährleistet ist. In der aktuell laufenden STEP UP-Studie wird die Methode nun stufenweise segmental eingesetzt: Bei heterogenem Oberlappen-betontem Lungenemphysem wird zunächst lediglich ein Segment eines Oberlappens Vapor-behandelt, nach drei Monaten werden zwei Segmente im kontralateralen Oberlappen abladiert. Vorteile sind zum einen der segmentale gezielte Einsatz in den am stärksten destruierten Segmenten, wohingegen Ventile und Spiralen unselektiv lobär appliziert werden. Zum anderen erlaubt die über Wochen langsam einsetzende Volumenreduktion eine gute Anpassung der Lunge, Pneumothoraces sind für die Methode nicht dokumentiert. Sollte sich im Krankheitsverlauf der Effekt verlieren, ist eine erneute Behandlung in anderen Segmenten hypothetisch denkbar.

Gezielte Lungendenervierung

Mit der gezielten Lungendenervierung beschreitet die endoskopische Behandlung der COPD erstmals neue Wege, die über den Ansatz der Volumenreduktion hinausgehen. Die Methode macht sich die Pathophysiologie der parasympathischen Innervation der menschlichen Lunge zu Nutze. Die großen und kleinen Atemwege werden durch cholinerge parasympathische Nerven innerviert. Die Ausschüttung von Acetylcholin reguliert in den Atemwegen den Muskeltonus der glatten Muskelzellen, die Mukussekretion und in Interaktion mit muskarinergen Rezeptoren die lokale Entzündungsaktivität. Die Atemwegsobstruktion bei der COPD wird hauptsächlich durch eine parasympathische Überaktivität mit verstärktem Muskeltonus und vermehrter Sekretion von Mukus ausgelöst.

Die pharmakologische Therapie mit inhalativen anticholinergen Medikamenten führt zu einer reversiblen Blockade des Parasympathikus der Lunge. Die Entwicklung von lang anhaltenden inhalativen Medikamenten hat die Therapie der milden bis fortgeschrittenen COPD in den letzten Jahren bedeutend verbessert. Die Effektivität der inhalativen Pharmakotherapie ist allerdings beeinträchtigt durch mangelnde Therapietreue des Patienten und fehlerhafte Handhabung der Inhalations-Devices.

Mit der neuen Methode der gezielten Lungendenervierung (targeted lung denervation = TLD) sollen mittel- bis schwergradige COPD-Patienten lang anhaltend von den oben beschriebenen Effekten profitieren. Bronchoskopisch wird ein Radiofrequenzkatheter mit dualer Kühlfunktion in die Atemwege eingeführt mit dem Ziel der Ablation von parasympathischen Nervenästen an den Hauptbronchien. Nach einer ersten Pilotstudie am Menschen kam es zu einer technischen Weiterentwicklung des Katheters und der Prozedur. Aktuell wird dieses neue vielversprechende Verfahren in der großen multizentrischen, randomisiert, kontrollierten Airflow-1-Studie weiter evaluiert.

Mit den vorgestellten neuen endoskopischen Methoden wird das Spektrum der Behandlung einer irreversiblen und invalidisierenden Erkrankung deutlich bereichert. Es erschließen sich zudem Behandlungsmöglichkeiten für weitere Subgruppen von Emphysem-Patienten, denen man bislang wenig anbieten konnte. Für allzu große Euphorie ist es allerdings noch zu früh, da sich diese Methoden in der Studienphase befinden und der breiten Anwendung noch nicht zugänglich sind. Ihre Rolle in einem umfassenden Therapiekonzept, das auch Raucherentwöhung, inhalative Pharmakotherapie, Rehabilitation und bei Bedarf die Sauerstofflangzeittherapie umfasst, muss noch genauer definiert werden. Die endoskopischen Optionen werden aber in der Emphysem-Behandlung sicher eine zunehmende Rolle spielen.

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