Dekubitus-Forschung: Analyse mit MRT, 3D-Modellen und hochkomplexe Auswertungstechnologie
11.03.2012 -
Dekubitus-Forschung: Analyse mit MRT, 3D-Modellen und hochkomplexe Auswertungstechnologie. Um maßgeschneiderte Materialien zur Vermeidung von Dekubitus zu entwickeln, ist zunächst zu erforschen, wie der menschliche Körper mit seinen vielen unterschiedlichen Gewebeschichten auf Druck reagiert – was technisch bislang nicht möglich war. Erstmals gelang Frankfurter Forschern eine derartige Analyse mit Hilfe von MRT, 3D-Modellen und einer hochkomplexen Auswertungstechnologie. Das Forscherteam um den Radiologen Prof. Dr. Thomas J. Vogl, Direktor des Instituts für Diagnostische und InterventionelIe Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main und Mitbegründer des Center for Biomedical Engineering (CBME), kam zu dem Ergebnis: Geeignet sind viskoelastische Gewebe, also Hightech-Unterlagen, die sich in verschiedene Richtungen unterschiedlich stark ausdehnen können. Diese Erkenntnisse sollen jetzt auf Bürostühle, Autosessel und andere extrem belastete Gegenstände umgelegt werden.
Prof. Vogl und sein Team stellten gemeinsam mit Prof. Dr. Gerhard Silber von der Fachhochschule Frankfurt ihre Forschungsergebnisse am 9. März auf dem Europäischen Radiologenkongress 2007 (ECR) in Wien vor. „Wenn wir Materialien entwickeln wollen, die das Entstehen von Druckgeschwüren anhalten oder zumindest möglichst verzögern, stehen wir vor der großen Schwierigkeit, dass unser Körper nicht nur aus einer homogenen Schicht besteht, sondern aus vielen“, erläutert Vogl. „Bindegewebe, Muskulatur und schließlich Knochen liegen übereinander, reagieren auf Druckbelastung völlig unterschiedlich und sind an den verschiedenen Risikozonen für das Geschwür auch unterschiedlich dick, sodass der Einfluss einer bestimmten Belastung gerade auf das Bindegewebe extrem schwer vorherzusagen ist.“
Viskoelastische Gewebe reagieren gut auf die heterogenen Gewebeschichten des Menschen
Die Auswahl der Materialien basiert auf anatomischen Untersuchungen mittels Magnetresonanztomografie (MRT). In einer eigens konstruierten Vorrichtung wurden Fersen und Gesäßbacken der Versuchspersonen mit genau definierten Druck-Stärken eingedrückt. Hochauflösende Magnetresonanzbilder wurden mittels geeigneter Software zu einem 3D-Modell der Region zusammengesetzt und zeigten, wie die verschiedenen Gewebeschichten auf diesen Druck reagieren. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in ein FEM (Finite Element Model) eingespeist, eine Rechenmethode, die auch bei Crash-Tests in der Autoindustrie zur Anwendung kommt und es erlaubt, das Verhalten von Materialien zu berechnen, die aus mehreren Schichten mit unterschiedlichen mechanischen Eigenschaften bestehen.
„Damit war erstmals klar, wie eine bestimmte Gewebsschicht auf einen bestimmten Druck reagiert, vor allem im Laufe der Zeit“, so Prof. Vogl. Diese Daten wurden nun mit den Eigenschaften verschiedenster Liegeunterlagen in Beziehung gesetzt. Die erstaunlichen Resultate zeigten: „Jene Materialien, die sich nach allen Seiten gleich stark verformen, die wir „elastisch“ nennen, brachten alle mehr oder weniger die gleichen Ergebnisse“, so Vogl. „Deutliche Verbesserung hingegen brachten sog. viskoelastische Gewebe, also solche, die sich in unterschiedliche Richtungen verschieden stark ausdehnen können.“
Das Ergebnis sind Hightech-Unterlagen, auf denen ein Druckgeschwür wesentlich länger vermieden werden kann als auf herkömmlichen Matratzen. „Die Universität Frankfurt und das Center for Biomedical Engineering sind bereits dabei, unsere Erkenntnisse auf Bürostühle, Autosessel und andere extrem belastete Gegenstände umzulegen“, erklärt Vogl. „Außerdem wollen wir herausfinden, ob die objektiv messbare Druckbelastung auch mit dem Schmerz korreliert, den die Menschen bei derartigen Belastungen empfinden. Was plausibel wäre, aber noch nicht genau erforscht ist“, so der Radiologe weiter.